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»Ich?« Der Junge bekam vor Erstaunen große Augen.

»Du, Mann.« Jamie nahm mir das Papier ab und faltete es zusammen; dann kniete er nieder und steckte es Fergus ins Hemd.

»Das muss unbedingt zu meiner Schwester – Madame Murray. Es ist mehr wert als mein Leben, Mann – oder das deine.«

Fergus, dem die schiere Größe der Verantwortung, die man ihm anvertraute, praktisch den Atem verschlug, richtete sich kerzengerade auf, die Hände vor der Taille verschränkt.

»Ich werde Euch nicht enttäuschen, Milord!«

Ein schwaches Lächeln wanderte über Jamies Lippen hinweg, und seine Hand legte sich kurz auf Fergus’ glatten Haarschopf.

»Ich weiß, Mann, und ich bin dir dankbar dafür«, sagte er. Er drehte sich den Ring von seiner linken Hand, den großen Rubin, der seinem Vater gehört hatte. »Hier«, sagte er und reichte ihn Fergus. »Geh in den Stall und zeig ihn dem alten Mann, den du dort finden wirst. Sag ihm, ich habe gesagt, du sollst Donas nehmen. Nimm das Pferd und reite nach Lallybroch. Du darfst nicht anhalten, es sei denn zum Schlafen, wenn du musst, und wenn du schläftst, versteck dich gut.«

Fergus war sprachlos vor Aufregung, doch Murtagh sah ihn mit einem skeptischen Stirnrunzeln an.

»Meinst du, der Kleine kommt mit diesem hinterlistigen Tier zurecht?«, sagte er.

»Aye, das tut er.« Fergus stotterte überwältigt, dann sank er auf die Knie und küsste Jamie inbrünstig die Hand. Schließlich sprang er auf und huschte Richtung Stall davon, und seine schmale Gestalt verschwand im Nebel.

Jamie leckte sich die trockenen Lippen und schloss flüchtig die Augen, dann wandte er sich entschlossen an Murtagh.

»Und du, a charaid, du musst meine Männer sammeln.«

Murtaghs schüttere Augenbrauen fuhren in die Höhe, doch er nickte nur.

»Aye«, sagte er. »Und wenn ich das getan habe?«

Jamie richtete den Blick auf mich, dann wieder auf seinen Taufpaten. »Ich denke, sie werden schon auf dem Moor sein, bei Simon und den Lovats. Sieh nur zu, dass du sie an einer Stelle zusammenbringst. Ich bringe meine Frau in Sicherheit, und dann …« Er zögerte, dann zuckte er mit den Schultern. »Dann komme ich zu euch. Wartet auf mich.«

Murtagh nickte erneut und wandte sich zum Gehen. Dann hielt er inne und drehte sich zu Jamie zurück. Sein schmaler Mund zuckte kurz, und er sagte: »Um eines möchte ich dich bitten, Junge – lass es die Engländer tun. Nicht deine eigenen Leute.«

Jamie zuckte kaum merklich zusammen, doch einen Moment später nickte er. Dann hielt er dem älteren Mann wortlos die Arme hin. Sie umarmten sich schnell und fest, und dann war auch Murtagh mit wirbelndem Tartan verschwunden.

Ich war der letzte Punkt auf der Tagesordnung.

»Komm mit, Sassenach«, sagte er und nahm mich beim Arm. »Wir müssen gehen.«

Niemand hielt uns auf; auf den Straßen herrschte ein solches Kommen und Gehen, dass kaum jemand Notiz von uns nahm, solange wir uns in der Nähe des Moors befanden. Als wir dann von der Hauptstraße abbogen, gab es niemanden mehr, der uns hätte sehen können.

Jamie schwieg nur und konzentrierte sich ganz auf seine Aufgabe. Ich sagte nichts zu ihm, zu sehr mit meinem eigenen Schrecken und mit meiner Angst beschäftigt, um mich unterhalten zu wollen.

»Ich bringe meine Frau in Sicherheit.« Ich hatte nicht gewusst, was er damit meinte, doch nach zwei Stunden wurde es klar, als er sein Pferd noch weiter südwärts wandte und der steile grüne Hügel namens Craigh na Dun in Sicht kam.

»Nein!«, sagte ich, als ich ihn erblickte und begriff, wohin wir unterwegs waren. »Jamie, nein! Ich gehe nicht!«

Er antwortete mir nicht, sondern gab nur seinem Pferd die Sporen und galoppierte voraus, so dass mir nichts anderes übrigblieb, als ihm zu folgen.

Meine Gefühle waren in Aufruhr; zu dem Grauen der kommenden Schlacht und dem Entsetzen über Dougals Tod gesellte sich nun die Aussicht auf die Steine. Dieser verfluchte Steinkreis, durch den ich hierhergekommen war. Jamie hatte eindeutig vor, mich zurückzuschicken, zurück in meine eigene Zeit – falls so etwas denn möglich war.

