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Der Nachmittagswind war angenehm kühl; er stimmte mich derart friedlich, daß mich der Anblick der frischen Gräber am Wegesrand hinter einer Kurve ziemlich unvorbereitet traf. In der Nähe befand sich eine zertrampelte Lichtung. Wir verweilten kurze Zeit, erfuhren aber auch nicht mehr, als auf den ersten Blick erkennbar gewesen war.

Ein Stück weiter passierten wir eine ähnliche Stelle mit mehreren verkohlten Grasflecken und Büschen. Der Weg zeigte inzwischen Spuren intensiver Benutzung, und das Gebüsch links und rechts war geknickt und niedergetrampelt, als seien hier zahlreiche Männer und Tiere durchgekommen. Von Zeit zu Zeit roch die Luft nach Asche, und einmal kamen wir an einem Pferdekadaver vorbei, der bereits ziemlich verwest und von Raben zerfleddert war. Wir hielten eine Zeitlang den Atem an.

Der Himmel Ambers schenkte mir keine Kraft mehr, obwohl der Weg in der nächsten Zeit keine Überraschungen mehr brachte. Der Tag neigte sich dem Abend entgegen, und der Wald war schon viel lichter geworden, als Ganelon im Südosten die Rauchsäulen bemerkte. Wir schlugen den ersten Seitenweg ein, der in die Richtung zu führen schien, auch wenn uns das von Avalon fortführte. Es war schwierig, die Entfernung zu schätzen, doch wir erkannten bald, daß wir unser Ziel erst nach Einbruch der Dunkelheit erreichen würden.

»Die Armee – noch im Lager?« fragte Ganelon.

»Oder die der Eroberer.«

Er schüttelte den Kopf und lockerte die Klinge in der Scheide.

In der Dämmerung verließ ich den Weg, um ein Wasserplätschern zu erkunden. Es war ein heller, klarer Bach, der von den Bergen herabstürzte und noch etwas Gletscherkälte mit sich führte. Ich badete darin, stutzte meinen neuen Bart zurecht und befreite meine Kleidung vom Staub der Reise. Da nun das Ende unseres Ritts bevorstand, wollte ich natürlich einen zivilisierteren Eindruck machen, soweit das möglich war. Ganelon wußte meinen Wunsch zu schätzen und benetzte sein Gesicht mit Wasser und schneuzte sich einmal vernehmlich.

Schließlich stand ich am Ufer, blinzelte mit frischausgespülten Augen zum Himmel empor und sah den Mond plötzlich ganz deutlich hervortreten, sah seine Ränder scharf werden. Das widerfuhr mir zum erstenmal! Ich hörte auf zu atmen und blickte reglos hinauf. Dann suchte ich den Himmel nach ersten Sternen ab, suchte den Rand von Wolken, die Gipfel ferner Berge, weit entfernte Bäume. Noch einmal blickte ich auf den Mond, der sich noch immer klar und deutlich am Himmel zeigte. Ich konnte wieder normal sehen!

Als ich zu lachen begann, wich Ganelon zurück – und erkundigte sich weder jetzt noch später nach dem Grund.

Ich unterdrückte meinen Wunsch zu singen, stieg wieder auf mein Pferd und kehrte zum Weg zurück. Die Schatten wurden dunkler, und zwischen den Ästen über unseren Köpfen blühten Sternenwolken auf. Ich atmete ein schönes Stück der Nacht ein, hielt es einen Augenblick lang in meinen Lungen, gab es wieder frei. Ich war wieder ganz der alte – ein herrliches Gefühl!

Ganelon lenkte sein Pferd neben mich und sagte leise: »Wir müssen mit Posten rechnen.«

»Ja«, sagte ich.

»Sollten wir dann nicht lieber den Weg verlassen?«

»Nein. Ich möchte nicht heimlichtuerisch erscheinen. Mir macht es nichts aus, notfalls auch mit einer Eskorte einzutreffen. Wir sind eben nur zwei einfache Reisende.«

»Vielleicht erkundigt man sich nach dem Grund für unsere Reise.«

»Dann geben wir uns als Söldner aus, die von den Auseinandersetzungen in der Gegend gehört haben und eine Anstellung suchen.«

»Ja. Das könnte nach unserem Aussehen klappen. Hoffentlich nimmt man sich überhaupt die Zeit, uns anzuschauen.«

»Wenn man uns so schlecht erkennen kann, bieten wir auch kein gutes Ziel.«

»Das ist wahr – trotzdem tröstet mich der Gedanke wenig.«

Ich lauschte auf unseren Hufschlag. Der Weg verlief nicht geradlinig, sondern wand sich hierhin und dorthin, streckte sich ein Stück, um sich dann erneut zu krümmen. Als wir die nächste Anhöhe erreichten, traten die Bäume noch weiter auseinander.

