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„Drei Dollars", sagte er.

„Sind das nicht Schecks, diese zusammengefalteten Papiere dort?"

„Könnte sein." Der Assistent nahm sie heraus und entfaltete sie, zuerst den einen, dann den anderen. Er stieß einen leisen Pfiff aus. „Über vierzehnhundert Dollars. Wenn sie gut sind —"

Der Arzt blickte über seine Schulter. „Ich glaube schon, es sei denn, es wären Fälschungen. Das ist ein namhafter Verlag. Ausgeschrieben auf den Namen Luke Devereaux. Luke Devers ist wahrscheinlich ein Deckname, aber so ähnlich, daß er mir bekannt vorkam."

Der Assistent zuckte die Achseln. „Mir nicht. Ich lese allerdings auch kaum Romane. Keine Zeit."

„Bekannt in dem Sinne meine ich auch nicht. Aber drüben in der Landesheilanstalt arbeitet ein Mädchen, eine Krankenschwester, die sämtlichen Ärzten und Psychiatern in Long Beach die Bitte übermittelt hat, sie sofort in Kenntnis zu setzen, falls einer von ihnen einen Luke Devereaux als Patienten bekommt. Ihr früherer Ehemann, glaube ich. Sie heißt ebenfalls Devereaux — den Vornamen hab ich vergessen."

„Da hätten wir ja gleich jemand, den wir benachrichtigen können. Und was ist mit den Schecks? Ist er zahlungsfähig oder nicht?"

„Mit vierzehnhundert Dollars?"

„Schön und gut, sie sind bloß noch nicht indossiert. Und im Augenblick ist er nicht in der Lage dazu."

„Hm", machte der Arzt nachdenklich. „Ich verstehe, worauf Sie hinauswollen. Aber wie ich schon sagte, in seinem Fall halte ich die Katatonie für eine vorübergehende Phase. Wenn er jedoch für wahnsinnig erklärt wird, würde sein Indossament dann noch Gültigkeit haben?"

„Genau das wollte ich sagen, Doktor. Aber das soll unsere Sorge erst sein, nachdem Sie mit seiner früheren Frau gesprochen haben. Vielleicht übernimmt sie die Verantwortung."

„Guter Gedanke. Wenn ich mich recht erinnere, steht draußen in der Diele ein Telefon. Warten Sie solange hier, Pete, und passen Sie auf ihn auf. Er kann jeden Augenblick zu sich kommen."

Der Arzt ging hinaus. Fünf Minuten später kam er zurück.

„Also, wir sind entlastet", sagte er. „Sie übernimmt. Eine Privatklinik — auf ihre Kosten, falls es Schwierigkeiten wegen der Schecks geben sollte. Ein Privatkrankenwagen kommt und holt ihn ab. Sie bittet uns nur, noch die zehn oder fünfzehn Minuten bis zu seinem Eintreffen zu warten."

„Den Gefallen können wir ihr tun." Der Assistent gähnte. „Ich möchte nur wissen, was sie auf die Vermutung gebracht hat, daß es ein solches Ende mit ihm nehmen würde. Labiles Innenleben?"

„Das auch. Aber sie hatte besondere Befürchtungen, daß etwas passieren würde, wenn er wieder anfinge zu schreiben — wie es scheint, hat er seit dem Kommen der Martier nichts mehr geschrieben. Sie sagte, sobald ihn ein Stoff einmal richtig gepackt hätte, wäre er schon früher bei der geringsten Störung in Rage geraten. Wenn er arbeitete, hätte sie sich auf Zehenspitzen bewegen müssen."

„Ich kann mir vorstellen, daß manche Leute so sind, wenn sie sich fest auf etwas konzentrieren. Wissen möchte ich allerdings gern, was irgend so ein Martier mit ihm angestellt hat?"

„Was es auch gewesen sein mag, es muß ihm im ersten Schaffensrausch widerfahren sein, als er gerade einen Roman anfing. Ich würde es auch für mein Leben gern wissen."

„Warum fragen Sie mich nicht danach, meine Herren?"

Sie wirbelten herum. Luke Devereaux hatte sich aufgerichtet und saß mit einem Martier im Schoß auf der Bettkante.

„Huh?", sagte der Arzt, nicht sehr geistreich.

Luke lächelte. Sein Blick war oder schien zum mindesten klar und ungetrübt zu sein.

Er sagte: „Wenn Sie es durchaus wissen wollen, werde ich Ihnen erzählen, was sich zugetragen hat. Vor zwei Monaten bin ich wahnsinnig geworden — vermutlich, weil ich mich zum Schreiben zwingen wollte, als ich eine Krisis durchmachte und nicht schreiben konnte. Ich befand mich in einer Hütte in der Wüste und hatte plötzlich Halluzinationen von Martiern. Das ging die ganze Zeit so, bis ich heute abend zu mir gekommen bin."

„Sind Sie — sind Sie sich dessen s i c h e r , daß es Halluzinationen waren?" fragte der Arzt. Gleichzeitig legte er seine Hand leicht auf die Schulter des Assistenten. Als ein Zeichen, ein Zeichen, Stillschweigen zu bewahren.

Wenn der Patient in dieser Verfassung allzu plötzlich an sich herunter schaute, verfiel er unter Umständen wieder in sein Trauma.

