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Beim Klang des Namens Culloden konnte ich ein leises Stöhnen nicht unterdrücken. Da war es also. Trotz allem war es so weit gekommen, und wir waren hier.

Auch Jamie erschauerte; ich sah die roten Härchen auf seinen Unterarmen zu Berge stehen, doch seine Stimme verriet nichts von der Not, die er empfinden musste.

»Die Männer – sie sind doch viel zu schwach für einen Kampf. Begreift Lord George denn nicht, dass sie Rast brauchen und Nahrung?«

Das ächzende Geräusch, das Alec ausstieß, hätte der Schatten eines Lachens sein können.

»Was Seine Lordschaft weiß, spielt keine große Rolle, Junge. Seine Hoheit hat das Kommando über die Armee übernommen. Und Seine Hoheit sagt, wir stellen uns in Drumossie gegen die Engländer. Was die Nahrung betrifft …« Die Augenbrauen des Alten waren dicht und buschig; im Lauf des letzten Jahres waren sie völlig weiß geworden, und drahtige Haare sprossen daraus hervor. Eine Braue hob sich schwerfällig, als grenze selbst dieser kleine Wechsel seiner Miene an Erschöpfung. Seine knorrige Hand bewegte sich auf seinem Schoß und zeigte auf die leeren Boxen.

»Letzten Monat haben sie die Pferde gegessen«, sagte er nur. »Seitdem gab es nicht mehr viel.«

Jamie stand abrupt auf und lehnte sich an die Wand, den Kopf erschrocken gesenkt. Ich konnte sein Gesicht nicht sehen, doch sein Körper war so starr wie die Bretter im Stall.

»Aye«, sagte er schließlich. »Aye. Meine Männer – haben sie denn ihren Anteil an dem Fleisch abbekommen? Donas … war ja … ein kräftiges Pferd.« Er sprach leise, doch ich sah der plötzlichen Schärfe in Alecs einäugigem Blick an, dass er genau wie ich die Mühe hörte, mit der Jamie verhinderte, dass ihm die Stimme brach.

Der alte Mann erhob sich langsam aus dem Heu, und sein verkrüppelter Körper bewegte sich schmerzhaft und gemessen. Er legte Jamie die knorrige Hand auf die Schulter; die rheumatischen Finger ließen sich nicht schließen, doch die Hand blieb als tröstendes, grobes Gewicht dort liegen.

»Donas haben sie nicht genommen«, sagte er leise. »Sie haben ihn aufbewahrt – damit ihn Prinz Tcharlach bei seiner triumphalen Rückkehr nach Edinburgh reiten kann. O’Sullivan meinte, es zieme sich nicht für Seine Hoheit … zu laufen.«

Jamie hielt sich die Hände vor das Gesicht und lehnte zitternd an der Bretterwand einer leeren Box.

»Ich bin ein Narr«, sagte er schließlich und schnappte keuchend nach Luft. »O Gott, ich bin ein Narr.« Er ließ die Hände sinken, so dass ich sein Gesicht sah, und die Tränen rannen ihm durch den Schmutz der Reise. Er fuhr sich mit dem Handrücken über die Wange, doch liefen ihm weiter die Augen über, als hätte er keinerlei Kontrolle darüber.

»Wir haben verloren, meinen Männern droht das Gemetzel, im Wald verrotten die Toten … und ich weine um ein Pferd! O Gott«, flüsterte er und schüttelte den Kopf. »Ich bin ein Narr.«

Der alte Alec stieß einen Seufzer aus, und seine Hand glitt schwer an Jamies Arm hinunter.

»Gut, dass du es noch kannst, mein Junge«, sagte er. »Ich selber habe es hinter mir.«

Der Alte knickte ein Bein umständlich am Knie ein und ließ sich wieder auf den Boden sinken. Einen Moment blieb Jamie stehen und blickte auf Alec hinunter. Immer noch liefen ihm die Tränen hemmungslos über das Gesicht, doch es war wie Regen, der über eine polierte Granitplatte fließt. Dann nahm er meinen Ellbogen und wandte sich wortlos ab.

An der Stalltür sah ich mich nach Alec um. Er saß reglos da, ein dunkles Häuflein in seinem Plaid, und sein blaues Auge war genauso blind wie das andere.

Überall im Haus lagen Männer, die erschöpft darauf hofften, den nagenden Hunger und die Gewissheit der bevorstehenden Katastrophe im Schlaf vergessen zu können. Frauen gab es hier keine; die Clanführer, die bis jetzt von ihren Frauen begleitet worden waren, hatten die Damen heil davongeschickt – der kommende Untergang warf seinen Schatten voraus.

Mit einem gemurmelten Wort ließ mich Jamie vor der Tür zurück, die zum zeitweiligen Quartier des Prinzen führte. Meine Gegenwart würde nicht helfen. Ich wanderte auf leisen Sohlen durch das Haus, in dem der angestrengte Atem der Schläfer murmelte und dumpfe Verzweiflung in der Luft lag.

