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Warum auch nicht? Es war ein gutes, ebenes Fleckchen, und vielleicht sprach das schwarze, verkohlte Stück Erde, das so sehr von den Farben des Lebens und Wachsens daneben abstach, einen morbiden Instinkt in mir an.

»Was nun?« wollte Ganelon wissen.

»Wir können ihn nicht abschütteln«, sagte ich. »Und wenn er es durch das Feuer schafft, ist er in wenigen Minuten hier. Eine weitere Flucht wäre sinnlos. Ich erwarte ihn an dieser Stelle.«

Ganelon drehte die Zügel um einen Pflock und griff nach seinem Schwert.

»Nein«, sagte ich. »Ihr könnt das Ergebnis des Kampfes nicht beeinflussen, so oder so. Ich bitte Euch um folgendes: Fahrt mit dem Wagen ein Stück weiter und wartet dort auf mich. Wenn die Sache zu meiner Zufriedenheit ausgeht, reisen wir weiter. Wenn nicht, müßt Ihr Euch Benedict sofort ergeben. Er hat es auf mich abgesehen, und er wäre der einzige, der Euch nach Avalon zurückführen könnte. Er wird es tun. Wenigstens könntet Ihr auf diese Weise in Eure Heimat zurückkehren.« Er zögerte.

»Fahrt los«, sagte ich. »Tut, was ich gesagt habe.«

Er blickte zu Boden. Er löste die Zügel. Er sah mich an.

»Viel Glück«, sagte er und trieb die Pferde an.

Ich verließ den Weg, nahm vor einer kleinen Gruppe junger Bäume Aufstellung und wartete. Ich behielt Grayswandir in der Hand, schaute einmal kurz auf die schwarze Straße und richtete schließlich den Blick auf unseren Weg.

Nach kurzer Zeit erschien er am Rand der Flammen, umgeben von Rauch und Feuer und brennenden Ästen. Es war Benedict; er hatte das Gesicht zum Teil verdeckt, der Stumpf seines rechten Arms war zum Schutz der Augen hochgewinkelt – und er galoppierte herbei wie ein Flüchtling aus der Hölle. Er brach durch einen Schauer aus Funken und glimmenden Aschestücken und erreichte schließlich das Freie und stürmte auf dem Weg herbei.

Schon bald vermochte ich den Hufschlag zu hören. Es wäre nun eines Gentlemans würdig gewesen, die Klinge in der Scheide stecken zu lassen, solange ich wartete. Doch wenn ich das tat, hatte ich vielleicht keine Gelegenheit mehr, sie zu ziehen.

Unwillkürlich überlegte ich, wie Benedict seine Klinge tragen mochte und was für ein Schwert er wohl mitführte. Eine gerade Klinge? Oder gekrümmt? Lang? Kurz? Er verstand sich auf alle. Er hatte mir den Umgang mit Hieb- und Stichwaffen beigebracht . . .

Es mochte nicht nur höflich, sondern auch klug sein, Grayswandir wegzustecken. Vielleicht wollte er sich zuerst nur mit mir unterhalten; die blanke Waffe mochte ihn zur Unbedachtsamkeit herausfordern. Doch als der Hufschlag lauter wurde, machte ich mir klar, daß ich Angst hatte, die Klinge wegzustecken.

Ehe er in Sicht kam, wischte ich mir einmal kurz die Handfläche trocken. An der Kurve hatte er sein Tier gezügelt, und er mußte mich im gleichen Augenblick gesehen haben wie ich ihn. Er ritt direkt auf mich zu und ließ sein Pferd dabei immer langsamer gehen. Doch er schien nicht die Absicht zu haben, sein Tier anzuhalten.

