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Das schnarrende Geräusch war zu hören – im Hintergrund öffnete sich eine Tür.

Chris trat ein, er konnte sie fast ganz sehen; nur die Beine von den Knien abwärts waren ihm noch verborgen. Was er sah, entsprach völlig seinen Vorstellungen – sie war ein frisches, elastisches, gut gebautes Mädchen, keine Schönheit, aber gerade das, was man sich als Krankenschwester wünscht.

»Sie können ja schon lachen«, sagte sie. Sie nahm seinen Kopf zwischen ihre beiden Hände und drehte ihn sachte geradeaus. »Wir müssen uns rasch fertigmachen, der Chef wird gleich kommen!«

Chris machte sich um ihn herum zu schaffen, er konnte nicht erkennen, was sie tat. Im Moment war er zu ermattet, um den Kopf wieder zur Seite zu drehen. So verfolgte er das, was zufällig innerhalb seines Gesichtskreises vor sich ging – die Hände des Mädchens hielten ein Fläschchen, ein dicker, tropfender Wattebausch hing an einer Art Zange; ein Schälchen fing die Tropfen auf, zwei Hände streiften Gummihandschuhe über, aus einer Tube glitt ein Stück Paste, ein Spachtel verrieb es auf einem löffelähnlichen Gegenstand. Dann sah er eine Weile nichts, nur an seinen Beinen spürte er gelegentlich einen leisen Ruck. Von Zeit zu Zeit klirrte etwas leise.

Er hätte gern einen Spiegel gehabt. Wie mochte sein Gesicht aussehen? Wie mochte sein Körper aussehen – ob er doch ärger zugerichtet war, als es die Vorschriften über die Behandlungswürdigkeit eigentlich zuließen? In den letzten Kriegstagen mit ihren unzähligen Verwundeten war sie rasch auf die Kategorie D, auf die ›mit felddienstmäßigen Mitteln Kurierbaren‹ beschränkt worden. Aber da hätte er doch längst wiederhergestellt sein müssen...

Sein Blick hing an den glänzenden Metallteilen der Decke, und erst als er darin eine gespiegelte Bewegung der arbeitenden Schwester sah, kam er auf die Möglichkeit, die sie ihm boten. Es waren Spiegel, wenn auch gekrümmte, verzerrende Spiegel, so doch solche, die etwas von dem wiedergaben, das unter ihnen lag. Er suchte die größte und glatteste Fläche aus poliertem Metall – es war eine Art Griff in der Mitte des kreisförmigen Gegenstandes oberhalb seines Gesichts, der ihm wie eine Lampe vorkam. Mühsam suchte er die Flecken von Licht und Dunkel, in die sich der Silberglanz schied, zu entschlüsseln, zu erkennen, was Gerät, was Zimmer und was er war. Es war ein ganz kleines, ein winziges Bild, und es war stark verzerrt. Alles, was er sah und verstand, war sein Kopf und die Arme – sie lagen wirklich seitwärts gestreckt, wie er es empfunden hatte. Sein übriger Körper war unter einer Art Glasdach verborgen, aus dem viele Leitungen herauskamen und zur Apparatur links neben ihm führten. Was unter der Glasplatte steckte, vermochte er nicht auszunehmen, es war zu dunkel verschattet.

Was ist mit mir, wollte er fragen, aber er brachte keinen Laut heraus. Er konnte nicht sprechen – jetzt fiel es ihm wieder ein. Er formte die Worte mit dem Mund: »Was ist mit mir?«, aber das Mädchen hörte dieses lautlose Fragen nicht.

»Was ist mit mir?«

Wieder und wieder buchstabierte er vergeblich. Er nahm alle Kraft zusammen und warf den Kopf ruckartig nach rechts ... aber die Schwester befand sich wohl eben zu seinen Füßen, und er sah sie nicht, und sie sah ihn nicht. Statt dessen blickte er ohne Verständnis auf einen der Leuchtschirme am Pult, auf dem jetzt kleine Spitzen wie bei einem zwerghaften Raketenfeuerwerk emporschossen, oben angekommen einen Moment verharrten und dann giftgrün verglommen.

Er schloß die Augen.

»Schwester, der Patient ist unruhig!« sagte eine Männerstimme.

Mühsam hob er die Lider, direkt vor ihm schwebte eine Hand, und ein ausgestreckter Zeigefinger wies auf die Mattglasscheibe mit den emporsteigenden funkelnden Spitzen.

