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»Die ganze Wahrheit also. Es war unerträglich, ihn zu verlassen«, sagte Claire. »Selbst um deinetwillen … Eine Weile habe ich dich gehasst, vor deiner Geburt, denn du warst der Grund, warum er mich gezwungen hat zu gehen. Es hätte mir nichts ausgemacht zu sterben – nicht mit ihm. Aber weitermachen zu müssen, ohne ihn zu leben – er hatte recht, mein Teil der Abmachung war der schlimmere. Aber ich habe sie gehalten, weil ich ihn geliebt habe. Und wir sind am Leben geblieben, du und ich, weil er dich geliebt hat.«

Brianna regte sich nicht; wandte den Blick nicht vom Gesicht ihrer Mutter ab. Nur ihre Lippen bewegten sich, steif, als sei das Sprechen ungewohnt.

»Wie lange … hast du mich gehasst?«

Goldene Augen trafen blaue, unschuldig und gnadenlos wie die Augen eines Falken.

»Bis du geboren wurdest und ich dich halten konnte und dich gestillt habe und du mich mit den Augen deines Vaters angesehen hast.«

Brianna stieß ein schwaches, ersticktes Geräusch aus, doch ihre Mutter fuhr fort, mit etwas sanfterer Stimme jetzt, während sie die junge Frau zu ihren Füßen ansah.

»Und dann habe ich dich kennengelernt, ein eigenständiges Wesen, unabhängig von mir oder Jamie. Und ich habe dich um deinetwillen geliebt, nicht nur um des Mannes willen, der dein Vater war.«

Eine plötzliche Bewegung vor dem Kamin, und Brianna fuhr aufrecht in die Höhe. Ihr Haar stand in alle Himmelsrichtungen ab wie eine Löwenmähne, und ihre blauen Augen brannten wie das Herz der Flammen hinter ihr.

»Frank Randall war mein Vater!«, sagte sie. »Er war es! Ich weiß es!« Mit geballten Fäusten funkelte sie ihre Mutter an. Ihre Stimme zitterte vor Wut.

»Ich weiß nicht, warum du das tust. Vielleicht hast du mich gehasst, vielleicht hasst du mich immer noch!« Tränen liefen ihr ungebeten über die Wangen, und sie wischte sie wütend mit dem Handrücken fort.

»Papa … Papa hat mich geliebt – das hätte er nicht gekonnt, wenn ich nicht seine Tochter wäre! Warum willst du mir einreden, dass er nicht mein Vater war? Bist du eifersüchtig auf mich gewesen? Ist es das? Hat es dir so viel ausgemacht, dass er mich geliebt hat? Dich hat er nicht geliebt, das weiß ich!« Ihre blauen Augen verengten sich und brannten wie Katzenaugen in einem Gesicht, das leichenblass geworden war.

Roger verspürte ein starkes Verlangen, sich hinter die Tür gleiten zu lassen, ehe sie seine Anwesenheit bemerkte und ihren glühenden Zorn auf ihn richtete. Doch jenseits der Beklommenheit wurde er sich eines Gefühls wachsender Ehrfurcht bewusst. Aus der jungen Frau, die da auf dem Kaminläufer stand und ihren Vater mit Zähnen und Klauen verteidigte, leuchtete jene wilde Kraft, die die Highlandkrieger wie die kreischenden Nachtmahre über ihre Feinde gebracht hatte. Mit ihrer langen, geraden Nase, die im Schatten noch länger wirkte, ihren Augen, zu Schlitzen zusammengezogen wie die einer fauchenden Katze, war sie das Ebenbild ihres Vaters – und ihr Vater war eindeutig nicht der dunkle, stille Gelehrte, dessen Foto den Umschlag des Buchs auf dem Tisch verzierte.

Claire öffnete den Mund, doch sie schloss ihn wieder und beobachtete ihre Tochter mit gebannter Faszination. Diesen machtvoll angespannten Körper, das Mahlen der breiten, flachen Wangenknochen; Roger glaubte, dass sie das schon oft gesehen hatte – aber nicht bei Brianna.

Mit einer Plötzlichkeit, die sie beide zusammenzucken ließ, fuhr Brianna auf dem Absatz herum, schnappte sich die vergilbten Zeitungsausschnitte vom Schreibtisch und warf sie ins Feuer. Sie griff nach dem Schüreisen und stieß ihn brutal in die verkohlende Masse, ohne den Funkenregen zu beachten, der aus dem Kamin flog und zischend neben ihren Schuhen landete.

Sie wirbelte herum, wandte sich von dem glühenden Papierklumpen ab, der rapide schwarz wurde, und stampfte mit dem Fuß auf die Kamineinfassung.

