»Das Hausmädchen sagt, Seine Hoheit Prinz Charles hat Prinzessin Louise de la Tour de Rohan mehrere Besuche abgestattet«, sagte ich. Ich zupfte einen der kleinen Aale von der Gabel und kaute langsam. Sie waren zwar köstlich, doch es war ein etwas verstörendes Gefühl, sie ganz zu schlucken – als ob das Tier noch lebte. Ich schluckte vorsichtig. So weit, so gut.
»In Abwesenheit ihres Ehemanns«, fügte ich diplomatisch hinzu.
Jamies Miene war belustigt, Jareds entsetzt.
»Prinzessin de Rohan?«, sagte Jared. »Marie-Louise-Henriette-Jeanne de La Tour d’Auvergne? Die Familie ihres Mannes steht dem König sehr nah.« Er rieb sich mit den Fingern über die Lippen und hinterließ einen Butterglanz rings um seinen Mund. »Das könnte sehr gefährlich werden«, murmelte er wie zu sich selbst. »Ich frage mich, ob der kleine Narr … doch nein. So dumm kann er einfach nicht sein. Vermutlich ist es nur Unerfahrenheit; er bewegt sich noch nicht lange in gesellschaftlichen Kreisen, und in Rom herrschen andere Sitten. Dennoch …« Er hielt mit dem Gemurmel inne und wandte sich entschlossen an Jamie.
»Das wird deine erste Aufgabe im Dienste Seiner Majestät sein, Junge. Du bist etwa im gleichen Alter wie Seine Hoheit, aber du verfügst über die Erfahrung und das Urteilsvermögen deines Aufenthalts in Paris – und wenn ich mich selbst loben darf, über das, was ich dich gelehrt habe.« Er lächelte Jamie flüchtig zu. »Du kannst dich mit Seiner Hoheit anfreunden, ihm, soweit wie möglich, den Weg bei jenen ebnen, die ihm nutzen können; die meisten von ihnen kennst du ja inzwischen. Und du kannst Seiner Hoheit – so taktvoll wie möglich – erklären, dass die falsche Art von Galanterie imstande ist, den Zielen seines Vaters beträchtlichen Schaden zuzufügen.«
Jamie, der mit seinen Gedanken eindeutig anderswo war, nickte zerstreut.
»Woher weiß denn unser Hausmädchen, wen Seine Hoheit besucht, Sassenach?«, fragte er. »Sie kommt doch nicht öfter als einmal in der Woche aus dem Haus, um zur Kirche zu gehen, oder?«
Ich schüttelte den Kopf und schluckte erst den nächsten Bissen hinunter, um dann zu antworten.
»Soweit ich es ausgeknobelt habe, hat es die Küchenmagd von unserem Laufburschen, der es vom Stalljungen hat, der es vom Stallknecht unserer Nachbarn hat. Ich weiß nicht, wie viele Menschen noch daran beteiligt waren, aber die Rohans wohnen drei Häuser von uns entfernt. Ich vermute, die Prinzessin weiß ihrerseits alles über uns«, fügte ich fröhlich hinzu. »Zumindest, wenn sie sich mit ihrer Küchenmagd unterhält.«
»Eine Dame unterhält sich nicht mit ihrer Küchenmagd«, sagte Jared kalt. Er sah Jamie mit zusammengekniffenen Augen an, um ihn wortlos zu ermahnen, seine Frau besser zu kontrollieren.
Ich konnte sehen, wie Jamies Mundwinkel zuckte, doch er nippte nur an seinem Montrachet und lenkte das Gespräch auf Jareds jüngste Investition, eine Rumlieferung, die aus Jamaica unterwegs war.
Als Jared läutete, um den Tisch abräumen und den Brandy bringen zu lassen, entschuldigte ich mich. Jared hatte die Angewohnheit, lange schwarze Cheroots zum Brandy zu genießen, und ich hatte das deutliche Gefühl, dass die Aale, die ich gegessen hatte, trotz aller Sorgfalt beim Kauen nicht davon profitieren würden, wenn man sie nun auch noch räucherte.
Ich legte mich auf das Bett und versuchte mit mäßigem Erfolg, nicht über Aale nachzudenken. Ich schloss die Augen und versuchte, mir Jamaica vorzustellen – herrliche weiße Strände unter tropischer Sonne. Doch der Gedanke an Jamaica brachte mich auf die Wilhelmina, und bei dem Gedanken an Schiffe musste ich an das Meer denken, was mich auf direktem Wege zurück zu Bildern von gigantischen Aalen brachte, die sich durch die grünen Wogen wanden. Ich war erleichtert, als mich Jamies Auftauchen ablenkte, und ich setzte mich, als er hereinkam.