Als wir den Gipfel des nächsten Hügels erreichten, sahen wir vor uns ein ziemlich offenes Gelände. Gleich darauf befanden wir uns an einer Stelle, von der aus wir mehrere Meilen weit zu blicken vermochten. Wir zügelten unsere Tiere an einem Abgrund, der sich nach zehn oder fünfzehn steilen Metern zu einem gemächlichen Hang neigte und zu einer großen Ebene hinabführte, die etwa eine Meile entfernt begann und in ein hügeliges, da und dort bewaldetes Gebiet mündete. Die Ebene war mit Lagerfeuern übersät, und zur Mitte hin erhoben sich etliche Zelte. In der Nähe grasten zahlreiche Pferde. Meiner Schätzung nach saßen viele hundert Männer an den Feuern oder bewegten sich im Lager.

Ganelon seufzte. »Wenigstens scheint es sich um gewöhnliche Menschen zu handeln«, sagte er.

»Ja.«

»Und wenn es ganz normale Soldaten sind, werden wir wahrscheinlich längst beobachtet. Dieser Aussichtspunkt ist einfach zu günstig, um unbewacht zu bleiben.«

»Ja.«

Hinter uns ertönte plötzlich ein Geräusch. Wir wollten uns eben umdrehen, als eine Stimme ganz in der Nähe sagte: »Keine Bewegung!«

Ich erstarrte, vollendete aber meine Kopfbewegung und erblickte vier Männer. Zwei hatten Armbrüste auf uns gerichtet, die beiden anderen hielten Schwerter in den Fäusten. Einer der Schwertkämpfer trat zwei Schritte vor.

»Absteigen!« befahl er. »Auf dieser Seite! Langsam!«

Wir stiegen von unseren Pferden und standen ihm gegenüber, wobei wir darauf achteten, die Hände von den Waffengriffen zu lassen.

»Wer seid Ihr? Woher kommt Ihr?« fragte er.

»Wir sind Söldner«, erwiderte ich. »Aus Lorraine. Wir hörten, daß hier gekämpft würde. Wir suchen Arbeit. Unser Ziel ist das Lager dort unten. Es ist doch hoffentlich das Eure!«

». . . Und wenn ich nein sagte, wenn ich behaupten wollte, wir seien die Patrouille einer Armee, die das Lager gleich überfallen will?«

Ich zuckte die Achseln. »In dem Fall die Frage – ist vielleicht Eure Seite an ein paar frischen Männern interessiert?«

Er spuckte aus. »Der Protektor braucht Männer wie Euch nicht«, sagte er und fuhr fort: »Aus welcher Richtung kommt Ihr?«

»Aus dem Osten«, entgegnete ich.

»Habt Ihr letztlich – Schwierigkeiten gehabt?«

»Nein«, sagte ich. »Wäre das zu erwarten gewesen?«

»Schwer zu sagen«, erwiderte er. »Legt die Waffen ab. Ich schicke Euch ins Lager hinab. Man wird Euch dort befragen wollen, ob Ihr vielleicht im Osten – ungewöhnliche Dinge gesehen habt.«

»Wir haben nichts Besonderes bemerkt«, behauptete ich.

»Wie dem auch sei – man gibt Euch wahrscheinlich ein Essen. Allerdings glaube ich nicht, daß man Euch anwerben wird. Zum Kämpfen seid Ihr ein bißchen zu spät gekommen. Und jetzt die Waffen ablegen.«

Während wir die Schwertgurte lösten, rief er zwei weitere Männer aus dem Wald herbei. Er wies sie an, uns zu Fuß nach unten zu bringen. Dabei sollten wir unsere Pferde an den Zügeln führen. Die Männer ergriffen unsere Waffen, und als wir uns zum Gehen wandten, rief der Mann, der uns verhört hatte: »Wartet!«

Ich drehte mich um.

»Ihr! Wie lautet Euer Name?« wandte er sich an mich.

»Corey.«

»Bleibt stehen!«

Er kam auf mich zu und pflanzte sich dicht vor mir auf. Zehn Sekunden lang starrte er mich an.

»Was ist los?« fragte ich.

Anstelle einer Antwort fummelte er in einem Beutel an seinem Gürtel herum. Er zog eine Handvoll Münzen heraus und hielt sie sich dicht vors Gesicht.