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»Er hat so tolle Augen«, sagte Brianna verträumt, ohne die Frage nach dem Inhalt seines Kopfes zu beachten. »Hast du schon einmal so grüne Augen gesehen?«

»Ja, sie sind außergewöhnlich«, pflichtete ich ihr bei. »Sie sind schon immer so gewesen; ich weiß noch, dass sie mir aufgefallen sind, als er noch ein Kind war.«

Brianna sah mich stirnrunzelnd an.

»Also wirklich, Mutter! Musstest du das sagen, als er die Tür aufgemacht hat? ›Mein Gott, sind Sie gewachsen, Roger?‹ Wie peinlich!«

Ich lachte.

»Na ja, wenn du jemanden das letzte Mal gesehen hast, als er dir bis zum Bauchnabel ging, und jetzt schaust du ihm von unten in die Nase«, verteidigte ich mich, »dann ist der Unterschied nun einmal nicht zu übersehen.«

»Mutter!« Aber sie sprudelte vor Lachen.

»Einen ganz ansehnlichen Hintern hat er auch«, stellte ich fest, um sie weiter aufzuziehen. »Das war nicht zu übersehen, als er sich über den Whisky gebeugt hat.«

»Mu-TTERRR! Wenn dich jemand hört!«

Wir waren fast an der Bushaltestelle angelangt. Unter dem Schild standen zwei oder drei Frauen und ein älterer Herr in Tweed; sämtliche Blicke wandten sich uns zu, als wir uns näherten.

»Ist das die Haltestelle für die Loch-Ness-Rundfahrten?«, fragte ich und überflog die verwirrende Ansammlung von Zetteln auf dem Fahrplan.

»Och, aye«, sagte eine der Damen freundlich. »Der Bus kommt ungefähr in zehn Minuten.« Sie betrachtete Brianna, die in ihren Jeans und ihrer weißen Windjacke so eindeutig amerikanisch aussah. Ihr vom unterdrückten Lachen rotes Gesicht fügte dem Ganzen den letzten patriotischen Touch hinzu. »Sie fahren zum Loch Ness? Ist es Ihr erstes Mal?«

Ich lächelte sie an. »Ich habe mit meinem Mann vor über zwanzig Jahren eine Segeltour auf dem Loch Ness gemacht, aber meine Tochter ist zum ersten Mal in Schottland.«

»Tatsächlich?« Das weckte die Aufmerksamkeit der anderen Damen, und sie drängten sich um uns und gaben uns Tipps und stellten uns Fragen, bis der große gelbe Bus um die Ecke getuckert kam.

Brianna hielt beim Einsteigen inne, um die bunte Bemalung zu bewundern, auf der sich grüne Serpentinen durch einen blauen See ringelten, der von schwarzen Kiefern gesäumt wurde.

»Das wird lustig«, lachte sie. »Meinst du, wir bekommen das Ungeheuer zu sehen?«

»Man kann nie wissen«, sagte ich.

Roger verbrachte den Rest des Tages ziemlich abgelenkt und wanderte geistesabwesend von einer Aufgabe zur nächsten. Der Bücherkarton, den er als Spende an die Gesellschaft zur Erhaltung historischer Antiquitäten gedacht hatte, quoll über, der antike Lieferwagen des Reverends stand mit geöffneter Motorhaube halb zerlegt in der Einfahrt, und die Milch in seiner halb getrunkenen Teetasse flockte schon aus, während er ausdruckslos in den Regen des frühen Abends starrte.

Was er eigentlich tun sollte, das wusste er, war, mit der Demontage dessen zu beginnen, was das Herz des Studierzimmers war. Nicht die Bücher; das war zwar eine umfangreiche Aufgabe, die jedoch letztlich nur darin bestand zu entscheiden, was er selbst behalten und was er spenden wollte. Nein, früher oder später würde er sich an den gewaltigen Schreibtisch wagen müssen, aus dessen gigantischen Schubladen und unzähligen kleinen Fächern die Papiere quollen. Und er würde den gesammelten Kleinkram von der Korkwand nehmen müssen, die eine ganze Wand des Zimmers einnahm; eine Aufgabe, bei der das tapferste Herz erbebt wäre.

Abgesehen von seiner allgemeinen Hemmung, mit dieser Aufgabe zu beginnen, wurde Roger noch durch etwas anderes aufgehalten. Er wollte all das einfach nicht tun, so notwendig es auch war; er wollte an Claire Randalls Projekt arbeiten und den Schotten aus Culloden nachspüren.

Es war schon an und für sich ein interessantes Projekt, wenn es auch vermutlich keine große Recherchekunst erforderte. Doch das war es nicht. Nein, dachte er, wenn er ganz ehrlich war, wollte er Claire Randalls Projekt lösen, weil er sich wünschte, zu Mrs. Thomas’ Gasthaus zu gehen und Brianna Randall seine Ergebnisse zu Füßen zu legen, wie es die Ritter angeblich mit den Köpfen der Drachen gemacht hatten. Selbst wenn seine Beute nicht so grandios ausfiel, wünschte er sich sehnlich eine Ausrede, um sie wiederzusehen und mit ihr zu reden.