»Puh!« Er lehnte sich an die geschlossene Tür und fächelte sich mit dem losen Ende seines Rüschenkragens Luft zu. »Ich fühle mich wie eine Räucherwurst. Ich habe Jared wirklich gern, aber ich werde froh sein, wenn er mit seinen verdammten Cheroots in Deutschland ist.«
»Komm ja nicht näher, wenn du wie eine Cheroot riechst«, sagte ich. »Die Aale mögen keinen Rauch.«
»Das kann ich ihnen nicht verübeln.« Er zog den Rock aus und öffnete sein Hemd. »Ich glaube ja, es steckt ein Plan dahinter«, vertraute er mir an, während er sich das Hemd auszog. »Wie mit den Bienen.«
»Bienen?«
»So setzt man einen Bienenstock um«, erklärte er. Er öffnete das Fenster und hängte sein Hemd am Fenstergriff ins Freie. »Man stopft eine Pfeife mit dem kräftigsten Tabak, den man finden kann, steckt sie in den Bienenstock und bläst den Rauch in die Waben. Die Bienen fallen betäubt herunter, und man kann sie tragen, wohin man möchte. Ich glaube, das ist es, was Jared mit seinen Kunden macht; er qualmt sie zu, bis sie nichts mehr merken, und ehe sie wieder zu sich kommen, haben sie dreimal so viel Wein bestellt, als sie eigentlich vorhatten.«
Ich kicherte, und er grinste, dann hob er einen Finger an seine Lippen, weil Jareds leise Schritte durch den Korridor kamen und auf dem Weg zu seinem Zimmer unsere Tür passierten.
Als die Gefahr der Entdeckung vorüber war, kam er zu mir und legte sich nur in Kilt und Strümpfen neben mich.
»Nicht zu schlimm?«, fragte er. »Ich kann im Ankleidezimmer schlafen, wenn es nicht geht. Oder den Kopf zum Lüften aus dem Fenster halten.«
Ich roch an seinem Haar, in dessen roten Wellen tatsächlich noch ein Hauch von Tabak hing. Das Kerzenlicht zauberte goldene Strähnen unter das Rot, und ich fuhr ihm genüsslich mit den Fingern durch das dichte, weiche Haar und über den harten, festen Knochen darunter.
»Nein, es ist nicht zu schlimm. Du machst dir also keine Sorgen, weil Jared so bald schon aufbricht?«
Er küsste mich auf die Stirn und legte den Kopf auf das Kissen. Er lächelte zu mir auf.
»Nein. Ich habe die wichtigsten Kunden besucht, kenne das Lagerhauspersonal und die Beamten und weiß die Preislisten und Inventurverzeichnisse auswendig. Was ich noch über das Geschäftliche lernen muss, muss ich selbst ausprobieren; Jared kann mir nichts mehr beibringen.«
»Und Prinz Charles?«
Er schloss die Augen zur Hälfte und stieß ein kleines, resigniertes Ächzen aus. »Aye, nun ja. Was das betrifft, so bin ich auf Gottes Gnade angewiesen, nicht auf Jared. Und es wird auf jeden Fall einfacher sein, wenn Jared fort ist und nicht sieht, was ich tue.«
Ich legte mich neben ihn, und er wandte sich mir zu und ließ den Arm um meine Taille gleiten, so dass wir dicht beieinanderlagen.
»Was werden wir denn tun?«, fragte ich. »Hast du schon irgendeine Idee, Jamie?«
Sein Atem war warm in meinem Gesicht und duftete nach Brandy, und ich neigte den Kopf in die Höhe, um ihn zu küssen. Sein sanfter, breiter Mund öffnete sich an dem meinen, und er ließ den Kuss einen Moment andauern, ehe er antwortete.
»Oh, Ideen habe ich«, sagte er und wich mit einem Seufzer zurück. »Weiß der Himmel, wohin sie führen werden, aber Ideen habe ich.«
»Erzähle es mir.«
»Mmpfm.« Er legte sich bequemer hin, indem er sich auf den Rücken drehte und mich im Arm hielt, den Kopf auf seiner Schulter.
»Nun ja«, begann er. »So wie ich es sehe, ist es eine Geldfrage, Sassenach.«
»Geld? Ich hätte gedacht, es ginge um Politik. Wollen die Franzosen James denn nicht wieder auf dem Thron haben, weil es den Engländern Schwierigkeiten bereiten wird? Dem wenigen nach, woran ich mich erinnere, wollte Louis – wird er wollen«, verbesserte ich mich, »dass Charles Stuart König George von dem ablenkt, was Louis in Brüssel treibt.«
»Das ist auch gewiss so«, sagte er, »aber man braucht Geld, um einem König seinen Thron zurückzugeben. Und Louis hat selbst nicht so viel, dass er es gleichzeitig benutzen kann, um in Brüssel Krieg zu führen und um in England Invasionen zu finanzieren. Du hast doch gehört, was Jared über die Staatskasse und die Steuern gesagt hat?«