Выбрать главу

Der Mann rieb sich mit seiner schwarz bepelzten Knubbelhand über den Kopf, so dass ihm das Haar in streitlustigen Stacheln zu Berge stand.

»Für dich immer noch Mrs. Edgars, Kleiner. Und was willst du überhaupt von meiner Frau?« Roger wäre gern vor der Alkoholfahne des Mannes zurückgewichen, doch er hielt die Stellung.

»Wir würden sie nur gern sprechen«, sagte er, so versöhnlich er konnte. »Ist sie zu Hause, bitte?«

»Ist sie zu Hause, bitte?«, sagte der Mann, der Mr. Edgars sein musste, und verkniff den Mund zu einer bösen, spottenden Imitation von Rogers Oxfordakzent. »Nein, sie ist nicht zu Hause. Verpiss dich«, riet er Roger und knallte die Tür so heftig zu, dass der Spitzenvorhang zitterte.

»Ich weiß auch, warum sie nicht zu Hause ist«, konstatierte Claire und stellte sich auf die Zehenspitzen, um durch das Fenster zu schauen. »Das wäre ich auch nicht, wenn mich das hier erwarten würde.«

»Absolut«, sagte Roger knapp. »So viel dann wohl dazu. Hast du noch eine andere Idee, wo wir diese Frau finden könnten?«

Claire ließ die Fensterbank los.

»Er hat sich vor dem Fernseher niedergelassen«, berichtete sie. »Lassen wir ihn dort sitzen, zumindest bis die Kneipe aufmacht. In der Zwischenzeit können wir es bei diesem Institut versuchen. Fiona sagt, Gillian Edgars hat dort ein paar Kurse belegt.«

Das Institut für Studien der Highland-Folklore und -Vorzeit befand sich in der oberen Etage eines schmalen Hauses knapp außerhalb des Geschäftsbezirks. Die Empfangsdame, eine kleine, rundliche Frau mit einer braunen Strickjacke und einem bedruckten Kleid, schien entzückt, sie zu sehen; anscheinend bekam sie hier oben nicht oft Gesellschaft, dachte Roger.

»Oh, Mrs. Edgars«, sagte sie, als sie ihr Anliegen hörte. Roger hatte den Eindruck, dass sich ein plötzlicher zweifelnder Unterton in Mrs. Andrews’ Stimme geschlichen hatte, auch wenn sie weiter fröhlich vor sich hin strahlte. »Ja«, sagte sie, »sie ist Mitglied hier; ihre Kurse sind alle bezahlt. Sie ist wirklich oft hier, unsere Mrs. Edgars.« Dem Klang nach um einiges öfter, als es Mrs. Andrews lieb war.

»Sie ist nicht zufällig gerade hier?«, fragte Claire.

Mrs. Andrews schüttelte den Kopf, so dass die Dutzende grau gesträhnter Löckchen auf ihrem Kopf tanzten.

»Oh, nein«, sagte sie. »Es ist doch Montag. Montags sind nur Dr. McEwan und ich hier. Er ist nämlich der Direktor.« Sie warf Roger einen tadelnden Blick zu, als hätte er das doch wirklich wissen müssen. Dann ließ sie sich anscheinend von ihrem respektablen Aussehen erweichen.

»Wenn Sie etwas über Mrs. Edgars wissen möchten, sollten Sie Dr. McEwan sehen. Ich gehe zu ihm und sage ihm, dass Sie hier sind, ja?«

Sie begann, sich hinter ihrem Schreibtisch hervorzuschieben, doch Claire beugte sich vor, um sie aufzuhalten.

»Haben Sie vielleicht ein Foto von Mrs. Edgars?«, fragte sie unverblümt. Auf Mrs. Andrews’ überraschten Blick reagierte Claire mit einem charmanten Lächeln und erklärte: »Wir möchten schließlich nicht die Zeit des Direktors verschwenden, wenn es die falsche Person ist.«

Mrs. Andrews klappte ein wenig der Mund auf, und sie blinzelte verwirrt, doch dann nickte sie und begann, auf ihrem Schreibtisch herumzukramen und Schubladen zu öffnen, während sie mit sich selbst redete.

»Ich weiß doch, dass sie hier irgendwo sind. Ich habe sie gestern noch gesehen, also können sie nicht weit … oh, hier!« Sie tauchte mit einer Mappe voller Schwarzweißabzüge wieder auf und blätterte sie hastig durch.

»Da«, sagte sie. »Das ist sie, auf einer der Ausgrabungstouren in der Nähe von Inverness, aber Sie können ihr Gesicht nicht sehen, oder? Lassen Sie mich nachsehen, ob es noch eins gibt …«

Sie blätterte weiter durch die Fotos und murmelte dabei unentwegt vor sich hin. Roger blickte neugierig über Claires Schulter hinweg auf das Foto, das Mrs. Andrews auf den Tisch gelegt hatte. Es zeigte eine kleine Gruppe von Leuten, die neben einem Landrover standen. Jutesäcke und Werkzeuge lagen vor ihnen auf dem Boden. Es war ein Schnappschuss, und mehrere der Personen standen von der Kamera abgewandt. Ohne zu zögern, streckte Claire den Finger aus und berührte das Bild einer hochgewachsenen jungen Frau mit langem, glattem, blondem Haar, das ihr halb über den Rücken hing. Sie tippte auf das Foto und nickte Roger wortlos zu.

