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»Nein, danke. Mir war nur ein wenig heiß dahinten; dachte, ich gehe ein bisschen nach unten an die frische Luft.«

»Oh, aye.« Die Sekretärin nickte verständnisvoll. »Die Heizung. Ständig klemmt sie und schaltet sich nicht ab. Ich kümmere mich besser darum.« Sie erhob sich von ihrem Schreibtisch, auf dem immer noch das Foto von Geillis Duncan lag. Sie senkte den Blick darauf, dann hob sie ihn, um Roger anzusehen.

»Wenn das nicht seltsam ist«, sagte sie im Plauderton. »Gerade habe ich mir das angesehen und mich gefragt, was mir plötzlich an Mrs. Edgars’ Gesicht so bekannt vorgekommen ist. Und ich bin nicht darauf gekommen, was es war. Aber sie sieht ja aus wie Sie, Mr. Wakefield – vor allem um die Augen. Ist das kein Zufall? Mr. Wakefield?« Doch Rogers Schritte hallten schon aus dem Treppenhaus zu ihr zurück.

»Hat ihn wohl kalt erwischt«, hörte er sie gerade noch mitfühlend sagen. »Armer Junge.«

Die Sonne stand zwar noch über dem Horizont, als Claire auf der Straße wieder zu ihm stieß, doch es war schon spät; die Leute waren auf dem Heimweg, und es lag etwas Entspanntes in der Luft – alles freute sich auf einen friedlichen Feierabend nach dem langen Arbeitstag.

Roger jedoch empfand nichts dergleichen. Während er Claire die Autotür öffnete, war er sich einer solchen Mischung von Gefühlen bewusst, dass er sich nicht entscheiden konnte, was er zuerst sagen sollte. Sie stieg ein und blickte mitfühlend zu ihm auf.

»Ein ziemlicher Schlag, nicht wahr?«, war alles, was sie sagte.

Das vertrackte Labyrinth der neuen Einbahnstraßen machte den Weg durch das Stadtzentrum zu einer Aufgabe, die seine ganze Aufmerksamkeit in Anspruch nahm. Sie waren schon ein ganzes Stück unterwegs, als er den Blick endlich von der Straße heben konnte, um zu fragen: »Und jetzt?«

Claire lehnte auf dem Beifahrersitz, die Augen geschlossen, und ihre Locken lösten sich aus ihrer Haarspange. Auch bei seiner Frage öffnete sie die Augen nicht, sondern rekelte sich sacht, um es sich noch bequemer zu machen.

»Wie wäre es, wenn du heute Abend mit Brianna irgendwo essen gehst?«, sagte sie. Essen gehen? Irgendwie schien es auf subtile Weise falsch zu sein, mitten in einem Detektivabenteuer, das über Leben und Tod entscheiden konnte, eine Essenspause einzulegen, doch andererseits wurde Roger plötzlich bewusst, dass die Leere in seiner Magengegend nicht nur von den Enthüllungen der vergangenen Stunde herrührte.

»Also schön«, sagte er gedehnt. »Aber dann müssen wir morgen …«

»Warum denn bis morgen warten?«, unterbrach ihn Claire. Sie hatte sich jetzt aufgerichtet und kämmte sich das Haar aus. Es war dicht und eigensinnig, und als es sich jetzt lose um ihre Schultern ringelte, fand Roger, dass es sie plötzlich sehr jung aussehen ließ. »Ihr könnt doch nach dem Essen noch einmal zu Greg Edgars fahren, oder?«

»Woher weißt du denn, dass er Greg heißt?«, fragte Roger neugierig. »Und warum sollte er heute Abend mit mir reden, obwohl er es heute Nachmittag nicht wollte?«

Claire sah Roger an, als zweifelte sie plötzlich an den Grundzügen seiner Intelligenz.

»Ich kenne seinen Namen, weil ich ihn auf einem Brief in seinem Briefkasten gesehen habe«, sagte sie. »Und er wird mit dir reden, weil du diesmal eine Flasche Whisky mitnehmen wirst.«

»Und du meinst, dann bittet er uns herein?«

Sie zog eine Augenbraue hoch. »Hast du die ganzen leeren Flaschen in seinem Mülleimer gesehen? Natürlich tut er das. Auf der Stelle.« Sie lehnte sich zurück, schob die Fäuste in ihre Manteltaschen und blickte auf die vorüberziehende Straße hinaus.

»Frag Brianna doch, ob sie dich begleitet«, sagte sie beiläufig.

»Sie hat doch gesagt, sie will nichts damit zu tun haben«, wandte Roger ein.

Claire sah ihn ungeduldig an. Hinter ihr ging die Sonne unter und ließ ihre Augen wie Bernstein glühen, wie die Augen eines Wolfs.

»In diesem Fall schlage ich vor, dass du ihr nicht erzählst, was du vorhast«, sagte sie in einem Ton, der Roger ins Gedächtnis rief, dass sie Chefärztin einer großen Klinik war.

