»Nein.« Er schüttelte den Kopf. Er sprach zwar sanft, doch sein Ton war entschlossen und duldete keine Widerrede. »Ich muss zurück, Claire.«
»Jamie, das kannst du nicht tun!« Ich packte drängend seinen Arm. »Jamie, sie müssen doch Dougal jetzt gefunden haben! Sicher hat es Willie Coulder jemandem erzählt.«
»Aye, sicher.« Er legte eine Hand auf meinen Arm und tätschelte ihn. Er hatte auf dem Ritt zu dem Hügel zu seinem Entschluss gefunden; ich sah es in den Schatten in seinem Gesicht, in dem sich Resignation und Entschlossenheit mischten. Auch Schmerz war da und Traurigkeit, doch die hatte er beiseitegeschoben; zum Trauern war jetzt keine Zeit.
»Wir könnten doch versuchen, nach Frankreich zu fliehen«, sagte ich. »Jamie, wir müssen es tun!« Doch schon als ich das sagte, war mir klar, dass ich ihn nicht von dem Kurs abbringen konnte, zu dem er sich entschieden hatte.
»Nein«, sagte er noch einmal leise. Er wandte sich ab und hob die Hand, um auf das dunkle Tal unter uns zu zeigen, die finsteren Hügel dahinter. »Das Land ist in Aufruhr, Sassenach. Die Häfen sind geschlossen; O’Brien versucht seit drei Monaten, mit einem Schiff zu landen, das den Prinzen rettet, ihn nach Frankreich in Sicherheit bringt. Das hat Dougal mir erzählt, ehe …« Ein Beben lief über sein Gesicht hinweg, und plötzlicher Schmerz verzerrte ihm die Stirn. Doch er schob ihn beiseite und fuhr mit seinen nüchternen Erklärungen fort.
»Es sind nur die Engländer, die Jagd auf Charles Stuart machen. Es werden die Engländer sein und die Clans dazu, die Jagd auf mich machen. Ich bin in zweifacher Hinsicht Verräter, ein Rebell und ein Mörder. Claire …« Er hielt inne und rieb sich den Nacken, dann sagte er sanft: »Claire, ich bin ein toter Mann.«
Die Tränen gefroren mir auf den Wangen und hinterließen eisige Spuren, die mir die Haut verbrannten.
»Nein«, sagte ich erneut, doch es nützte nichts.
»Ich bin ja schließlich nicht gerade unauffällig«, sagte er und versuchte zu scherzen, als er sich mit der Hand durch die roten Locken fuhr. »Ich glaube nicht, dass der Rote Jamie weit kommen würde. Aber du …« Er berührte meinen Mund und zeichnete meine Lippen nach. »Dich kann ich retten, Claire, und das werde ich auch. Das ist das Wichtigste. Doch dann gehe ich dorthin zurück – um meiner Männer willen.«
»Die Männer aus Lallybroch? Wie denn?«
Jamie runzelte die Stirn und betastete zerstreut das Heft seines Schwertes, während er überlegte.
»Ich glaube, ich kann sie fortbringen. Auf dem Moor wird Verwirrung herrschen, weil sich Männer und Pferde in alle Richtungen bewegen und Befehle gerufen und wieder aufgehoben werden; eine Schlacht ist immer ein großes Durcheinander. Und selbst wenn bis dahin bekannt ist, was ich … was ich getan habe«, fuhr er fort, und seine Stimme überschlug sich kurz, »gibt es niemanden, der mich zu diesem Zeitpunkt aufhalten würde, im Angesicht der Engländer und so kurz vor der Schlacht. Aye, ich kann es tun«, sagte er. Seine Stimme hatte sich wieder gefangen, und er ballte entschlossen die Fäuste an seinen Seiten.
»Sie werden mir ohne Fragen folgen – Gott steh ihnen bei, genau das hat sie hierhergeführt! Murtagh wird sie für mich gesammelt haben; ich werde sie vom Feld hinunterführen. Wenn mich jemand aufhalten will, werde ich sagen, dass ich Anspruch auf das Recht erhebe, meine eigenen Männer in den Kampf zu führen, das wird mir nicht einmal Simon verweigern.«
Er holte tief Luft und runzelte die Stirn, während er sich die Szene auf dem morgigen Schlachtfeld ausmalte.
»Ich werde sie in Sicherheit bringen. Das Feld ist so groß und so voller Männer, dass niemand begreifen wird, dass wir nicht nur eine neue Position eingenommen haben. Ich führe sie vom Moor hinunter und bringe sie auf die Straße nach Lallybroch.«
Er verstummte, als hätte er noch nicht weitergedacht.
»Und dann?«, fragte ich. Ich wollte die Antwort gar nicht hören, doch ich musste trotzdem fragen.