Unter dem Dach fand ich eine kleine Rumpelkammer. Sie war mit alten Möbeln und Krimskrams vollgestellt, doch ansonsten war sie verlassen. Ich verkroch mich in diesem Labyrinth der Kuriositäten und fühlte mich wie ein kleines Nagetier auf der Suche nach Zuflucht vor einer Welt, in der gewaltige, rätselhafte Kräfte auf Vernichtung aus waren.

Es gab ein kleines Fenster, das vom Nebelgrau des Morgens erfüllt war. Ich rieb mit einem Zipfel meines Umhangs den Schmutz von einer Scheibe, doch es war nichts zu sehen außer dem allumfassenden Nebel. Ich lehnte mich mit der Stirn an das kalte Glas. Irgendwo dort draußen war das Feld von Culloden, doch ich sah nichts als den schemenhaften Umriss meines eigenen Spiegelbilds.

Ich wusste, dass die Nachricht vom ebenso grausamen wie rätselhaften Tod des Herzogs von Sandringham auch bis zu Prinz Charles vorgedrungen war; beinahe jeder, mit dem wir auf dem Weg nach Norden sprachen, als wir uns wieder ungefährdet zeigen konnten, hatte uns davon erzählt. Was genau hatten wir getan?, fragte ich mich. Hatten wir die Sache der Jakobiten dem Untergang geweiht, und das allein durch das Abenteuer dieser einen Nacht, oder hatten wir Charles Stuart ungewollt vor einer englischen Falle bewahrt? Mit quietschendem Finger zog ich eine Linie über das beschlagene Glas und hakte eine weitere Frage ab, deren Antwort ich nie erfahren würde.

Es schien lange zu dauern, bis ich Schritte auf den blanken Dielen der Treppe außerhalb meines Refugiums hörte. Als ich an die Tür trat, erreichte Jamie den Treppenabsatz. Ein Blick auf sein Gesicht reichte aus.

»Alec hatte recht«, sagte er ohne Umschweife. Seine Gesichtsknochen zeichneten sich deutlich unter der Haut ab, hervorgetreten durch den Hunger, geschärft durch seine Wut. »Die Männer sind auf dem Marsch nach Culloden – so sie überhaupt noch können. Sie haben seit zwei Tagen nicht geschlafen und gegessen; es gibt keine Munition für die Kanonen – aber sie gehen.« Die Wut brach plötzlich aus ihm heraus, und er ließ die Faust auf ein wackeliges Tischchen niedersausen. Die Kaskade kleiner Messingbecher, die von einem Stapel alter Haushaltsgegenstände rollte, weckte mit ihrem gottlosen Scheppern die Echos des Dachbodens.

Mit einer ungeduldigen Geste riss er den Dolch aus seinem Gürtel und rammte ihn mit aller Kraft in den Tisch, wo er heftig bebend stecken blieb.

»Die Leute auf dem Land sagen, wenn man Blut an seinem Dolch sieht, kommt der Tod.« Er holte zischend Luft und ballte die Hand auf dem Tisch zur Faust. »Nun, ich habe Blut gesehen. Alle haben es gesehen. Sie wissen es alle – Kilmarnock, Lochiel und der ganze Rest. Und es nützt nicht das Geringste!«

Er senkte den Kopf, die Hände auf den Tisch gestützt, und blickte auf den Dolch. Jamie schien viel zu groß für das Kämmerchen zu sein, eine wütende, schwelende Präsenz, die plötzlich in Flammen aufgehen konnte. Stattdessen warf er die Hände in die Luft und ließ sich auf eine altersschwache Bank fallen. Dort blieb er sitzen und vergrub den Kopf in den Händen.

»Jamie«, sagte ich und schluckte. Ich bekam die nächsten Worte kaum heraus, doch sie mussten gesagt werden. Ich hatte gewusst, was für Nachrichten er mitbringen würde, und ich hatte überlegt, was man noch tun konnte. »Jamie. Eines gibt es noch – nur die eine Möglichkeit.«

Sein Kopf blieb gesenkt, und er stützte die Stirn auf seine Fingerknöchel. Er schüttelte den Kopf, ohne mich anzusehen.

»Es gibt keinen Ausweg«, sagte er. »Er ist fest dazu entschlossen. Murray hat versucht, es ihm auszureden, genau wie Lochiel. Balmerino. Ich. Doch in dieser Stunde stehen die Männer auf dem Feld. Cumberland ist auf dem Marsch nach Drumossie. Es gibt keinen Ausweg.«

Die Heilkunst verfügt über große Macht, und jeder Arzt, der in der Verwendung heilender Substanzen versiert ist, kennt auch die Macht der Mittel, die den Menschen schaden. Ich hatte Colum das Zyanid gegeben, das er nicht mehr hatte benutzen können, und hatte das tödliche Fläschchen wieder von dem Tisch an seinem Bett genommen, wo sein Leichnam lag. Jetzt befand es sich in meiner Kiste, und die grob destillierten, bräunlich weißen Kristalle sahen trügerisch harmlos aus.