»Verdammt!«, schrie sie ihre Mutter an. »Du hast mich gehasst? Na schön, ich hasse dich!« Sie holte mit dem Schüreisen aus, und Rogers Muskeln spannten sich instinktiv an, um ihr in den Weg zu springen. Doch sie wandte sich ab, den Arm rückwärtsgewandt wie ein Speerwerfer, und schleuderte das Schüreisen durch das deckenhohe Fenster, dessen nachtdunkle Glasscheiben eine letzte Sekunde lang das Bild einer brennenden Frau widerspiegelten, ehe der Knall ertönte und sie zu leerem Schwarz zersprangen.

Die Stille im Studierzimmer war schockierend. Roger, der aufgesprungen war, um Brianna nachzusetzen, blieb in der Mitte des Zimmers stehen, vor Peinlichkeit erstarrt. Er senkte den Blick auf seine Hände, als wüsste er nicht genau, was er damit anfangen sollte, dann richtete er ihn auf Claire. Sie saß absolut still in der Zuflucht des Armsessels, wie ein Tier, das im Schatten eines vorüberziehenden Räubers erstarrt.

Einige Augenblicke später trat Roger an den Schreibtisch und lehnte sich an.

»Ich weiß nicht, was ich sagen soll.«

Claires Mund zuckte schwach. »Ich auch nicht.«

Ein paar Minuten verharrten sie schweigend. Das alte Haus kam ächzend rings um sie zur Ruhe, und aus der Küche drang das leise Scheppern der Töpfe durch den Flur, weil Fiona das Abendessen vorbereitete. Rogers Gefühl von Schock und verlegener Anspannung wich allmählich etwas anderem; er war sich nur nicht sicher, was. Seine Hände fühlten sich eisig an, und er rieb sie an seinen Beinen, spürte die rauhe Wärme des Cordstoffs unter seinen Handflächen.

»Ich …«, setzte er an, dann hielt er inne und schüttelte den Kopf.

Claire holte tief Luft, und er begriff, dass dies die erste Bewegung war, die er bei ihr sah, seit Brianna gegangen war. Ihr Blick war klar und direkt.

»Glaubst du mir?«, fragte sie.

Roger sah sie nachdenklich an. »Der Teufel soll mich holen, wenn ich das weiß«, sagte er schließlich.

Das rief ein etwas flackerndes Lächeln hervor. »Das hat Jamie auch gesagt«, stellte sie fest, »als ich ihn anfangs gefragt habe, was er dachte, woher ich kam.«

»Ich kann nicht sagen, dass ich ihm das vorwerfe.« Roger zögerte, dann entschloss er sich und ging durch das Zimmer zu ihr hinüber. »Darf ich?« Er kniete sich hin, nahm ihre widerstandslose Hand und drehte sie ins Licht. Man kann echtes Elfenbein von synthetischem unterscheiden, fiel ihm plötzlich ein, weil sich das echte warm anfühlt. Ihre Handfläche war zartrosa, doch die schmale Linie des »J« an ihrer Daumenwurzel war weiß wie ein Knochen.

»Das beweist gar nichts«, sagte sie, während sie sein Gesicht beobachtete. »Es könnte ein Unfall gewesen sein; ich könnte es selbst getan haben.«

»Aber das hast du nicht, oder?« Er legte ihr die Hand ganz sacht in den Schoß, als sei sie ein zerbrechlicher Gegenstand.

»Nein. Aber ich kann es nicht beweisen. Die Perlen …« Ihre Hand hob sich zu der schimmernden Kette an ihrem Hals. »Sie sind echt, das lässt sich verifizieren. Aber kann ich beweisen, woher ich sie habe? Nein.«

»Und Ellen MacKenzies Porträt …?«, begann er.

»Ebenso. Ein Zufall. Etwas, worauf ich meine Wahnvorstellung stützen kann. Meine Lügen.« Ihre Stimme hatte einen etwas bitteren Unterton, obwohl sie eigentlich ruhig sprach. Sie hatte jetzt einen Flecken auf jeder Wange, und ihre völlige Stille schwand dahin. Als sähe man eine Statue lebendig werden, dachte er.

Roger erhob sich. Er schritt langsam hin und her und fuhr sich mit der Hand durch das Haar.

»Aber es ist dir wichtig, nicht wahr? Sehr wichtig.«

»Ja.« Sie erhob sich ihrerseits und trat an den Schreibtisch, wo der Ordner mit seinen Recherchen lag. Ehrfürchtig legte sie die Hand auf den Pappdeckel, als wäre er ein Grabstein – für sie war er das wohl auch.

»Ich musste es wissen.« In ihrer Stimme lag ein leises Beben, doch er sah, wie sie auf der Stelle die Zähne zusammenbiss, um es zu unterdrücken. »Ich musste wissen, ob er es geschafft hatte – ob er seine Männer gerettet hatte – oder ob er sich umsonst geopfert hatte. Und ich musste es Brianna erzählen. Selbst wenn sie es nicht glaubt – es vielleicht niemals glaubt. Jamie war ihr Vater. Ich musste es ihr sagen.«