Ich rieb mir mit den Händen über die Gänsehaut, die sich über meine Unterarme breitete. Im Kamin brannte ein munteres Feuer, und das Zimmer war warm und verraucht, aber mir war kalt.
»Woher weißt du denn so viel darüber, was der Comte St. Germain tun könnte?« Ich zweifelte nicht an Jamies Worten – ich erinnerte mich nur zu gut an den böswilligen, finsteren Blick, den mir der Comte in dem Lagerhaus zugeworfen hatte –, aber ich fragte mich, woher er den Mann kannte.
Jamie trank einen kleinen Schluck Wein, verzog das Gesicht und stellte ihn hin.
»Erstens steht er in dem Ruf, rücksichtslos zu sein – und noch einiges mehr. Ich habe schon von ihm gehört, als ich in Paris gelebt habe, obwohl ich damals das Glück hatte, ihm nie in die Quere zu kommen. Zweitens hat mich Jared gestern ausführlich vor ihm gewarnt; er ist Jareds bedeutendster Konkurrent in Paris.«
Ich stützte die Ellbogen auf den abgenutzten Tisch und legte das Kinn in die gefalteten Hände.
»Ich habe einen ziemlichen Schlamassel angerichtet, nicht wahr?«, sagte ich reumütig. »Und dir einen wunderbaren Auftakt als Geschäftsmann bereitet.«
Er lächelte, dann stand er auf, trat hinter mich und beugte sich vor, um mich in die Arme zu nehmen. Ich war immer noch ziemlich erschüttert über seine plötzlichen Enthüllungen, fühlte mich aber besser, als ich seine Kraft in meinem Rücken spürte. Er küsste mich sacht auf den Scheitel.
»Keine Sorge, Sassenach«, sagte er. »Ich kann schon auf mich aufpassen. Und ich kann auch auf dich aufpassen – wenn du mich lässt.« In seiner Stimme lag ein Lächeln, aber auch eine Frage, und ich nickte. Dann ließ ich meinen Kopf an seine Brust zurückfallen.
»Ich lasse dich«, sagte ich. »Die Bewohner von Le Havre werden es einfach mit den Pocken aufnehmen müssen.«
Es dauerte fast eine Stunde, bis Jared zurückkehrte. Seine Ohren waren rot vor Kälte, doch seine Kehle war nicht durchgeschnitten, und auch sonst hatte ihm anscheinend niemand übel mitgespielt. Ich war froh, ihn zu sehen.
»Es ist alles gut«, verkündete er strahlend. »Nichts außer Skorbut und die üblichen Durchfälle und Erkältungen an Bord. Keine Pocken.« Er sah sich im Zimmer um und rieb sich die Hände. »Wo ist denn das Essen?«
Seine Wangen waren vom Wind gerötet, und er schien bester Laune und der Lage gewachsen zu sein. Anscheinend gehörte es zum täglich Brot dieses Kaufmanns, sich mit Konkurrenten herumzuschlagen, die Streitigkeiten durch Mord regelten. Und warum auch nicht?, dachte ich zynisch. Er war schließlich ein verdammter Schotte.
Wie um mir meine Meinung zu bestätigen, bestellte Jared das Abendessen, besorgte einen exzellenten Wein dazu, indem er ihn einfach aus seinem eigenen Lagerhaus holen ließ, und ließ sich dann mit Jamie zu einer freundlichen Verdauungsplauderei über Mittel und Wege des Umgangs mit französischen Kaufleuten nieder.
»Banditen«, sagte er. »Jeder Einzelne von ihnen würde dir in den Rücken fallen, ehe du dichs versiehst. Diebespack. Du darfst ihnen nicht über den Weg trauen. Die Hälfte im Voraus, die Hälfte bei Lieferung, und lass niemals einen Adeligen auf Pump einkaufen.«
Obwohl uns Jared versicherte, dass zwei Männer unten Wache standen, blieb ich nervös, und nach dem Essen setzte ich mich ans Fenster, wo ich das Kommen und Gehen auf dem Pier im Blick hatte. Nicht, dass es etwas nützen würde, wenn ich die Szene beobachtete, dachte ich; jeder zweite Mann auf dem Dock sah in meinen Augen wie ein Mörder aus.
Der Himmel über dem Hafen zog sich zu; heute Nacht würde es wieder schneien. Die Wanten flatterten wild im zunehmenden Wind und klapperten so laut an ihren Holmen, dass sie die Rufe der Männer übertönten. Einen Moment lang erglühte der Hafen in einem dumpfen grünen Licht, als die drückenden Wolken die sinkende Sonne ins Wasser trieben.