Ein Bronzinogemälde, das war es, woran sie ihn erinnerte, beschloss er. Sie und ihre Mutter erweckten beide diesen merkwürdigen Eindruck wie von einem Künstler umrissen, so lebhaft und doch zart skizziert, dass sie sich von ihrem Hintergrund abhoben, als seien sie dort einradiert. Doch Brianna hatte diese leuchtenden Farben und diese absolute Präsenz, die bei Bronzino den Eindruck erweckten, als folgten seine Modelle dem Betrachter mit den Augen, als könnten sie ihn jede Sekunde ansprechen. Er hatte zwar noch nie einen Bronzino gesehen, der angesichts eines Whiskyglases eine Grimasse schnitt, doch wenn es ein solches Gemälde gegeben hätte, so war er sich sicher, dass es wie Brianna Randall ausgesehen hätte.

»Ach, zum Kuckuck«, sagte er laut. »So viel Zeit wird es ja nicht in Anspruch nehmen, morgen einen Blick in die Aufzeichnungen im Culloden House zu werfen, oder? Du«, sagte er, an den Schreibtisch und seinen mannigfaltigen Inhalt gewandt, »kannst jetzt auch noch einen Tag warten. Und du auch«, sagte er an die Wand gerichtet und zog sich trotzig einen Krimi aus dem Regal. Er sah sich kampflustig um, als wollte er das Mobiliar warnen, ihm ja nicht zu widersprechen, doch es erklang kein Geräusch außer dem Surren des elektrischen Radiators. Er schaltete ihn aus, klemmte sich das Buch unter den Arm, knipste das Licht aus und ging aus dem Studierzimmer.

In der nächsten Minute kam er zurück, durchquerte das Zimmer im Dunklen und nahm die Namensliste vom Schreibtisch.

»Nochmals zum Kuckuck!«, sagte er und steckte sich den Zettel in sein Hemd. »Nicht, dass ich das verflixte Ding morgen noch vergesse.« Er klopfte mit der Hand auf die Tasche, spürte das leise knisternde Papier just über seinem Herzen und ging hinauf ins Bett.

Vom Winde verweht und vom Regen durchgefroren waren wir nach unserem Ausflug in die gemütliche Wärme des Abendessens und des offenen Feuers im Salon unserer Pension zurückgekehrt. Brianna hatte beim Rührei zu gähnen begonnen und sich bald entschuldigt, um ein heißes Bad zu nehmen. Ich blieb noch etwas unten, um mit Mrs. Thomas, der Wirtin, zu plaudern, und es war fast zehn Uhr, als ich mich selbst hinauf zu meinem Bad und meinem Nachthemd begab.

Brianna stand gewöhnlich früh auf und ging früh zu Bett; als ich die Zimmertür öffnete, wurde ich von ihrer leisen Atmung begrüßt. Sie schlief tief und fest; ich bewegte mich vorsichtig durch das Zimmer, hängte meine Kleider auf und räumte meine Sachen beiseite, doch die Gefahr, sie zu wecken, war nicht sehr groß. Während ich beschäftigt war, wurde es so still im Haus, dass mir selbst das Rascheln meiner Bewegungen laut erschien.

Ich hatte einige von Franks Büchern mitgebracht, die ich der Bibliothek von Inverness stiften wollte. Sie lagen ordentlich nebeneinander am Boden meines Koffers und bildeten das Fundament für die weniger soliden Gegenstände darüber. Ich zog sie nacheinander hervor und legte sie auf das Bett. Fünf gebundene Exemplare in glänzenden farbigen Schutzumschlägen. Schöne, umfangreiche Bücher von jeweils fünf- oder sechshundert Seiten, den Index und die Illustrationen nicht mitgerechnet.

Die gesammelten Werke meines verstorbenen Mannes in der kommentierten Ausgabe. Zentimeterhohe bewundernde Kritiken zierten die Umschlagklappen, Kommentare sämtlicher anerkannten Experten im historischen Feld. Nicht schlecht für ein Lebenswerk, dachte ich. Eine Leistung, auf die man stolz sein konnte. Kompakt, gewichtig, relevant.

Ich stapelte die Bücher ordentlich neben meiner Tasche auf dem Tisch, um sie am Morgen nicht zu vergessen. Jeder Buchrücken trug natürlich einen anderen Titel, doch ich stapelte sie so, dass das identische »Frank W. Randall« jeweils übereinander zu liegen kam. Sie leuchteten wie Edelsteine im kleinen Lichtkegel der Nachttischlampe.