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WILHELM. Ihr Wort?

FABRICE. Sie warf's hin, wie einen scheidenden Blick, der mehr sagte, als alles Bleiben gesagt hätte. Ihre Verlegenheit und ihre Liebe, ihr Wollen und Zittern, es war so schön!

WILHELM. Nein! nein!

FABRICE. Ich versteh' dich nicht. Ich fühle, du hast keinen Widerwillen gegen mich, und bist mir so entgegen? Sei's nicht! Sei ihrem Glücke, sei meinem nicht hinderlich! — Und ich denke immer, du sollst mit uns glücklich sein! — Versag meinen Wünschen dein Wort nicht! dein freundlich Wort! (Wilhelm stumm in streitenden Qualen.) Ich begreife dich nicht —

WILHELM. Sie? — du willst sie haben?

FABRICE. Was ist das?

WILHELM. Und sie dich?

FABRICE. Sie antwortete, wie's einem Mädchen ziemt.

WILHELM. Geh! geh! — Marianne! — Ich ahnt' es! ich fühlt' es!

FABRICE. Sag mir nur —

WILHELM. Was sagen! — Das war's, was mir auf der Seele lag diesen Abend, wie eine Wetterwolke. Es zuckt, es schlägt! — Nimm sie! — Nimm sie! — Mein Einziges — mein Alles! (Fabrice ihn stumm ansehend.) Nimm sie! — Und daß du weißt, was du mir nimmst — (Pause. Er rafft sich zusammen.) Von Charlotten erzählt' ich dir, dem Engel, der meinen Händen entwich und mir sein Ebenbild, eine Tochter, hinterließ — und diese Tochter — ich habe dich belogen — sie ist nicht tot; diese Tochter ist Marianne! — Marianne ist nicht meine Schwester.

FABRICE. Darauf war ich nicht vorbereitet.

WILHELM. Und von dir hätt' ich das fürchten sollen! — Warum folgt' ich meinem Herzen nicht und verschloß dir mein Haus wie jedem in den ersten Tagen, da ich herkam? Dir allein vergönnt' ich einen Zutritt in dies Heiligtum, und du wußtest mich durch Güte, Freundschaft, Unterstützung, scheinbare Kälte gegen die Weiber einzuschläfern. Wie ich dem Schein nach ihr Bruder war, hielt ich dein Gefühl für sie für das wahre brüderliche, und wenn mir ja auch manchmal ein Argwohn kommen wollte, warf ich ihn weg als unedel, schrieb ihre Gutheit für dich auf Rechnung des Engelherzens, das eben alle Welt mit einem liebevollen Blick ansieht. — Und du! — Und sie! —

FABRICE. Ich mag nichts weiter hören, und zu sagen hab' ich auch nichts. Also adieu! (Ab.)

WILHELM. Geh nur! — Du trägst sie alle mit dir weg, meine ganze Seligkeit. So weggeschnitten, weggebrochen alle Aussichten — die nächsten — auf einmal — Am Abgrunde! Und zusammengestürzt die goldne Zauberbrücke, die mich in die Wonne der Himmel hinüberführen sollte — Weg! und durch ihn, den Verräter, der so mißbraucht hat die Offenheit, das Zutrauen! — O Wilhelm! Wilhelm! du bist so weit gebracht, daß du gegen den guten Menschen ungerecht sein mußt? — Was hat er verbrochen? — Du liegst schwer über mir und bist gerecht, vergeltendes Schicksal! — Warum stehst du da? und du? Just in dem Augenblicke! — Verzeiht mir! Hab' ich nicht gelitten dafür? — Verzeiht! es ist lange! — Ich habe unendlich gelitten. Ich schien euch zu lieben, ich glaubte euch zu lieben; mit leichtsinnigen Gefälligkeiten schloß ich euer Herz auf und machte euch elend! — Verzeiht und laßt mich — Soll ich so gestraft werden? — Soll ich Mariannen verlieren, die letzte meiner Hoffnungen, den Inbegriff meiner Sorgen? — Es kann nicht! es kann nicht! (Er bleibt stille.)

(Marianne kommt.)

MARIANNE (naht verlegen). Bruder!

WILHELM. Ah!

MARIANNE. Lieber Bruder, du mußt mir vergeben, ich bitte dich um alles. Du bist böse, ich dacht' es wohl. Ich habe eine Torheit begangen — es ist mir ganz wunderlich.

WILHELM (sich zusammennehmend). Was hast du, Mädchen?