Es war geradezu ein mystischer Augenblick, ich weiß nicht, wie ich es anders ausdrücken soll. Während er näher kam, lief mein Verstand schneller als die Zeit, so daß ich den Eindruck hatte, als stünde mir eine Ewigkeit zur Verfügung, die Annäherung dieses Mannes zu verfolgen, der mein Bruder war. Seine Kleidung war verschmutzt, sein Gesicht geschwärzt, der Stumpf des rechten Arms erhoben, wild hin und her zuckend. Das große Tier unter ihm war schwarz und rot gescheckt und besaß eine wilde rote Mähne und einen ebensolchen Schwanz. Doch es war wirklich ein Pferd, das die Augen rollte, Schaum vor dem Maul hatte und rasselnd atmete. Im nächsten Augenblick erkannte ich, daß er die Klinge auf dem Rücken trug; der Griff ragte über seiner rechten Schulter empor. Sein Pferd zügelnd, den Blick starr auf mich gerichtet, verließ er die Straße und steuerte auf eine Stelle links von mir zu, zog einmal die Zügel an und ließ sie dann los, lenkte das Pferd nur noch mit den Knien. Die linke Hand fuhr in einer grußähnlichen Bewegung an seinem Kopf vorbei nach oben und packte den Griff der Waffe. Sie löste sich geräuschlos und beschrieb einen anmutigen Bogen über ihm, ehe sie in einer tödlichen Position schräg vor seiner linken Schulter zur Ruhe kam – wie ein einzelner Flügel aus mattem Stahl mit einer winzigen Vorderkante, die wie ein Streifen Spiegelglas schimmerte. Sein Anblick brannte sich mit einer gewissen Pracht in meinen Verstand, mit einer Großartigkeit, mit einem Glanz, der irgendwie anrührend war. Die Klinge war eine lange sensenähnliche Waffe, mit der ich ihn schon im Kampf beobachtet hatte. Nur hatten wir damals als Verbündete gegen einen gemeinsamen Gegner gekämpft, den ich für unbesiegbar gehalten hatte. Benedict hatte mir in jener Nacht das Gegenteil bewiesen. Als sich die Waffe nun gegen mich erhob, überfiel mich der Gedanke an meine Sterblichkeit – ein Gedanke, der mich nie zuvor in dieser Weise betroffen hatte. Es war, als sei ein Schutz von der Welt genommen worden, als werfe plötzlich jemand ein grelles Schlaglicht auf den Tod höchstpersönlich.

Der Augenblick war vorbei. Ich wich zwischen die Bäume zurück. Ich hatte mich dort aufgestellt, um die jungen Stämme auszunutzen. Ich wich etwa zehn, zwölf Fuß weit zwischen die Stämme zurück und machte zwei Schritte nach links. Das Pferd stieg im letzten Augenblick auf die Hinterhand und schnaubte und wieherte mit geblähten Nüstern. Dann wandte es sich zur Seite, wobei es große Erdbrocken aufwirbelte. Benedicts Arm bewegte sich mit unglaublicher Geschwindigkeit, wie die Zunge einer Schildkröte, und seine Klinge fuhr durch einen jungen Baum, dessen Stamm ich auf drei Zoll schätzte. Der Baum blieb noch einen Augenblick lang stehen, ehe er langsam umkippte.

Seine Stiefel prallten auf den Boden, und er schritt auf mich zu. Auch aus diesem Grund hatte ich mir die Baumgruppe ausgesucht – er sollte zu mir kommen müssen an einen Ort, da eine lange Klinge durch Äste und Stämme behindert werden mußte.

Doch im Voranstürmen schwang er die Waffe geradezu beiläufig hin und her, und ringsum stürzten die Bäume. Wenn er nur nicht so schrecklich gut gewesen wäre . . .! Wenn er nur nicht Benedict gewesen wäre . . .!

»Benedict«, sagte ich ganz ruhig. »Sie ist längst erwachsen und kann ihre eigenen Entscheidungen treffen.«

Doch er ließ nicht erkennen, ob er mich gehört hatte. Er schritt weiter und schwang dabei die mächtige Klinge hin und her. Sie sirrte durch die Luft, und immer wieder war ein weicher Laut zu hören, wenn sie einen weiteren Baum durchtrennte und davon nur geringfügig verlangsamt wurde.

Ich hob Grayswandir und richtete es auf seine Brust.

»Nicht weiter, Benedict«, sagte ich. »Ich möchte nicht mit dir kämpfen.«

Er hob die Waffe in Angriffsposition und sagte nur ein Wort: »Mörder!«

Dann zuckte seine Hand vor, und fast gleichzeitig wurde mein Schwert zur Seite geschlagen. Ich parierte den nachfolgenden Stich, und er fegte meine Riposte zur Seite und griff von neuem an.

Diesmal machte ich mir nicht die Mühe einer Riposte. Ich parierte einfach, zog mich zurück und trat hinter einen Baum.

»Ich verstehe das nicht«, sagte ich und schlug seine Klinge nieder, die an dem Stamm entlangglitt und mich beinahe aufgespießt hätte. »Ich habe in letzter Zeit niemanden getötet. Jedenfalls nicht in Avalon.«

Wieder ein dumpfer Laut, und der Baumstamm stürzte auf mich zu. Ich brachte mich in Sicherheit und wich, seine Schläge abwehrend, zurück.

»Mörder!« sagte er wieder.

»Ich verstehe nicht, was das soll, Benedict!«

»Lügner!«

Nun endlich blieb ich stehen und verteidigte meine Position. Verdammt! Es war so sinnlos, für etwas zu sterben, das gar nicht stimmte. Ich ripostierte, so schnell ich konnte, suchte überall nach einer Ansatzmöglichkeit. Doch die gab es nicht.