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»Sie fürchten, dass es die Pocken sein könnten, aber sie wissen es nicht. Man hat den Hafeninspektor und den Hafenmeister rufen lassen.«

»Soll ich vielleicht einen Blick darauf werfen?«, bot ich an. »Zumindest könnte ich vielleicht sagen, ob es eine ansteckende Krankheit ist oder nicht.«

Jareds schüttere Augenbrauen verschwanden unter seinem strähnigen Pony. Jamies Blick war etwas verlegen.

»Meine Frau ist als Heilerin bekannt, Vetter«, erklärte er, wandte sich dann aber kopfschüttelnd an mich.

»Nein, Sassenach. Es wäre zu gefährlich.«

Ich hatte einen guten Blick auf den Landesteg der Patagonia; in diesem Moment wich die versammelte Menge plötzlich zurück, und die Leute schubsten sich gegenseitig umher und traten einander auf die Zehen. Zwei Seeleute kamen vom Deck herunter und trugen eine Bahn aus Segeltuch als Bahre zwischen sich. Das weiße Leinen hing unter dem Gewicht eines Mannes durch, und ein entblößter, sonnengebräunter Arm baumelte aus der improvisierten Hängematte.

Die Seeleute hatten sich Stoffstreifen um Nasen und Münder gebunden und hielten die Gesichter von der Bahre abgewandt. Sie bewegten die Köpfe ruckartig, wenn sie sich auf ihrem schwerfälligen Weg über die splittrigen Planken etwas zuknurrten. Die beiden passierten die faszinierten Nasen der Menge und verschwanden im nächsten Lagerhaus.

Kurz entschlossen drehte ich mich um und hielt auf den rückwärtigen Ladesteg der Arianna zu.

»Keine Sorge«, rief ich zu Jamie zurück, »wenn es die Pocken sind, kann ich es nicht bekommen.« Einer der Seeleute, der mich hörte, hielt inne und gaffte mich an, doch ich lächelte ihm einfach nur zu und hastete vorüber.

Die Menge war zum Stillstand gekommen und drängte sich nicht länger umher, so dass es nicht so schwierig war, mir meinen Weg durch die murmelnden Seeleute zu bahnen, von denen viele stirnrunzelnde oder verblüffte Mienen zogen, als ich mich an ihnen vorüberduckte. Das Lagerhaus stand leer; in den hallenden Schatten des großen Raumes fanden sich keine Fässer oder Ballen, doch die Düfte von frisch gesägtem Holz, geräuchertem Fleisch und Fisch hingen immer noch deutlich inmitten der Masse der anderen Gerüche.

Sie hatten den Kranken hastig neben der Tür auf einem Haufen Verpackungsstroh abgelegt. Seine Träger drängten sich an mir vorüber, als ich eintrat, denn sie hatten es eilig, von ihm fortzukommen.

Ich näherte mich vorsichtig und blieb in einigem Abstand stehen. Er hatte hohes Fieber, und seine Haut hatte einen seltsamen, dunklen Rotton angenommen und war mit weißen Pusteln übersät. Er stöhnte und warf den Kopf unruhig hin und her, während sich seine aufgeplatzten Lippen bewegten, als suchten sie nach Wasser.

»Holt mir etwas Wasser«, sagte ich zu einem der Seeleute, die vor der Halle standen. Der Mann, ein kleiner, muskulöser Kerl, der seinen Bart mit Teer zu schmückenden Stacheln geformt hatte, starrte mich einfach nur an, als hätte ihn ein Fisch angesprochen.

Ich wandte mich ungeduldig von ihm ab, sank neben dem Kranken auf die Knie und öffnete sein verdrecktes Hemd. Er stank fürchterlich; er war vermutlich ohnehin nicht besonders reinlich gewesen, und seine Kameraden hatten ihn in seinem eigenen Dreck liegen gelassen, weil sie Angst hatten, ihn anzufassen. Seine Arme waren relativ frei von dem Ausschlag, der sich jedoch dicht über seine Brust und seinen Bauch zog, und seine Haut brannte.

Jamie war hereingekommen, während ich den Mann untersuchte, begleitet von Jared. Bei ihnen befanden sich ein kleiner, birnenförmiger Mann im goldbesetzten Rock eines Offiziellen und zwei weitere Männer, einer seiner Kleidung nach ein Adeliger oder ein reicher Bürger, der andere ein hochgewachsenes, hageres Individuum, seiner braungebrannten Haut nach ein Seefahrer. Wahrscheinlich der Kapitän des Pockenschiffs, wenn es das denn war.

