»Seiner Hoheit zur Seite stehen, wo immer dieser es erfordert? Aye«, sagte er leise. »Ich denke, das kann ich tun. Wir gehen nach Paris.«
Und so geschah es. Statt den direkten Weg zu nehmen, waren wir jedoch an der Küste entlang nach Le Havre gereist, um dort zunächst mit Jamies Vetter Jared zusammenzutreffen.
Jared war ein wohlhabender schottischer Emigrant, der Wein und Spirituosen importierte. Er unterhielt ein kleines Lagerhaus und ein großes Wohnhaus in Paris und ein wirklich großes Lagerhaus hier in Le Havre. Er hatte Jamie darum gebeten, sich dort mit ihm zu treffen, als Jamie ihm geschrieben hatte, dass wir auf dem Weg nach Paris waren.
Ich war jetzt hinreichend ausgeruht, und allmählich bekam ich Hunger. Auf dem Tisch stand etwas zu essen; Jamie musste dem Zimmermädchen aufgetragen haben, mir etwas zu bringen, während ich schlief.
Ich hatte zwar keinen Morgenrock, doch mein schwerer Reiseumhang aus Samt lag in Reichweite; ich setzte mich und zog mir das warme Gewicht über die Schultern, ehe ich aufstand, um mich zu erleichtern, ein neues Holzscheit ins Feuer zu legen und mich dann an mein spätes Frühstück zu begeben.
Zufrieden kaute ich knusprige Brötchen und Backschinken und spülte beides mit der Milch hinunter, die in einem Krug danebenstand. Ich hoffte, dass auch Jamie anständig zu essen bekam; er hatte zwar darauf bestanden, dass ihm Jared freundlich gesinnt war, doch ich hatte meine Zweifel in Bezug auf die Gastfreundschaft von Jamies Verwandten, von denen ich inzwischen einigen begegnet war. Natürlich hatte uns Abt Alexander herzlich aufgenommen – soweit es einem Mann in der Position eines Abtes möglich war, seinen überraschend aufgetauchten vogelfreien Neffen und dessen suspekte Frau herzlich aufzunehmen. Doch unser Aufenthalt bei der Verwandtschaft von Jamies Mutter, den MacKenzies von Leoch, hatte mich um ein Haar das Leben gekostet, als man mich im Herbst dort verhaftet und mir als Hexe den Prozess gemacht hatte.
»Ich gebe ja zu«, hatte ich gesagt, »dass dieser Jared ein Fraser ist und diese Verwandtschaft weniger gefährlich zu sein scheint als die MacKenzies. Aber bist du ihm schon einmal persönlich begegnet?«
»Ich habe mit achtzehn eine Zeitlang bei ihm gewohnt«, sagte er, während er Kerzenwachs auf seine Antwort tropfen ließ und den Ehering seines Vaters auf den grünlich grauen Klecks drückte. Es war ein kleiner, facettengeschliffener Rubin, in dessen Fassung das Clanmotto der Frasers eingraviert war, je suis prest: »Ich bin bereit.«
»Er hat mich eingeladen, als ich im letzten Schuljahr in Paris war und ein bisschen von der Welt sehen wollte. Er war sehr gütig zu mir; ein guter Freund meines Vaters. Und niemand weiß mehr über die Pariser Gesellschaft als der Mann, der ihr den Alkohol verkauft«, fügte er hinzu und brach den Ring aus dem gehärteten Wachs. »Ich möchte Jared sprechen, ehe ich an Charles Stuarts Seite bei Hofe hereinspaziere; ich wäre mir gern sicher, dass ich auch eine Chance habe, wieder hinauszuspazieren«, schloss er ironisch.
»Warum? Meinst du, dass es Ärger gibt?«, fragte ich. »Seiner Hoheit zur Seite stehen, wo immer dieser es erfordert« schien ja einiges an Spielraum zu lassen.
Er lächelte über meine besorgte Miene.
»Nein, ich rechne nicht mit Schwierigkeiten. Aber wie heißt es in der Bibel, Sassenach? ›Verlasset euch nicht auf Fürsten‹?« Er erhob sich und küsste mich hastig auf die Stirn, während er den Ring wieder in seinen Sporran steckte. »Wer bin ich, dass ich nicht auf das Wort Gottes höre, hm?«
Ich verbrachte den Nachmittag damit, in einem der Kräuterkundebücher zu lesen, das mir mein Freund Bruder Ambrose als Abschiedsgeschenk aufgedrängt hatte, dann widmete ich mich notwendigen Reparaturen mit Nadel und Faden. Keiner von uns besaß viel zum Anziehen, und es hatte zwar Vorteile, mit leichtem Gepäck zu reisen, doch es bedeutete auch, dass löchrige Socken und gelöste Säume der unmittelbaren Aufmerksamkeit bedurften. Mein Nähzeug war mir beinahe genauso kostbar wie die kleine Truhe, in der ich Kräuter und Arzneien transportierte.
