Wir wußten erstaunlich wenig über sie.
Wir wußten nicht einmal genau, ob sie wirklich in Person hier waren. Viele Leute, besonders Wissenschaftler, behaupteten, daß eine Lebensform ohne Dichtigkeit nicht existieren kann. Und daß daher das, was wir sahen, nicht die Martier selber wären, sondern Projektionen von ihnen, daß die Martier Körper von derselben Dichtigkeit wie wir besäßen und sie nur auf dem Mars zurückgelassen hätten, und daß Kwimmen nichts weiter als die Fähigkeit wäre, einen Astralkörper zu projizieren, der zwar sichtbar aber nicht greifbar war.
Wenn sie stimmte, erklärte diese Theorie eine ganze Menge, aber eines erklärte sie nicht, wie selbst ihre leidenschaftlichsten Verfechter zugeben mußten. Wie konnte eine unkörperliche Projektion sprechen? Laute sind Bewegungen oder Schwingungen der Luft oder anderer Moleküle — wie konnte dann also eine bloße, in Wirklichkeit gar nicht vorhandene Projektion Laute erzeugen?
Und sie erzeugten ganz zweifellos Laute. Wirkliche Laute, nicht nur im Geiste des Hörers; die Tatsache, daß die von ihnen erzeugten Laute sich auf Band aufnehmen ließen, war ein Beweis dafür. Sie konnten tatsächlich sprechen und auch anklopfen (obwohl sie das selten taten). Der Martier, der in jener ersten Nacht an Luke Devereauxs Tür geklopft hatte, stellte in dieser Hinsicht eine Ausnahme dar. Die meisten waren einfach ohne anzuklopfen in Wohn- und Schlafzimmer, in Fernsehstationen, Nachtklubs, Theater, Kneipen (in den Kneipen müssen sich in jener Nacht wundervolle Szenen abgespielt haben) Kasernen, Schneehütten, Gefängnisse und überall hinein gekwimmt.
Sie waren auch auf Fotografien zu sehen, wie Luke Devereaux gemerkt haben würde, wenn er sich je die Mühe gemacht hätte, jenen Film entwickeln zu lassen. Ob vorhanden oder nicht, jedenfalls waren sie lichtundurchlässig. Zur Verzweiflung der Wissenschaftler jedoch nicht für Radar.
Die Martier behaupteten, namenlos zu sein und hielten Namen für lächerlich und überflüssig. Keiner von ihnen redete je einen Menschen mit Namen an. In den Vereinigen Staaten nannten sie jeden Mann „Mack" und jede Frau „Puppe"; anderswo gebrauchten sie die entsprechenden Bezeichnungen.
Auf einem Gebiet zum mindesten legten sie eine erstaunliche Begabung an den Tag - für Sprachen. Lukes Martier hatte nicht übertrieben, als er behauptete, innerhalb einer Stunde eine neue Sprache erlernen zu können. Die Martier, die unter verschiedenen primitiven Völkerschaften auftauchten, deren Sprachen nie im Radio gesprochen worden waren, kamen ohne die Kenntnis eines einzigen Wortes an und beherrschten die betreffenden Sprachen in wenigen Stunden. Und welche Sprache sie auch sprachen, sie sprachen sie stets idiomatisch und gebrauchten sogar Slangausdrücke.
Viele Wörter aus ihrem Vokabular stammten offensichtlich n i c h t aus Radiosendungen. Aber das ist nicht schwer zu erklären, da sie schon kurz nach ihrer Ankunft genügend Gelegenheit hatten, mit sämtlichen Flüchen und dem gesamten Schimpfwortregister Bekanntschaft zu machen.
Geistig waren sich die Martier noch ähnlicher als physisch, obwohl es auch hier kleine Unterschiede gab — manche waren noch schlimmer als die übrigen.
Aber in ihrer Gesamtheit waren sie beleidigend, unangenehm, lästig, frech, brutal, streitsüchtig, sarkastisch, grob, abscheulich, unhöflich, scheußlich, teuflisch, vor-laut, keck, störend, gehässig, feindselig, schlecht gelaunt, unverfroren, schamlos, spitzzüngig, höhnisch, elende Spielverderber. Sie waren lüstern, ekelhaft, boshaft, feindselig, widerlich, anstößig, mürrisch, pervers, streitsüchtig, grob, hypochondrisch, verräterisch, grausam, schroff, undankbar, bissig, niederträchtig, schwatzhaft, stets darauf bedacht, sich verhaßt zu machen und jedermann Verdruß zu bereiten.
