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„Man nicht", erwiderte Shoka.

„Na, das ist recht", rief der Dicke fröhlich. „Ich bin genauso ein Angler wie ihr. Wir Fischfänger müssen zusammenhalten. Stimmt's?"

„Nein", erwiderte Shoka.

„Warum nein?"

„Das wissen wir auch nicht."

Der Angler lachte schallend und kniff ein Auge zu. Sein Gesicht sah aus, als wollte er jeden Augenblick in Tränen ausbrechen.

„Wie wär's mit einigen Angelhaken?" fragte er unerwartet. „Ich schenke euch welche." Es war ein verlockendes Angebot. Das dicke Ende kam hinterher. „Ihr zeigt mir dafür, wo man etwas fangen kann. Sicher kennt ihr die richtigen Stellen?"

Shoka zog eine mürrische Grimasse.

„Nein. Warum?"

Der Urlauber gab sich nicht so leicht geschlagen, zog eine Büchse aus der Tasche, schraubte den Deckel ab und schüttete mehrere Angelhaken auf die flache Hand: schwarze, gelbe, große, kleine — sogar weiße, die hatte Pawlik noch nie gesehen. Pawlik tat einen Schritt auf die Hand zu, aber Shoka zog ihn am Ärmel.

„Onkel, wir müssen weiter", sagte Shoka. 

„Also, sind wir uns einig?" fragte der Angler mit frischer Stimme. „Nehmt ihr mich mit?" Er griff in die Tasche. „Ihr kriegt auch einen halben Rubel."

„Nein", sagte Shoka unerbittlich.

Der Angler zwinkerte und schüttete ärgerlich die Haken zurück. Sein Gesicht verriet, daß er zutiefst beleidigt war. Pawlik hatte Mitleid mit ihm, wollte ein paar tröstende Worte sagen, etwa, daß sie auch keinen günstigen Fleck kannten, aber ehe er dazu kam, hatte Shoka ihn fortgezogen. Sie gingen auf dem Damm weiter. Pawlik sah sich mehrmals nach dem dicken Angler um.

„Diesem Fettwanst die Stelle zeigen", empörte sich Shoka, „so weit kommt das."

„Aber gut waren die Haken, ja, Shoka?" meinte Pawlik.

Ihr Weg führte durch den Wald. Sie mußten noch lange laufen, bis sie die Niederung erreichten, wo sich hinter von Riedgras überwucherten Ufern die Orlinka, ein faules Flüßchen, verbarg.

Blaue Libellen schwirrten über das dunkle Wasser. Ein zwischen Schilfstauden gespanntes Spinnennetz glänzte wie reinseidenes Gewebe. Die gerade aufgerichteten Riedstengel, die mit Flaum bedeckten Büsche, die grünen Wasserlinsen, die Blätter der Seerosen — alles war reglos, wie in der Hitze erschlafft. Ungetrübte Stille lagerte über der Orlinka. Als ein Frosch ins Wasser sprang, knallte es wie ein Pistolenschuß.

Auf Zehen, um die Fische nicht zu verscheuchen, schlichen die beiden Jungen näher. Pawlik warf die Angel aus und erstarrte.

Nahe am Ufer schwamm das Spiegelbild der Sonne, ein gleißender, die Augen schmerzender Fleck. Pawlik blinzelte. Er fürchtete, sich zu rühren. Shoka könnte wütend werden.

Shoka war jedoch der erste, der das Schweigen nicht mehr ertrug.

,,Hier habe ich mal einen Barsch gefangen", flüsterte er, „so ein Ding, riesig."

„Ja?" staunte Pwalik. Es war nur ein Hauch. 

„Vor dem Krieg gab's hier Barsche wie Sand am Meer. Die Faschisten haben sie mit Granaten getötet." 

„Ja", bestätigte Pawlik. Er stellte sich einen feisten Faschisten vor, der eine Handgranate in den Fluß wirft. Der Faschist sah dem Angler von vorhin nicht unähnlich.

„Shoka", flüsterte Pawlik besorgt, „hör mal, Shoka, dieser Angler, der Fettwanst, ob das nicht ein Spion war?"

Shoka riß die Angel aus dem Wasser. 

„Da haben wir ihn", brüllte er, „da haben wir den Spion gefangen."

Pawlik sprang hoch. Vergessen war der dicke Angler.

„Hurra, ein Spion!" 

„Ins Gefängnis mit ihm!" schrie Shoka.

„Ins Gefängnis", heulte Pawlik.

Shoka schöpfte Wasser in den Topf und ließ den Barsch hinein. Die beiden brachen ein paar Zweige ab, rutschten auf Knien an das „Gefängnis" heran und pieksten den „Spion", bis er mit dem Bauch nach oben schwamm. Dann warfen sie wieder die Leinen aus. Drei Stunden saßen sie noch am Ufer, fingen aber nichts mehr.

