Выбрать главу

„Gut. Sie finden ihn in Zimmer sechs im zweiten Stock. Sie müssen sich selber einlassen; die Tür ist nur von außen, nicht von innen zu öffnen. Wenn Sie gehen wollen, brauchen Sie nur auf den Summer zu drücken, dann kommt jemand und macht auf."

„Vielen Dank, Doktor." Margie erhob sich.

„Und — schauen Sie auf dem Rückweg noch einmal zu mir herein, wenn Sie mich sprechen wollen. Ich hoffe indes, daß - äh -"

„Daß Sie so spät nicht mehr auf sein werden?" Margie lächelte ihn an und wurde dann wieder ernst. „Ehrlich gesagt, ich weiß nicht, Doktor. Ich habe Luke solange nicht gesehen —"

Sie verließ das Büro, stieg die mit dicken Läufern belegten Treppen empor und ging den Gang entlang, bis sie vor Zimmer sechs stand. Von drinnen vernahm sie das rasche Geklapper einer Schreibmaschine.

Sie klopfte leise an und öffnete die Tür.

Mit zerzaustem Haar und leuchtenden Augen sprang Luke von der Schreibmaschine auf, eilte auf sie zu und umfing sie stürmisch.

„Margie! O, Margie!" Und dann küßte er sie, preßte sie mit einem Arm fest an sich, während er mit der anderen über ihre Schulter langte und das Licht ausdrehte, so daß das Zimmer in Finsternis versank.

Sie hatte nicht einmal Zeit gehabt, Umschau zu halten, ob sich ein Martier darin befände.

Nach einigen Minuten war ihr auch das völlig gleichgültig. Schließlich hatten Martier keine menschlichen Regungen.

Aber sie hatte welche.

Bis zu diesem Zeitpunkt hatten sich viele Leute zu der Auffassung bekehrt, daß Martier keine menschlichen Regungen hätten und daß man sich durch ihre tatsächliche oder mögliche Gegenwart beim Zeugungsakt nicht stören lassen sollte.

Während der ersten Wochen nach dem Kommen der Martier war vielfach befürchtet worden, daß das Menschengeschlecht innerhalb einer Generation aus Mangel an Fortpflanzung aussterben könnte, wenn die Martier lange genug dablieben.

Als es ruchbar wurde, was nicht lange dauerte, daß Martier nicht nur im Dunkeln sehen konnten, sondern eine Art Röntgenblick besaßen, der Bettlaken, Stepp-und Wolldecken, ja, selbst Wände durchdrang, kam das Geschlechtsleben des Menschen — sogar sein legitimes eheliches Geschlechtsleben — für eine Weile unleugbar fast völlig zum Erliegen.

Bis auf moralisch verkommene und degenerierte Erscheinungen war man an völlige Abgeschiedenheit und Alleinsein mit dem jeweiligen Partner beim Geschlechtsverkehr selbst in seiner löblichsten und legalsten Form gewöhnt und konnte sich zuerst nicht darauf umstellen, daß man möglicherweise, wahrscheinlich sogar beobachtet wurde, ganz gleich, welche Vorsichtsmaßnahmen man traf. Besonders da die Martier — wie immer sie selber geschlechtlich miteinander verkehren mochten — für u n s e r e Methode das größte Interesse bekundeten, sich darüber lustig machten und Abscheu davor an den Tag legten.

Das Ausmaß ihres hemmenden Einflusses (zum mindesten soweit es den legitimen ehelichen Geschlechtsverkehr betrifft), geht aus den Geburtenziffern für die ersten Monate des Jahres 1965 hervor. Sie sanken rapide ab. Im Januar 1965, genau neun Monate und eine Woche nach dem Kommen der Martier, erreichten sie in fast allen Ländern ihren Tiefstand, selbst in Frankreich. Im Februar, dem zehnten Monat (plus einer Woche) nach dem Kommen, begann die Geburtenziffer langsam anzusteigen. Im März war in allen Ländern der Normalstand fast wieder erreicht. In Frankreich lag die Geburtenziffer sogar darüber; offensichtlich holten die Franzosen das Versäumte nach, während man in anderen Ländern noch immer unter gewissen Hemmungen litt.

Der Geschlechtstrieb war auf die Dauer durch die Martier nicht zu unterdrücken.

Aus einigen im April nach dem Muster des Kinsey Reports vorgenommenen Untersuchungen ging hervor, daß fast alle Ehepaare zum mindesten gelegentlich den Beischlaf ausübten.