Und es sah ganz danach aus. Ich hatte schon öfter Pockenkranke gesehen, in den unzivilisierten Teilen der Welt, in die mich mein Onkel Lamb, ein bedeutender Archäologe, in meiner Jugend mitgenommen hatte. Dieser Mann pinkelte zwar kein Blut, wie es manchmal vorkam, wenn die Krankheit auf die Nieren übergriff, doch ansonsten hatte er alle klassischen Symptome.

»Ich fürchte, es sind die Pocken«, sagte ich.

Der Kapitän der Patagonia heulte gequält auf. Er trat mit verzerrtem Gesicht auf mich zu und hob die Faust, als wollte er mich schlagen.

»Nein!«, rief er. »Törichtes Weibsbild! Salope! Femme sans cervelle! Wollt Ihr mich ruinieren?«

Das letzte Wort endete in einem Gurgeln, als sich Jamies Hand um seine Kehle schloss. Er krallte die andere Hand in das Hemd des Mannes und zog ihn auf die Zehen hoch.

»Ich würde es vorziehen, wenn Ihr meine Frau mit Respekt ansprecht, Monsieur«, sagte Jamie in aller Ruhe. Der Mann, dessen Gesicht jetzt dunkelrot anlief, brachte ein knappes, ruckartiges Kopfnicken zuwege, und Jamie ließ ihn los. Keuchend trat er einen Schritt zurück und rieb sich den Hals, während er sich wie schutzsuchend hinter seinen Begleiter zurückzog.

Der rundliche kleine Beamte beugte sich vorsichtig über den Kranken und hielt sich dabei ein silbernes Duftgefäß an einer Kette vor die Nase. Draußen sank plötzlich der Lärmpegel, und die Menge wich vom Tor des Lagerhauses zurück, um eine weitere Leinentrage einzulassen.

Der Mann vor uns fuhr plötzlich zum Sitzen hoch, und der kleine Beamte erschrak so sehr, dass er fast umgefallen wäre. Der Kranke starrte wild in der Halle umher, dann verdrehte er die Augen und fiel auf das Stroh zurück wie mit der Axt getroffen. Dem war zwar nicht so, doch das Ergebnis war ähnlich.

»Er ist tot«, sagte ich überflüssigerweise.

Der Beamte, der jetzt mit dem Duftgefäß auch seine Würde wieder an sich brachte, trat erneut näher, warf einen genauen Blick auf den Toten, richtete sich auf und verkündete: »Pocken. Die Dame hat recht. Bedaure, Monsieur le Comte, aber Ihr kennt das Gesetz so gut wie jeder andere.«

Der Angesprochene seufzte ungeduldig. Er sah mich stirnrunzelnd an, dann wandte er sich ruckartig an den Beamten.

»Das lässt sich doch gewiss arrangieren, Monsieur Pamplemousse. Bitte, wenn wir uns kurz unter vier Augen unterhalten könnten …« Er wies auf den verlassenen Verschlag des Verwalters, der etwas von uns entfernt stand, eine kleine baufällige Hütte inmitten des größeren Gebäudes. Monsieur le Comte war ein schlanker, eleganter Mann mit dichten Augenbrauen und schmalen Lippen. Seine ganze Haltung zeugte davon, dass er es gewohnt war, seinen Willen zu bekommen.

Doch der kleine Beamte wich zurück und hielt die Hände abwehrend vor sich hin.

»Non, Monsieur le Comte«, sagte er. »Je le regrette, mais c’est impossible … Da ist nichts zu machen. Zu viele Menschen wissen bereits davon. Die Nachricht hat sich gewiss schon im ganzen Hafen verbreitet.« Er warf einen hilflosen Blick auf Jamie und Jared, dann wies er vage auf das Tor, wo die Köpfe der Gaffer als Umrisse erschienen, von der späten Nachmittagssonne in goldene Heiligenscheine getaucht.

»Nein«, sagte er erneut, und sein Wabbelgesicht verhärtete sich entschlossen. »Entschuldigt mich, Monsieur – und Madame«, fügte er hinzu, als bemerkte er mich erst jetzt. »Ich muss die nötigen Vorkehrungen für die Vernichtung des Schiffs in die Wege leiten.«

Wieder stieß der Kapitän ein ersticktes Heulen aus und klammerte sich an den Ärmel des Beamten, doch dieser riss sich los und hastete aus dem Gebäude.

Die Atmosphäre unter den Zurückbleibenden war ein wenig angespannt, da mich Monsieur le Comte und sein Kapitän mit finsteren Blicken bedachten, während Jamie sie bedrohlich anfunkelte und der Tote blicklos an die Decke starrte, die sich dreizehn Meter über uns befand.

Der Comte trat einen Schritt auf mich zu, und seine Augen glitzerten. »Habt Ihr auch nur die geringste Ahnung, was Ihr getan habt?«, fauchte er. »Seid gewarnt, Madame; Ihr werdet für Euer heutiges Tagewerk bezahlen!«