Aber der Assistent verstand das Zeichen nicht. „Und wie", fragte er Luke, „nennen Sie dann das Geschöpf auf Ihrem Schoß?"

Luke blickte an sich herunter. Der Martier schaute hoch und streckte seine lange gelbe Zunge heraus.

Luke hob den Kopf und sah den Assistenten fragend an.

„Nichts ist auf meinem Schoß. Sind Sie v e r r ü c k t ?"

10

Der Fall Luke Devereaux war wahrscheinlich einzigartig; später wurde eine Monographie darüber verfaßt von einem Dr. Ellicott H. Snyder, Psychiater und Eigentümer des Snyder-Stifts, eines Sanatoriums für Nervenkranke, in welches Luke eingeliefert wurde. Zum mindesten wurde kein anderer von einem namhaften Irrenarzt beglaubigter Fall bekannt, in dem der Patient zwar einwandfrei hören und sehen, aber Martier weder wahrnehmen noch hören konnte.

Es gab natürlich eine Menge Leute, die sowohl mit Blindheit wie mit Taubheit geschlagen waren. Da man Martier weder fühlen, riechen oder schmecken konnte, so vermochten sich diese anderweitig Unglücklichen keinen objektiven oder sinnfälligen Beweis ihrer Existenz zu verschaffen und mußten die Behauptung, daß es so etwas wie Martier gäbe, auf Treu und Glauben hinnehmen. Manche unter ihnen waren nie völlig davon überzeugt; man kann es ihnen nicht verübeln.

Und selbstverständlich gab es Abermillionen — geistig Gesunde, Wahnsinnige, Wissenschaftler, Laien und Sonderlinge — die ihre Existenz zwar gelten ließen, aber es ablehnten zu glauben, daß es Martier wären.

Darunter am zahlreichsten vertreten waren die Abergläubischen und fanatisch Religiösen, die behaupteten, daß die Martier in Wirklichkeit Elfen, Heinzelmännchen, Dämonen, böse Geister, Teufel, Feen, Zauberwesen, Gnomen oder Kobolde wären.

Überall in der Welt führte diese Streitfrage zur Spaltung von Sekten und Gemeinden. So sah sich die Pres-byterianische Kirche beispielsweise in drei verschiedene Gruppen gespalten. Es gab die Dämonistische Presbyte-rianische Kirche, die glaubte, es wären Teufel aus der Hölle, ausgesandt, uns für unsere Sünden zu strafen. Es gab die Wissenschaftliche Presbyterianische Kirche, die gelten ließ, daß es Martier wären und daß die Invasion der Erde durch sie eine ebensolche Heimsuchung Gottes wäre wie Erdbeben, Sturmfluten, Brände und Über-schwemmungen. Und die Revisionistische Presbyte-rianisdie Kirche, die das Grunddogma der Dämonisten in erweiterter Form akzeptierte und sich mit der These behalf, die Hölle befände sich auf dem Mars. (Da die Hölle auf dem Mars läge, so glaubte eine kleine Splittergruppe, die sich Re-Revisionisten benannte, daß der Himmel unter den ewigen Wolkenschleiern der Venus, unseres Schwesterplaneten auf der gegenüberliegenden Seite, liegen müsse.)

Fast alle anderen Konfessionen sahen sich auf ähnliche oder noch alarmierendere Weise gespalten oder in Spaltung begriffen. Ausnahmen machten nur die Szientisten und die römischen Katholiken.

Der Szientismus bewahrte sich seine Anhängerschaft durch die Verkündung, daß die Eindringlinge weder Teufel noch Martier, sondern das sichtbare und hörbare Produkt menschlichen Versagens wären und daß sie verschwinden würden, wenn wir uns weigerten, an ihre Existenz zu glauben. Eine Doktrin, wie man sieht, die beträchtliche Ähnlichkeit mit dem paranoiden Wahn Luke Devereauxs aufweist, nur mit dem Unterschied, daß seine Theorie i h m half.

Auch die Römisch-Katholische Kirche bewahrte ihre Geschlossenheit und behielt gut neunzig Prozent ihrer Anhänger dank des gesunden Menschenverstandes des Papstes oder seiner Unfehlbarkeit, wie man will. Er erließ eine dahingehende Proklamation, daß ein Konzil, bestehend aus katholischen Theologen und katholischen Wissenschaftlern, einberufen werden solle, um den Standpunkt der Kirche festzulegen, und daß Katholiken bis zur Herausgabe einer offiziellen Verlautbarung sich jede beliebige Meinung zu eigen machen könnten. Dieses Kölner Konzil war innerhalb einer Woche zusammengetreten und tagte noch; da es sich nur unter der Bedingung auflösen konnte, daß ein einstimmiger Beschluß gefaßt werde, so stand zu hoffen, daß die Beratungen endlos weitergehen würden und damit die Gefahr eines Schismas gebannt wäre. Zwar hatten Jungfrauen in verschiedenen Ländern Göttliche (wenn auch einander widersprechende) Offenbarungen, was das wahre Wesen der Martier betraf, aber keine davon wurde von der Kirche anerkannt oder gewann nennenswerte Anhängerschaft. Nicht einmal die des chilenischen Mädchens, das Wundmale in Form von kleinen sechsfingrigen Händen aufweisen konnte.