Im allgemeinen geschah das nur nachts bei völliger Dunkelheit. Umarmungen in den frühen Morgenstunden oder am Vormittag gehörten selbst unter Jungverheirateten der Vergangenheit an. Ohrenstöpsel waren fast ebenso allgemein im Gebrauch; sogar wilde Völkerschaften, die keine Gelegenheit hatten, welche zu kaufen, entdeckten, daß gekneteter Schlamm denselben Zweck erfüllte. Damit versehen und in völliger Dunkelheit konnten die einzelnen Paare die Gegenwart von Mar-tiern und ihre gewöhnlich sehr respektlosen Kommentare ignorieren.

Aber selbst unter diesen Umständen kam vorehelicher und außerehelicher Beischlaf kaum in Betracht. Die Gefahr, daß die Martier den Vorfall breittratschten, war zu groß. Nur die ganz Unverschämten konnten es riskieren.

Auch Eheleute waren weniger oft miteinander zusammen und fanden es weniger schön, weil stets eine gewisse Ich-Bewußtheit vorherrschte, von der Nutzlosigkeit, Zärtlichkeiten in ein verstöpseltes Ohr zu flüstern, ganz zu schweigen.

Nein, das Geschlechtliche war nicht mehr das, was es in guten alten Zeiten gewesen war, aber noch war in der Ehe genügend davon vorhanden, um den Fortbestand der Menschheit zu gewährleisten.

Die Tür zu Dr. Snyders Büro stand offen, aber Margie Devereaux blieb auf der Schwelle stehen und wartete, bis der Arzt aufblickte und sie aufforderte, herein zu kommen. Als er bemerkte, daß sie zwei eingeheftete Manuskripte unter dem Arm trug, fingen seine Augen an zu leuchten. „Ist er fertig?"

Margie nickte.

„Und das letzte Kapitel? Ist es so gut wie das übrige?"

„Meiner Meinung nach, ja, Doktor. Haben Sie Zeit, es gleich zu lesen?"

„Selbstverständlich. Dazu nehme ich mir die Zeit. Ich war gerade dabei, mir ein paar Notizen zu einer Abhandlung zu machen."

„Gut. Wenn Sie Packpapier und Bindfaden zur Hand haben, mache ich das Päckchen versandfertig, während Sie den Durchschlag lesen."

„Sie finden alles, was Sie brauchen, in dem Schrank dort."

Für eine Weile waren beide für sich beschäftigt. Margie war zuerst fertig und wartete, bis der Arzt zu Ende gelesen hatte und aufschaute.

„Ganz ausgezeichnet", sagte er. „Nicht nur gut geschrieben, sondern auch vom Verkaufsstandpunkt gut. Es wird bestimmt gehen. Und — was ich noch fragen wollte — Sie sind jetzt einen Monat hier, nicht wahr?"

„Morgen wird es genau ein Monat."

„Dann hat er also im Ganzen nur fünf Wochen dazu gebraucht. Ich muß schon sagen, Ihr Hiersein hat sein Arbeitstempo kaum beeinträchtigt."

Margie lächelte. „Während seiner Arbeitsstunden hab ich mich bewußt fern von ihm gehalten. Was nicht weiter schwierig war, weil ich während dieser Zeit Dienst hatte. Ach ja, das Päckchen — ich werde es zur Post bringen, sobald ich dienstfrei bin."

„Nein, gehen Sie lieber gleich. Und schicken Sie es mit Luftpost. Bernstein will es sicherlich sofort in Satz geben. Solange kommen wir schon ohne Sie aus. Ich hoffe nur, daß es nicht für länger sein muß."

„Wie soll ich das verstehen, Doktor?"

„Ich meine, haben Sie die Absicht hier zu bleiben und weiter für mich zu arbeiten?"

„Selbstverständlich. Warum eigentlich nicht? Sind meine Leistungen nicht zufriedenstellend?"

„Sie wissen genau, daß sie das sind. Und daß ich Sie gern behalten würde. Aber warum sollten Sie weiter arbeiten, Margie? Ihr Mann hat in den vergangenen fünf Wochen soviel verdient, daß Sie beide mindestens zwei Jahre davon leben können. So wie sich die Krise auf die Lebenskosten ausgewirkt hat, können Sie beide mit fünftausend jährlich beinah fürstlich leben."

„Aber -"

„Ich weiß, ein Teil des Geldes steht noch aus, aber für den Anfang haben Sie genug. Lukes vierzehnhundert Dollars sind sofort greifbar. Und da das Gehalt, das Sie hier beziehen, die Unterhaltskosten für Luke deckt, brauchen Sie Ihre Ersparnisse nicht anzutasten. Bernstein schickt bestimmt weitere Vorschüsse, wenn Sie ihn darum bitten, auch noch vor der Drucklegung des Buches."