»Dann kehre ich nach Culloden zurück«, sagte er und atmete aus. Er lächelte mich unsicher an. »Ich habe keine Angst vor dem Sterben, Sassenach.« Sein Mund verzog sich ironisch. »Nun … zumindest keine große. Aber einige der Methoden, dieses Ziel zu erreichen …« Ein kurzer Schauer lief unwillkürlich über ihn hinweg, doch er bemühte sich, weiterzulächeln.
»Ich glaube zwar nicht, dass man mich der Dienste eines Meisters für würdig halten wird, doch ich vermute, falls doch, würden Monsieur Forez und ich es … peinlich finden. Ich meine, das Herz von jemandem herausgeschnitten zu bekommen, mit dem ich Wein getrunken habe …«
Mit einem unartikulierten Laut der Bestürzung warf ich die Arme um ihn und hielt ihn, so fest ich konnte.
»Ist ja gut«, flüsterte er in mein Haar. »Es ist alles gut, Sassenach. Eine Musketenkugel, vielleicht eine Klinge. Es wird schnell vorbei sein.«
Ich wusste, dass das eine Lüge war; ich hatte schon genügend Schlachtverletzungen und sterbende Krieger gesehen. Das Einzige, was stimmte, war, dass es besser war, als auf die Henkersschlinge zu warten. Das Grauen, das seit der Flucht von Sandringham mein ständiger Begleiter war, erreichte seinen Höhepunkt und drohte mich zu ertränken. Mein Puls dröhnte mir in den eigenen Ohren, und meine Kehle war so zugeschnürt, dass ich das Gefühl hatte, keine Luft mehr zu bekommen.
Dann war die Angst auf einmal fort. Ich konnte ihn nicht verlassen, und ich würde es nicht tun.
»Jamie«, sagte ich und starrte auf die Falten seines Plaids. »Ich gehe mit dir zurück.«
Er fuhr zurück und blickte auf mich hinunter.
»Du wirst den Teufel tun!«, sagte er.
»Doch.« Ich fühlte mich ganz ruhig und empfand nicht die geringste Spur von Zweifel. »Ich kann mir einen Kilt aus meinem Schultertuch machen; es sind so viele Jungen in der Armee, dass ich mich als einer von ihnen ausgeben kann. Es wird niemandem auffallen.«
»Nein!«, sagte er. »Nein, Claire!« Er hatte die Zähne fest zusammengebissen und funkelte mich mit einer Mischung aus Wut und Grauen an.
»Wenn du keine Angst hast, habe ich auch keine«, sagte ich und schob meinerseits das Kinn vor. »Es wird … schnell vorüber sein. Das hast du selbst gesagt.« Trotz meiner Entschlossenheit begann mein Mund zu beben. »Jamie – ich will … ich kann … ich werde einfach nicht ohne dich leben, das ist alles!«
Er öffnete sprachlos den Mund, dann schloss er ihn wieder und schüttelte den Kopf. Das Licht über den Bergen schwand jetzt dahin und tauchte die Wolken in einen dumpfen roten Schimmer. Schließlich streckte er die Hand nach mir aus, zog mich an sich und hielt mich fest.
»Meinst du denn, ich weiß das nicht?«, fragte er leise. »Ich bin es, der jetzt das leichtere Los gezogen hat. Denn wenn du für mich empfindest, was ich für dich empfinde … dann bitte ich dich gerade, dir das Herz herauszureißen und ohne es weiterzuleben.« Seine Hand strich über mein Haar, und seine rauhen Knöchel blieben in den wehenden Strähnen hängen.
»Aber du musst es tun, a nighean donn. Meine tapfere Löwin, du musst.«
»Warum?«, wollte ich wissen und wich zurück, um ihn anzusehen. »Als du mich vor dem Hexenprozess in Cranesmuir gerettet hast … damals hast du gesagt, dass du mit mir gestorben wärst, dass du mit mir auf den Scheiterhaufen gegangen wärst, wenn es dazu gekommen wäre!«
Er nahm meine Hände und betrachtete mich unverwandt.
»Aye, das hätte ich getan«, sagte er. »Aber da trug ich auch nicht dein Kind unter meinem Herzen.«
Ich war durchgefroren vom Wind; es war die Kälte, die mich zittern ließ, sagte ich mir. Die Kälte, die mir den Atem nahm.
»Das kannst du doch gar nicht wissen«, sagte ich schließlich. »Es ist noch viel zu früh, um es mit Sicherheit zu sagen.«
Er prustete kurz, und ein winziger Funke der Belustigung leuchtete in seinen Augen auf.
»Und das mir, der ich ein Bauer bin! Sassenach, du hast noch nie zu spät geblutet, in all der Zeit, seit du mich zum ersten Mal in dein Bett geholt hast. Jetzt ist es sechsundvierzig Tage her.«
»Du Mistkerl!«, sagte ich entrüstet. »Du hast mitgezählt! Du hast mitgezählt, mitten in einem verdammten Krieg!«