Die Stimme von Chris erscholclass="underline"

»Es ist alles normal, Herr Oberarzt.«

Jetzt konnte er den Mann sehen. Er hatte einen weißen Ärztemantel an. Er war hochgewachsen und hielt sich aufrecht. Das Gesicht war streng und nicht mehr jung, doch aus den Zügen sprach deutliches Wohlwollen, als er sich hinabbeugte und seinen Patienten musterte.

»Ganz gut sehen Sie aus, Phil Abelsen«, sagte er. »Keine Sorge, wir flicken Sie wieder zusammen. Wie fühlen Sie sich, mein Junge?« Zur Schwester gewandt, fragte er: »Hat er schon auf Worte reagiert?«

»Er hat mit den Lippen Sprechbewegungen gemacht; ich konnte sie ablesen.«

Dr. Myers Hand erschien vor dem rechten Auge Phils und zog ihm die Lider auseinander. Eine Taschenlampe blinkte auf und blendete, doch die Finger des Arztes ließen nicht zu, daß sich das Auge schloß.

»Pupillenreaktion merklich verstärkt«, sagte der Arzt. »Wir können das Tetralin langsam absetzen.«

Er wandte sich wieder zum Pult.

»Das klappt ja vorzüglich, mein Junge«, sagte er. »Wir haben uns ganz schön Mühe mit Ihnen gegeben. Sie hätten sich sehen sollen – wie Sie ausgesehen haben, als ich Sie aufgelesen habe.«

»Herr Oberarzt«, sagte die Schwester. »Ich habe dem Patienten noch nichts gesagt. Es könnte einen Schock...«

»Nur nicht so zimperlich, Jungfrau«, sagte der Arzt und sah das Mädchen auf eine eigenartig ungenierte Art an, gegen die sich sofort etwas in Phil sträubte.

»Sie waren zerfetzt wie ein Ochse nach dem Schlachten«, fuhr der Arzt fort. »Der Brocken muß Ihnen genau in die Brust geschlagen sein – es war nicht mehr viel übrig davon, gerade, daß der Kopf noch an der Wirbelsäule hing. Ich habe schon vielen den Pelz zusammengeflickt, aber Sie sind mein Meisterstück. Das Herz verschwunden – einfach nicht mehr da, die Lunge zerfetzt, nicht zu reden von Speiseröhre, Zwerchfell, Magen und den anderen nützlichen Dingen. Ausgeblutet, ausgequetscht wie eine Zitrone. Was an Haut noch vorhanden war, zerschunden, aufgeplatzt, versengt, erfroren – je nachdem. Aber keine Bange. Ich habe Sie durchgebracht, aus der Gefahr sind Sie längst heraus. Was jetzt noch fehlt, ist Routinesache. Glauben Sie mir? Haben Sie verstanden?«

Phil nickte.

»Gut so«, sagte der Oberarzt. »Nach und nach bringe ich Sie wieder in Schuß. Wollen Sie Ihren Korpus mal sehen?«

Er wartete die Antwort nicht ab. Seine linke Hand hob den Kopf des Patienten, die rechte unterstrich die Erklärungen. Im Hintergrund sah Phil das Mädchen stehen. Vor ihm, über seinem Körper, lag das Glasdach. Es bedeckte eine Art Wanne, die mit einer leicht trüben Flüssigkeit gefüllt war. In dieser Flüssigkeit lag er selbst – sein Körper.

»Alle wesentlichen Adern haben wir an das künstliche Herz angeschlossen. Sehen Sie – hier ist es, diese Pumpe.« Er deutete auf den Kolben, der in ständig gleichem Takt hin- und herfuhr. »Auch die Funktion der Lunge erfüllt eine elektrisch betriebene Pumpvorrichtung – es ist dieses Ding, das wie ein Blasebalg aussieht. Der kleine Blutkreislauf, der von der rechten Kammer in die Lunge und von dieser in die linke Vorkammer führt, geht natürlich ganz außerhalb vonstatten. Das alles, was Sie hier sehen«, er deutete auf das Pult an Phils rechter und auf die Behälter an Phils linker Seite, »das alles gehört jetzt zu Ihnen, es ist ein Teil Ihres Körpers. Übrigens funktioniert er präziser als das organische Material.«