»Das kannst du doch unmöglich mit Sicherheit sagen«, murmelte er ihr zu.

»Was haben Sie gesagt?« Mrs. Andrews sah ihn geistesabwesend über ihre Brille hinweg an. »Oh, Sie haben gar nicht mit mir gesprochen. Also, ich habe eins gefunden, das ein bisschen besser ist. Es ist immer noch nicht ihr ganzes Gesicht, weil sie zur Seite gedreht steht, aber es ist besser als das andere.« Triumphierend ließ sie das neue Bild auf das andere fallen.

Dieses Foto zeigte einen älteren Herrn mit einer Halbbrille und dieselbe blonde Frau über einen Tisch mit Gegenständen gebeugt, die für Roger wie eine Ansammlung rostiger Motorenteile aussahen, aber zweifellos wertvolle Fundgegenstände waren. Die junge Frau hatte das Haar vor der Wange hängen, und ihr Kopf war dem Mann zugewandt, doch man konnte trotzdem deutlich ihre kleine, gerade Nase sehen, ihr hübsches Kinn und die schönen geschwungenen Lippen. Sie hatte den Blick gesenkt, so dass ihr Auge unter den langen, dichten Wimpern verborgen war. Roger unterdrückte den bewundernden Pfiff, der ihm ungebeten über die Lippen wollte. Urahnin oder nicht, sie war ein heißer Feger, dachte er respektlos.

Er richtete den Blick auf Claire. Sie nickte wortlos. Sie war noch blasser als sonst, und er konnte den Puls in ihrem Hals rasen sehen, doch sie bedankte sich auf ihre übliche gefasste Art bei Mrs. Andrews.

»Ja, das ist sie. Ich glaube, wir würden den Direktor gern sprechen, falls er Zeit hat.«

Mrs. Andrews warf einen raschen Blick auf die weiß verkleidete Tür hinter ihrem Schreibtisch.

»Ich gehe ihn gern fragen, Liebes. Aber könnte ich ihm sagen, worum es geht?«

Roger öffnete den Mund, suchte aber noch nach einer Ausrede, als Claire nahtlos in die Bresche sprang.

»Wir kommen aus Oxford«, sagte sie. »Mrs. Edgars hat sich bei der Fakultät für Altertumsgeschichte um ein Stipendium beworben und unter anderem dieses Institut als Referenz angegeben. Falls es Ihnen also nichts ausmacht …?«

»Oh, ich verstehe«, sagte Mrs. Andrews mit beeindruckter Miene. »Oxford. Wer hätte das gedacht! Ich frage Dr. McEwan, ob er gerade Zeit für Sie hat.«

Nachdem sie der Form halber an die weiße Tür geklopft hatte und verschwunden war, beugte sich Roger vor und flüsterte Claire ins Ohr: »Es gibt in Oxford keine Fakultät für Altertumsgeschichte«, zischte er, »das weißt du ganz genau.«

»Du weißt es«, erwiderte sie nüchtern, »und ich weiß es auch, wie du schlauerweise feststellst. Aber es gibt massenweise Menschen auf der Welt, die es nicht wissen, und wir sind gerade einem davon begegnet.«

Die weiße Tür begann, sich zu öffnen.

»Hoffen wir, dass es hier von solchen Menschen wimmelt«, sagte Roger und wischte sich über die Stirn, »oder dass du eine gute Lügnerin bist.«

Während sich Claire erhob und der winkenden Mrs. Andrews zulächelte, antwortete sie ihm aus dem Mundwinkel.

»Ich? Ich, die ich für den König von Frankreich Seelen gelesen habe?« Sie strich sich den Rock glatt, so dass er hin- und herschwang. »Das wird ein Kinderspiel.«

Roger verneigte sich ironisch und zeigte auf die Tür. »Après vous, Madame.«

Als sie vor ihm eintrat, fügte er murmelnd hinzu: »Après vous, le déluge.« Ihre Schultern erstarrten, doch sie drehte sich nicht um.

Zu Rogers großer Überraschung war es ein Kinderspiel. Er wusste nicht, ob es an Claires kunstfertiger Vortäuschung falscher Tatsachen lag oder an Dr. McEwans Zerstreutheit, doch ihre Legitimation wurde nicht in Frage gestellt. Der Mann schien gar nicht auf die Idee zu kommen, dass es höchst unwahrscheinlich war, dass die Mitarbeiter der Vergabestelle in Oxford in die Einöde von Inverness vordrangen, um Erkundigungen über den Hintergrund einer potentiellen Studentin einzuziehen. Doch Dr. McEwan schien mit den Gedanken anderswo zu sein, dachte Roger; vielleicht überlegte er ja einfach nicht so präzise wie sonst.