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»Deshalb habe ich Euch auch gebeten, am Wagen zu warten und nicht gegen ihn zu kämpfen, falls ich besiegt worden wäre.«

»Was soll nun aus ihm werden?«

»Ich sorge dafür, daß er gerettet wird – bald.«

»Er kommt doch durch, oder?«

Ich nickte.

»Gut.«

Wir fuhren etwa zwei Meilen weiter, ehe ich die Pferde zügelte. Ich stieg vom Wagen.

»Regt Euch jetzt nicht auf«, sagte ich, »egal was passiert. Ich hole für Benedict Hilfe.«

Ich entfernte mich von der Straße und stellte mich in den Schatten. Dann nahm ich die Trumpfkarten zur Hand, die Benedict bei sich gehabt hatte. Ich blätterte sie durch, fand Gérard und nahm die Karte aus dem Stapel. Den Rest legte ich wieder in den seidenbespannten Intarsienkasten, in dem Benedict das kostbare Spiel aufbewahrte.

Ich hielt Gérards Trumpf vor mich hin und betrachtete ihn.

Nach einer Weile wurde das Bild real und schien sich zu bewegen. Ich spürte Gérards Gegenwart. Er war in Amber. Er schritt durch eine Straße, die ich kannte. Er sah mir ziemlich ähnlich und war nur größer und massiger. Ich bemerkte, daß er noch immer seinen Bart trug.

Er blieb stehen und riß die Augen auf.

»Corwin!«

»Ja, Gérard. Du siehst gut aus.«

»Deine Augen! Du kannst sehen?«

»Ja, ich kann wieder sehen.«

»Wo bist du?«

»Komm zu mir, dann zeige ich es dir.«

Er kniff die Augen zusammen.

»Ich weiß nicht recht, ob ich das wirklich tun sollte, Corwin. Ich bin im Augenblick ziemlich beschäftigt.«

»Es geht um Benedict«, sagte ich. »Du bist der einzige, bei dem ich mich darauf verlassen kann, daß er ihm hilft.«

»Benedict? Ist er in Not?«

»Ja.«

»Warum ruft er mich dann nicht selbst?«

»Das könnte er gar nicht. Er ist verhindert.«

»Warum? Wie denn?«

»Die Geschichte ist zu lang und zu kompliziert, um sie jetzt zu erzählen. Glaub mir, er benötigt deine Hilfe, auf der Stelle.«

Er biß sich auf die bärtige Unterlippe.

»Und du wirst allein nicht damit fertig?«

»Auf keinen Fall.«

»Und du glaubst, ich schaffe es?«

»Ich weiß es.«

Er lockerte seine Klinge in der Scheide.

»Ich will nicht hoffen, daß das eine Art Trick ist, Corwin.«

»Ich versichere dir, daß nichts dahintersteckt. Die lange Zeit, die seither vergangen ist, hätte mir doch sicher Gelegenheit gegeben, eine raffiniertere List auszutüfteln.«

Er seufzte. Dann nickte er.

»Na gut. Ich komme zu dir.«

»Bitte.«

Er verharrte einen Augenblick lang, dann machte er einen Schritt vorwärts.

Und schon stand er neben mir. Er streckte die Hand aus und berührte mich an der Schulter. Er lächelte.

»Corwin«, sagte er. »Es freut mich, daß du dein Augenlicht wieder hast.«

Ich wandte den Blick ab.

»Mich auch. Mich auch.«

»Wer ist das auf dem Wagen?«

»Ein Freund. Er heißt Ganelon.«

»Wo ist Benedict? Was hat er für Probleme?«

Ich machte eine Armbewegung.

»Dort hinten«, sagte ich. »Etwa zwei Meilen von hier an der Straße. Er ist an einen Baum gefesselt. Sein Pferd grast in der Nähe.«

»Was machst du hier?«

»Ich fliehe.«

»Wovor?«

»Vor Benedict. Ich bin derjenige, der ihn gefesselt hat.«

Er runzelte die Stirn.

»Ich verstehe das alles nicht . . .«

Ich schüttelte den Kopf.