Als es dann dunkler wurde, ließ das geschäftige Hin und Her allmählich nach, und die Seeleute verschwanden in den erleuchteten Türen von Etablissements wie dem, in welchem ich saß. Dennoch war der Hafen bei weitem nicht verlassen; vor allem in der Nähe der Patagonia war immer noch eine kleine Menschenmenge versammelt. Uniformierte bildeten am Ende der Landebrücke einen Kordon; zweifellos, um zu verhindern, dass irgendjemand an Bord ging oder etwas von der Fracht an Land brachte. Jared hatte uns erklärt, dass die gesunden Mannschaftsmitglieder zwar an Land gehen durften, jedoch nichts vom Schiff mitbringen durften außer den Kleidern, die sie trugen.
»Besser, als es ihnen unter den Holländern ergehen würde«, sagte er und kratzte sich die schwarzen Stoppeln, die jetzt an seinem Kinn zum Vorschein kamen. »Wenn ein Schiff aus einem Hafen einläuft, von dem man weiß, dass dort eine Krankheit herrscht, lassen die verdammten Holländer die Seeleute nackt an Land schwimmen.«
»Woher bekommen sie denn Kleider, wenn sie am Ufer sind?«, fragte ich neugierig.
»Ich weiß es nicht«, sagte Jared geistesabwesend, »aber da sie dort ja sofort ein Bordell vorfinden, brauchen sie vermutlich gar keine – Verzeihung, Teuerste«, fügte er hastig hinzu, da ihm plötzlich einfiel, dass er sich mit einer Dame unterhielt.
Er überspielte seine vorübergehende Verwirrung mit Herzlichkeit und trat zu mir ans Fenster.
»Ah«, sagte er. »Sie machen sich bereit, das Schiff in Brand zu setzen. Angesichts dessen, was es geladen hat, ziehen sie es am besten erst ein Stück aufs Wasser hinaus.«
Man hatte Taue an der Patagonia befestigt, und einige kleine, mit Ruderern bemannte Boote hielten sich bereit und warteten auf ein Signal. Dies wurde durch den Hafenmeister gegeben, dessen Goldlitze im erlöschenden Tageslicht nur als schwacher Glanz zu sehen war. Unter lautem Rufen schwenkte er beide Hände langsam über dem Kopf wie ein Semaphor.
Sein Ruf wurde von den Kapitänen der Ruderboote und Galeeren wiederholt; die Zugtaue hoben sich mit zunehmender Anspannung langsam aus dem Wasser, und das plätschernde Wasser rann so laut von den schweren Hanfspiralen, dass es in der Stille hörbar war, die sich plötzlich über die Docks senkte. Die Rufe aus den Zugbooten waren das einzige Geräusch, als sich der dunkle Rumpf des dem Untergang geweihten Schiffs ächzend und bebend in den Wind drehte, und sein Segelleinen stöhnte, als es sich auf seine letzte kurze Reise begab.
Sie ließen es in der Mitte des Hafens zurück, in sicherem Abstand von den anderen Schiffen. Seine Decks waren mit Öl getränkt worden, und als dann die Taue gelöst waren und sich die Galeeren entfernten, erhob sich die kleine rundliche Gestalt des Hafenmeisters von der Sitzbank des kleinen Bootes, das ihn hinausgerudert hatte. Er beugte sich mit dem Kopf zu einem der sitzenden Ruderer hinunter, dann erhob er sich mit der plötzlich aufleuchtenden Flamme einer Fackel in der Hand.
Der Ruderer hinter ihm lehnte sich beiseite, als er ausholte und die Fackel warf. Es war ein schweres, in ölgetränkte Tücher gewickeltes Holzstück, das Purzelbäume schlug, bis die Flamme zu einem blauen Glühen geschrumpft war und außer Sichtweite hinter der Reling landete. Der Hafenmeister wartete die Wirkung seines Wurfs nicht ab; er setzte sich auf der Stelle hin und gestikulierte wild in Richtung des Ruderers. Dieser legte sich in die Riemen, und das kleine Boot schoss über das dunkle Wasser davon.
Einige Momente lang geschah nichts, doch die Menge auf dem Dock stand reglos unter leisem Gemurmel da. Ich konnte Jamies Gesicht als bleiche Reflexion sehen, die über der meinen im dunklen Glas des Fensters schwebte. Das Glas war kalt, und unser Atem überzog es schnell mit Nebel; ich wischte es mit dem Saum meines Umhangs frei.
»Da«, sagte Jamie leise. Die Flamme lief plötzlich hinter der Reling entlang, ein schmaler, leuchtender blauer Streifen. Dann ein Flackern, und die vorderen Wanten traten hervor, orangerote Linien vor dem Himmel. Ein lautloser Sprung, und die Feuerzungen tanzten über die ölgetränkte Reling. Ein herabhängendes Segel entzündete sich und brach in Flammen aus.