Seine Ohren liefen zwar rot an, aber er blieb hartnäckig. »Das lässt sich doch kaum verheimlichen, wenn du und ich …«

»Ich nicht«, unterbrach ihn Claire. »Nur du. Ich habe etwas anderes zu tun.«

Das war zu viel, dachte Roger. Ohne zu blinken, fuhr er an den Straßenrand und kam mit quietschenden Reifen zum Halten. Er funkelte sie an.

»Etwas anderes zu tun, ja?«, wollte er wissen. »Das ist ja toll! Du lässt mich mit der Aufgabe allein, einen Betrunkenen zu umgarnen, der mich wahrscheinlich attackieren wird, wenn er mich sieht, und ich soll deine Tochter überreden, als Zuschauerin mitzukommen! Meinst du vielleicht, dass ich sie brauchen werde, damit sie mich ins Krankenhaus fahren kann, wenn Edgars mit mir fertig ist?«

»Nein«, sagte Claire, ohne seinen Ton zu beachten. »Ich glaube, dass dir und Greg Edgars gemeinsam möglicherweise gelingen kann, was ich nicht geschafft habe, nämlich Brianna zu überzeugen, dass Gillian Edgars die Frau ist, die ich als Geillis Duncan gekannt habe. Auf mich wird sie nicht hören. Auf dich wird sie wahrscheinlich auch nicht hören, wenn du versuchst, ihr zu erzählen, was wir heute in dem Institut herausgefunden haben. Aber auf Greg Edgars wird sie hören.« Ihre Stimme war tonlos und grimmig, und Roger spürte, wie sein Ärger zu verebben begann. Er ließ den Motor wieder an und ordnete sich in den Verkehr ein.

»Also schön, ich versuch’s«, sagte er widerstrebend, ohne sie anzusehen. »Und wo wirst du dich aufhalten, während ich das tue?«

Er hörte, wie sich ihre Hand neben ihm leise bewegte, als sie erneut in ihre Tasche griff. Dann zog sie die Hand heraus und öffnete sie. Sein Blick erhaschte den silbernen Glanz eines kleinen Gegenstands in ihrer Handfläche. Ein Schlüssel.

»Ich werde im Institut einbrechen«, sagte sie in aller Ruhe. »Ich will dieses Notizbuch haben.«

Nachdem sich Claire entschuldigt hatte, weil sie »noch etwas zu erledigen hatte« – Worte, bei denen Roger sacht erschauerte –, waren er und Brianna zum Pub gefahren, hatten dann aber beschlossen, mit dem Essen noch zu warten, weil der Abend unerwartet schön war. Sie spazierten über den Weg am Ness entlang, und die Freude, mit Brianna zusammen zu sein, ließ ihn seine Skepsis in Bezug auf diesen Abend vergessen.

Zuerst unterhielten sie sich sehr vorsichtig und vermieden jedes kontroverse Thema. Dann wandte sich ihre Plauderei Rogers Arbeit zu und wurde allmählich lebhafter.

»Wie kommt es überhaupt, dass du so viel darüber weißt?«, wollte Roger wissen und unterbrach sich mitten im Satz.

»Mein Vater hat es mir beigebracht«, erwiderte sie. Bei dem Wort »Vater« erstarrte sie kaum merklich und wich zurück, als erwartete sie, dass er etwas sagte. »Mein richtiger Vater«, fügte sie betont hinzu.

»Nun, er kannte sich natürlich bestens aus«, erwiderte Roger gelassen, ohne auf die Herausforderung einzugehen. Dazu haben wir später noch reichlich Zeit, Kleine, dachte er zynisch. Aber ich werde es nicht sein, der die Falle zuschnappen lässt.

Ein Stückchen weiter die Straße hinunter konnte Roger Licht im Fenster der Edgars’ sehen. Zielperson anvisiert. Er spürte einen unerwarteten Adrenalinstoß bei dem Gedanken an die bevorstehende Konfrontation.

Doch das Adrenalin war schwächer als der Ansturm der Magensäfte, der ihn überkam, als er die würzige Atmosphäre des Pubs betrat. Ihre Gespräche blieben allgemein und freundlich, und sie stimmten stillschweigend überein, die Szene, die sich tags zuvor im Pfarrhaus ereignet hatte, nicht anzusprechen. Roger war die Kühle nicht entgangen, die zwischen Claire und ihrer Tochter herrschte, ehe sie sich am Taxistand trennten. Sie hatten nebeneinander auf der Rückbank gesessen und ihn an zwei Katzen erinnert, die einander nicht kannten und zwar die Ohren angelegt hatten und mit den Schwänzen zuckten, aber beide den direkten Blick vermieden, der dazu geführt hätte, dass sie mit gewetzten Krallen aufeinander losgingen.