Luke Devereaux war wieder allein und in gedrückter Stimmung — es war nicht einmal ein Martier gegenwärtig, sonst wäre seine Stimmung noch gedrückter gewesen — und so ließ er sich Zeit beim Auspacken seiner beiden Koffer in dem kleinen, billigen Zimmer, das er in Long Beach gemietet hatte.
Seit dem Eintreffen der Martier waren gerade vierzehn Tage vergangen. Vor dem Verhungern schützten Luke noch sechsundfünfzig Dollars, und er war nach Long Beach gekommen, um sich nach einer Stellung umzutun. Den Versuch etwas zu schreiben, hatte er für eine Weile aufgegeben.
Auf eine Art hatte er sehr viel Glück gehabt. Es war ihm gelungen, für seine Junggesellenwohnung in Hollywood, die monatlich hundert Dollars kostete, einen Untermieter zu finden. Dadurch konnte er die Ausgaben für seinen Lebensunterhalt herabsetzen und blieb dennoch im Besitz seiner Sachen, ohne Lagergebühren dafür bezahlen zu müssen. Bei einem Verkauf hätte er ohnehin nicht viel dafür herausgeschlagen, da seine beiden wertvollsten Stücke, der Fernsehapparat und das Radio, im Augenblick völlig wertlos waren. Erst wenn die Martier einmal fort wären, würden sie wieder wertvoll sein.
Und jetzt war er hier in diesem billigsten Bezirk von Long Beach, und hatte nichts außer zwei Koffern mit Kleidungsstücken und seine Reiseschreibmaschine mitgebracht, letztere, um darauf Bewerbungen zu schreiben.
Wahrscheinlich werde ich eine ganze Menge schreiben müssen, dachte er verdrießlich. Selbst hier in Long Beach würde die Situation schwierig werden. In Hollywood wäre es unmöglich gewesen.
Hollywood war von allen Orten am schwersten betroffen. Hollywood, Beverley Hills, Culver City, das ganze Filmkolonie-Gebiet. Alle Leute, die auf irgendeine Art mit Film, Fernsehen oder Funk zu tun gehabt hatten, waren arbeitslos. Schauspieler, Produzenten, Ansager, alle. Alle im selben Boot, und das Boot war plötzlich untergegangen.
Und als Reaktion darauf war alles andere in Hollywood in Mitleidenschaft gezogen. Die tausend Läden, Schönheitssalons, Hotels, Kneipen, Restaurants und Gasthäuser, deren Kundschaft hauptsächlich aus Filmleuten bestanden hatte, waren pleite oder standen dicht vor dem Bankrott.
Hollywood wurde zu einem verlassenen Dorf. Die einzigen Leute, die dablieben, waren diejenigen, die aus irgendeinem Grunde nicht fort konnten. Wie es ihm, Luke, ergangen wäre, wenn er nicht rechtzeitig zu Fuß aufgebrochen wäre.
Ich hätte mich noch viel weiter von Hollywood entfernen sollen, nicht bloß bis Long Beach, dachte er, aber es schien ihm nicht ratsam noch mehr Fahrgeld auszugeben. Und schließlich sah es nirgends rosiger aus.
Im ganzen Lande — außer in Hollywood, das einfach kapituliert hatte — lautete das Motto seit einer Woche: GESCHÄFT WIE GEWÖHNLICH.
Und in einigen Geschäftszweigen funktionierte es sogar mehr oder weniger. Man kann sich daran gewöhnen, einen Lkw zu fahren, auch wenn ein Martier über die Art, wie man fährt, spottet oder auf der Schutzhaube herumtanzt — oder es zum mindestens t u n , auch wenn man sich nicht daran gewöhnen kann. Oder man kann Materialwaren über den Ladentisch verkaufen, auch wenn einem ein Martier — gewichtslos aber nicht entfernbar — auf dem Kopfe hockt und die Beine herunter baumein läßt und einen selber sowie den Kunden durchhechelt. Derartige Dinge gehen auf die Nerven, aber sie lassen sich ausführen.
In anderen Geschäftszweigen ging es weniger gut. Wie wir gesehen haben, wurde die Vergnügungsindustrie zuerst und am schwersten betroffen.
Direkte Fernsehübertragungen waren praktisch unmöglich. Obwohl Film-Fernsehübertragungen in jener ersten Nacht nicht gestört wurden und weiterliefen, wo nicht der Anblick der Martier das technische Personal in Panik versetzte, wurde jede Direkt-Übertragung innerhalb von Minuten abgeschaltet. Die Martier hatten ein diabolisches Vergnügen daran, Direkt-Übertragun-gen, ob im Fernsehen oder im Funk, zu sprengen.