MARIANNE. Ich wollte, daß ich dir's erzählen könnte. — Mir geht's so konfus im Kopf herum. — Fabrice will mich zur Frau, und ich —

WILHELM (halb bitter). Sag's heraus, du schlägst ein?

MARIANNE. Nein, nicht ums Leben! Nimmermehr werd' ich ihn heiraten! ich kann ihn nicht heiraten.

WILHELM. Wie anders klingt das!

MARIANNE. Wunderlich genug. Du bist gar unhold, Bruder; ich ginge gern und wartete eine gute Stunde ab, wenn mir's nicht gleich vom Herzen müßte. Ein für allemal, ich kann Fabricen nicht heiraten.

WILHELM (steht auf und nimmt sie bei der Hand.) Wie, Marianne?

MARIANNE. Er war da und redete so viel und stellte mir so allerlei vor, daß ich mir einbildete, es wäre möglich. Er drang so, und in der Unbesonnenheit sagt' ich, er sollte mit dir reden. — Er nahm das als Jawort, und im Augenblicke fühlt' ich, daß es nicht werden konnte.

WILHELM. Er hat mit mir gesprochen.

MARIANNE. Ich bitte dich, was ich kann und mag, mit all der Liebe, die ich zu dir habe, bei all der Liebe, mit der du mich liebst, mach es wieder gut, bedeut ihn.

WILHELM (für sich). Ewiger Gott!

MARIANNE. Sei nicht böse! Er soll auch nicht böse sein. Wir wollen wieder leben wie vorher und immer so fort. — Denn nur mit dir kann ich leben, mit dir allein mag ich leben. Es liegt von jeher in meiner Seele, und dieses hat's herausgeschlagen, gewaltsam herausgeschlagen — Ich liebe nur dich!

WILHELM. Marianne!

MARIANNE. Bester Bruder! Diese Viertelstunde über — ich kann dir nicht sagen, was in meinem Herzen auf- und abgerannt ist. — Es ist mir wie neulich, da es auf dem Markte brannte und erst Rauch und Dampf über alles zog, bis auf einmal das Feuer das Dach hob und das ganze Haus in einer Flamme stand. — Verlaß mich nicht! stoß mich nicht von dir, Bruder!

WILHELM. Es kann doch nicht immer so bleiben.

MARIANNE. Das eben ängstet mich so! — Ich will dir gern versprechen, nicht zu heiraten, ich will immer für dich sorgen, immer, immer so fort. — Da drüben wohnen so ein paar alte Geschwister zusammen; da denk' ich manchmal zum Spaß: wenn du so alt und schrumpflich bist, wenn ihr nur zusammen seid!

WILHELM (sein Herz haltend, halb für sich). Wenn du das aushältst, bist du nie wieder zu enge.

MARIANNE. Dir ist's nun wohl nicht so; du nimmst doch wohl eine Frau mit der Zeit, und es würde mir immer leid tun, wenn ich sie auch noch so gern lieben wollte — Es hat dich niemand so lieb wie ich; es kann dich niemand so lieb haben. (Wilhelm versucht zu reden.) Du bist immer so zurückhaltend, und ich hab's immer im Munde, dir ganz zu sagen, wie mir's ist, und wag's nicht. Gott sei Dank, daß mir der Zufall die Zunge löst.

WILHELM. Nichts weiter. Marianne!

MARIANNE. Du sollst mich nicht hindern, laß mich alles sagen! Dann will ich in die Küche gehen und tagelang an meiner Arbeit sitzen, nur manchmal dich ansehen, als wollt' ich sagen: du weißt's! — (Wilhelm stumm in dem Umfange seiner Freuden.) Du konntest es lange wissen, du weißt's auch, seit dem Tod unserer Mutter, wie ich aufkam aus der Kindheit und immer mit dir war. — Sieh, ich fühle mehr Vergnügen, bei dir zu sein, als Dank für deine mehr als brüderliche Sorgfalt. Und nach und nach nahmst du so mein ganzes Herz, meinen ganzen Kopf ein, daß jetzt noch etwas anders Mühe hat, ein Plätzchen drin zu gewinnen. Ich weiß wohl noch, daß du manchmal lachtest, wenn ich Romanen las; es geschah einmal mit der Julie Mandeville, und ich fragte, ob der Heinrich, oder wie er heißt, nicht ausgesehen habe wie du? — Du lachtest — das gefiel mir nicht. Da schwieg ich ein andermal still. Mir war's aber ganz ernsthaft; denn was die liebsten, die besten Menschen waren, die sahen bei mir alle aus wie du. Dich sah ich in den großen Gärten spazieren, und reiten, und reisen, und sich duellieren — (Sie lacht für sich.)