Die Nadel senkte sich in den Stoff und tauchte glitzernd im Licht des Fensters wieder auf. Ich fragte mich, wie es Jamie wohl bei Jared ergehen mochte. Noch mehr aber fragte ich mich, was für ein Mensch Prinz Charles wohl sein würde. Er würde die erste historische Berühmtheit sein, der ich begegnete, und ich war zwar nicht so dumm, jede Legende zu glauben, die sich um ihn rankte (nicht rankte, ranken würde, verbesserte ich mich), doch sein wirkliches Wesen war mir ein komplettes Rätsel. Der Aufstand von 45 – sein Scheitern oder sein Erfolg – würde beinahe vollständig vom Charakter dieses einen jungen Mannes abhängen. Ob er überhaupt stattfand, würde möglicherweise von den Bemühungen eines anderen jungen Mannes abhängen – Jamie Fraser. Und von mir.
Ich war immer noch ganz in meine Flickarbeit und meine Gedanken vertieft, als mich laute Schritte im Flur zu der Erkenntnis brachten, dass es schon spät am Tage war; mit sinkender Temperatur hatte die Regenrinne aufgehört zu tropfen, und die Flammen der sinkenden Sonne leuchteten in den Eiszapfen, die vom Dach hingen. Die Tür ging auf, und Jamie kam herein.
Er lächelte vage in meine Richtung, dann erstarrte er vor dem Tisch, und seine Miene war konzentriert, als versuchte er, sich etwas ins Gedächtnis zu rufen. Er legte seinen Umhang ab, faltete ihn zusammen und hängte ihn ordentlich über das Fußende des Bettes, richtete sich auf, marschierte zu unserem anderen Hocker, setzte sich mit großer Präzision und schloss die Augen.
Ich saß still, die Flickarbeit vergessen auf meinem Schoß, und beobachtete diese Darbietung mit beträchtlichem Interesse. Nach einem Moment öffnete er die Augen und lächelte mich an, sagte aber nichts. Er beugte sich vor und studierte mein Gesicht mit großer Aufmerksamkeit, als hätte er mich seit Wochen nicht mehr gesehen. Schließlich huschte ein Ausdruck profunder Erleuchtung über sein Gesicht hinweg, und er entspannte sich und ließ die Schultern vornüberhängen, während er die Ellbogen auf die Knie stützte.
»Whisky«, sagte er mit immenser Genugtuung.
»Ich verstehe«, sagte ich vorsichtig. »Viel?«
Er schüttelte langsam den Kopf, als wäre dieser sehr schwer. Ich konnte beinahe hören, wie der Inhalt gluckerte.
»Ich doch nicht«, sagte er sehr deutlich. »Du.«
»Ich?«, sagte ich entrüstet.
»Deine Augen«, sagte er. Er lächelte selig. Seine Augen wiederum waren sanft und verträumt, getrübt wie ein Forellenteich im Regen.
»Meine Augen? Was haben denn meine Augen damit …«
»Sie haben die Farbe von sehr gutem Whisky, wenn die Sonne durch sie hindurchscheint. Heute Morgen habe ich noch gedacht, sie sehen aus wie Sherry, aber ich habe mich geirrt. Kein Sherry. Kein Brandy. Es ist Whisky. Das ist es.« Bei diesen Worten sah er so zufriedengestellt aus, dass ich mir das Lachen nicht verkneifen konnte.
»Jamie, du bist furchtbar betrunken. Was hast du nur gemacht?«
Seine Miene verwandelte sich in ein schwaches Stirnrunzeln.
»Ich bin nicht betrunken.«
»Oh, nein?« Ich legte das Nähzeug beiseite und trat zu ihm, um ihm die Hand auf die Stirn zu legen. Sie war kühl und feucht, obwohl sein Gesicht errötet war. Sofort legte er mir die Arme um die Taille und zog mich an sich, um den Kopf liebevoll an meinem Busen zu reiben. Der Geruch diverser Spirituosen stieg von ihm auf wie Nebel, so dicht, dass man ihn beinahe sehen konnte.
»Komm her zu mir, Sassenach«, murmelte er. »Mein whiskyäugiges Mädchen, mein Herz. Komm, ich bringe dich zu Bett.«
Ich hielt es zwar für fraglich, wer hier wen zu Bett brachte, widersprach ihm aber nicht. Es spielte schließlich keine Rolle, warum er glaubte, dass er ins Bett ging, wenn er nur dort ankam. Ich bückte mich und schob ihm die Schulter unter die Achsel, um ihm aufzuhelfen, doch er lehnte sich zur anderen Seite und erhob sich langsam und majestätisch aus eigener Kraft.