Sollte er doch vorhaben, was er wollte, dachte ich und folgte ihm mit zusammengebissenen Zähnen über den schmalen Pfad durch die Heide. Keine Macht der Erde würde mich dazu bringen, ihn jetzt zu verlassen.

Wir standen zusammen auf dem Hügel, vor der Ruine der kleinen Kate, die unterhalb der Hügelkuppe stand. Hier lebte seit Jahren niemand mehr; die Leute aus der Gegend sagten, der Hügel sei verwunschen – ein Feenhügel.

Jamie hatte mich halb hinaufgeschoben, halb gezerrt, ohne meinen Protest zu beachten. Doch an der Kate hatte er angehalten und war mit keuchender Brust zu Boden gesunken.

»Also schön«, sagte er schließlich. »Jetzt haben wir ein bisschen Zeit; hier wird uns niemand finden.«

Er setzte sich auf den Boden und hüllte sich in sein wärmendes Plaid. Im Augenblick regnete es nicht, doch der Wind wehte kalt von den nahen Bergen herüber, auf deren Gipfeln noch Schnee lag und die Pässe verstopfte. Er ließ den Kopf vornüber auf die Knie fallen, erschöpft von unserer Flucht.

Ich saß dicht bei ihm, in meinen Umhang gehüllt, und spürte, wie sich sein Atem allmählich verlangsamte, als die Panik nachließ. Lange saßen wir schweigend da, denn wir hatten Angst, uns zu bewegen auf unserem prekären Hochsitz über dem Chaos unter uns. Chaos, von dem ich das Gefühl hatte, dass ich mitgeholfen hatte, es zu erzeugen.

»Jamie«, sagte ich schließlich. Ich streckte die Hand aus, um ihn zu berühren, doch dann zog ich sie zurück und ließ sie sinken. »Jamie – es tut mir leid.«

Er blickte weiter in die Leere hinaus, die unter uns das Moor verdunkelte. Im ersten Moment glaubte ich, er hätte mich gar nicht gehört. Er schloss die Augen. Dann schüttelte er ganz sacht den Kopf.

»Nein«, sagte er leise. »Das braucht es nicht.«

»Doch.« Der Schmerz verschlug mir fast den Atem, doch ich hatte das Gefühl, es sagen zu müssen, ihm sagen zu müssen, dass ich wusste, was ich ihm angetan hatte.

»Ich hätte zurückgehen sollen, Jamie – wenn ich damals gegangen wäre, als du mich von Cranesmuir aus hierhergebracht hast. Vielleicht …«

»Aye, vielleicht«, unterbrach er mich. Er schwang abrupt zu mir herum, und ich konnte seinen Blick auf mich gerichtet sehen. Er war von Sehnsucht erfüllt und einem Schmerz, der dem meinen glich, doch keine Wut und kein Tadel.

Wieder schüttelte er den Kopf.

»Nein«, sagte er noch einmal, »ich weiß, was du meinst, a nighean donn. Doch so ist es nicht. Auch wenn du damals gegangen wärst, hätte sich alles vielleicht trotzdem genauso zugetragen. Vielleicht, vielleicht auch nicht. Vielleicht wäre es schneller gegangen. Vielleicht wäre es anders verlaufen. Vielleicht – nur vielleicht – auch gar nicht. Doch es haben noch mehr Menschen ihre Hand im Spiel gehabt als nur wir beide, und ich lasse nicht zu, dass du die Schuld allein auf dich nimmst.«

Seine Hand berührte mein Haar und strich es mir aus den Augen. Eine Träne rollte mir über die Wange, und er fing sie mit dem Finger auf.

»Nicht das«, sagte ich und wies mit einer Handbewegung in die Dunkelheit mit den Armeen und Charles und dem verhungerten Mann im Wald und dem kommenden Gemetzel. »Nicht das. Das, was ich dir angetan habe.«

Jetzt lächelte er voll Zärtlichkeit und strich mir mit der Handfläche über die Wange, warm auf meiner frühlingskalten Haut.

»Aye? Und was habe ich dir angetan, Sassenach? Dich aus deiner eigenen Welt geholt und dich in die Armut und Gesetzlosigkeit geführt, dich auf Schlachtfelder gebracht und dein Leben aufs Spiel gesetzt. Wirfst du mir das vor?«

»Du weißt genau, dass ich das nicht tue.«

Er lächelte. »Aye, nun ja, ich auch nicht, meine Sassenach.« Das Lächeln schwand aus seinem Gesicht, als er zur Kuppe des Hügels über uns aufblickte. Die Steine waren zwar nicht zu sehen, doch ich konnte ihre bedrohliche Nähe spüren.

»Ich gehe nicht fort, Jamie«, wiederholte ich hartnäckig. »Ich bleibe bei dir.«