„Jetzt kochen wir uns eine Suppe", schlug Shoka vor. 

„Von einem Fisch?"

„Das geht. Man muß nur mehr Wasser nehmen", erklärte Shoka sachverständig.

„Hast du ein Messer, zum Abschuppen?" 

„Ein Barsch wird gekocht, wie man ihn aus dem Wasser zieht. Hole etwas Holz." Shoka war ein As.

Pawlik suchte trockenes Reisig zusammen. Shoka legte die Stücke kreuz und quer übereinander. Er zündete den Haufen an. In der Sonne bemerkte man die Flammen nicht. Ehe es sich die beiden versahen, war alles niedergebrannt.

„Diese dünnen Dinger." Shoka stöhnte unzufrieden. „Alles muß man selber machen."

Er ging nach Holz. Pawlik kroch dichter ans Feuer heran und blies aus Leibeskräften in die Glut. Er hatte den sehnlichen Wunsch, Shoka bei seiner Rückkehr mit einer gargekochten Fischsuppe zu überraschen. Am Rand des Topfes begann es zu summen, aber das Wasser blieb ruhig.

Shoka brachte einen Armvoll trockene Zweige angeschleppt, warf sie neben der Feuerstelle nieder und sagte ungehalten: „Am Weg ist noch mehr. Beeil dich."

Von Schuldgefühl getrieben, rannte Pawlik los, gehorsam, fragte nicht einmal, wo das Holz lag.

„Den nicht", meinte Shoka trocken, als Pawlik einen Fichtenast herbeischleifte. Pawlik glühte vor Anstrengung.

Er wollte kehrtmachen, aber Shoka winkte ab. „Bei uns herrscht Ordnung", sagte er. „Laß es kochen. Wir gehen baden."

Sie zogen sich aus und sprangen mit Anlauf ins Wasser.

„Hurra!" jauchzte Shoka, tauchte und erwischte Pawlik an einem Bein.

Pawlik atmete ein, tauchte gleichfalls unter, bekam Shokas Kopf zu packen. Er zog ihn an sich. So stießen sie zusammen, unter Wasser, Stirn gegen Stirn.

„Burrrl", sagte Shoka. „Burrrl", antwortete Pawlik.

Beide sahen die Blasen, die silbrig schimmernd an die Oberfläche stiegen. Sie tauchten gemeinsam auf und wollten sich ausschütten vor Lachen.

Als sie genug getobt hatten, schwamm Pawlik ans Ufer, sank erschöpft ins Gras.

Shoka plumpste daneben. Nach einer Weüe rappelte er sich hoch und versuchte, auf einem Bein hüpfend, in die Hose zu kommen. Als das Kunststück vollbracht war, lief er ans Feuer, starrte verdutzt in die Flammen, nahm schließlich einen Zweig, spießte den Topf an einem Henkel auf und schleuderte ihn beiseite.

„Komm her, rasch!" rief er.

Pawlik ahnte nichts Gutes. Dann sah er, was geschehen war. An Stelle des weißen Topfes lag ein völlig verrußtes Gefäß im Gras. Das Wasser war verdampft, die Emaille gesprungen und abgeblättert. Auf dem Boden klebte ein verkohltes Etwas mit Barschkopf. Der Topf knisterte und knackte.

„In den Fluß", empfahl Shoka. Mit einem Stock schleppte er ihn ans Ufer. Im Wasser platzte die letzte Emaille ab. „Ist das schlimm für dich?" fragte Shoka. Pawlik nickte.

„Sag einfach, der Topf ist gestohlen worden", schlug Shoka vor. „Heute morgen habe ich ein paar zweifelhafte Gestalten gesehen."

„Wirklich?" fragte Pawlik mit einem Klang von Hoffnung in der Stimme.

„Ehrenwort."

Ein Lächeln stahl sich über Pawliks Gesicht. Shoka war doch ein richtiger Freund, trotz allem. Mutig und klug.

Mit dem gewesenen Topf spielten sie auf der Wiese Fußball, bis er in den Fluß fiel.

,,Jetzt hat die liebe Seele Ruh", stellte Shoka befriedigt fest.

„Aber der Deckel liegt noch zu Hause in der Küche", wandte Pawlik ein.

Sie lachten. Von Müdigkeit übermannt, sanken sie wieder ins Gras. Am Himmel standen unbewegliche Wolken.

Aus der Ferne klang Motorengeräusch herüber. „Ein Hubschrauber", sagte Shoka. „Hat bestimmt gelöscht. Es wird gebrannt haben."