»Es gibt da zwischen uns ein Mißverständnis, das ich nicht habe aufklären können. Er wollte mir nicht zuhören, und da haben wir gekämpft. Ich habe ihn bewußtlos geschlagen und gefesselt. Befreien könnte ich ihn nicht – er würde mich sofort wieder angreifen. Andererseits kann ich ihn nicht hilflos zurücklassen. Er könnte Schaden nehmen, ehe er sich selbst befreien kann. Deshalb habe ich dich gerufen. Bitte geh zu ihm, befreie ihn, begleite ihn nach Hause.«

»Was tust du inzwischen?«

»Ich verschwinde von hier, so schnell ich kann, und verliere mich in den Schatten. Wenn du ihn davon abhältst, mir erneut zu folgen, würdest du uns beiden einen Gefallen tun. Ich möchte nicht noch einmal gegen ihn kämpfen müssen.«

»Ich verstehe. Kannst du mir nicht sagen, was geschehen ist?«

»Ich weiß es nicht genau. Er hat mich einen Mörder genannt. Ich gebe dir mein Wort, daß ich während meines Aufenthalts in Avalon keinen Menschen getötet habe. Bitte berichte ihm, daß ich das gesagt habe. Ich hätte gar keinen Grund, dich anzulügen, und ich schwöre, daß ich die Wahrheit sage. Es gibt da noch eine andere Sache, die ihn vielleicht erzürnt hat. Wenn er darauf zu sprechen kommt, sag ihm, dabei müßte er sich mit Daras Erklärung begnügen.«

»Und die wäre?«

Ich zuckte die Achseln. »Du weißt schon Bescheid, wenn er das Thema anschneidet. Wenn nicht, vergiß die Sache.«

»Dara war der Name?«

»Ja.«

»Na schön. Ich tue, was du von mir erbittest . . . Sagst du mir noch schnell, wie du deine Flucht aus Amber bewerkstelligt hast?«

Ich lächelte. »Ist das ein rein akademisches Interesse? Oder hast du das Gefühl, daß du dieses Wissen eines Tages brauchen könntest?«

Er lachte leise. »Die Information könnte eines Tages ganz nützlich sein.«

»Es tut mir leid, lieber Bruder, daß die Welt für diese Erkenntnis noch nicht reif ist. Wenn ich es jemandem erzählen müßte, dann dir – aber es gibt keine Möglichkeit, daß dir die Erkenntnis nützen könnte, während mir meine Verschwiegenheit auch künftig noch von Vorteil sein kann.«

»Mit anderen Worten – du kennst einen Geheimweg von und nach Amber. Was hast du vor, Corwin?«

»Was glaubst du denn?«

»Die Antwort liegt auf der Hand. Allerdings sehe ich die Sache mit gemischten Gefühlen.«

»Würdest du mir das bitte erklären?«

Er deutete auf einen Teil der schwarzen Straße, die von unserem Standort aus sichtbar war.

»Das Ding«, sagte er. »Es führt bereits bis zum Fuße Kolvirs. Eine Unzahl von Geschöpfen benutzt diese Straße, um Amber anzugreifen. Wir verteidigen uns, wir sind noch immer siegreich. Doch die Angriffe werden heftiger und kommen häufiger. Es wäre kein günstiger Augenblick für einen Staatsstreich, Corwin.«

»Oder genau der richtige Zeitpunkt«, erwiderte ich.

»Für dich gewiß, aber nicht unbedingt für Amber.«

»Wie wird Eric mit der Situation fertig?«

»Angemessen. Wie ich schon sagte, wir sind immer noch siegreich.«

»Ich meine nicht die Angriffe. Ich meine das ganze Problem – die Ursachen.«

»Ich bin selbst schon auf der schwarzen Straße gereist – ein weites Stück.«

»Und?«

»Ich vermochte sie nicht bis zum Ende zu beschreiten. Du weißt doch, daß die Schatten wilder und unheimlicher werden, je weiter man sich von Amber entfernt?«

»Ja.«

». . . Bis einem der Verstand verdreht und zum Wahnsinn hin gezwungen wird.«

»Ja.«

». . . Und irgendwo dahinter liegen die Gerichte des Chaos. Die Straße führt weiter, Corwin. Ich bin überzeugt, sie überspannt die volle Strecke.«

»Dann haben sich meine Befürchtungen also bewahrheitet«, sagte ich.

»Das ist der Grund, warum ich unabhängig von meiner Einstellung zu dir davon abrate, jetzt zu handeln. Die Sicherheit Ambers muß über allem anderen stehen.«

»Ich verstehe. Dann brauchen wir uns im Augenblick nicht weiter darüber zu unterhalten.«

»Und deine Pläne?«

»Da du sie nicht kennst, ist es sinnlos, dir zu eröffnen, daß sie unverändert sind. Aber das sind sie.«

»Ich weiß nicht, ob ich dir Glück wünschen soll – jedenfalls wünsche ich dir alles Gute. Ich freue mich, daß du wieder sehen kannst.« Er ergriff meine Hand. »Jetzt sollte ich mich aber um Benedict kümmern. Er ist doch nicht etwa schwer verletzt?«

»Von mir nicht. Ich habe ihn nur geschlagen. Vergiß nicht, ihm meine Worte auszurichten.«

»Nein.«

»Und bring ihn nach Avalon zurück.«

»Ich werd´s versuchen.«

»Dann zunächst Lebewohl, Gérard,«