Er ging in das andere Zimmer, nahm eine Flasche Bier aus dem Kühlschrank und öffnete sie. Kehrte damit in die Werkstatt zurück und setzte sich und wartete.
Irgendwo draußen schlug eine Uhr, aber da Mr. Oberdorffer taub war, hörte er nichts davon.
Plötzlich saß ein Martier direkt auf dem anti-außer-weltlichen subatomaren Schwingungserzeuger.
Mr. Oberdorffer stellte die Flasche beiseite, streckte den Arm aus und zog die Kordel ab. Der Motor sprang an, die Maschine lief.
Dem Martier passierte nichts.
„Muß erst richtig anlaufen", sagte Mr. Oberdorffer mehr zu sich selber als zu dem Martier.
Er setzte sich wieder, griff nach seinem Bier, trank einen Schluck und wartete, bis die Maschine auf vollen Touren laufen würde.
Es war schätzungsweise dreiundzwanzig Uhr fünf, Chicago Zeit, am Abend des 19. August, Mittwoch.
In Long Beach, Kalifornien, warf Margie Devereaux am 19. August 1964 nachmittags um sechzehn Uhr (als es in Chicago achtzehn Uhr war, ungefähr um die Zeit, da Mr. Oberdorffer, den Bauch voller Eisbein und Sauerkraut nach Hause kam, bereit, seinen anti-außerwelt-lichen subatomaren Superschwingungserzeuger zu konstruieren) einen Blick durch die Tür in Dr. Snyders Büro und fragte: „Sehr beschäftigt, Doktor?"
„Keineswegs, Margie. Treten Sie ruhig näher", sagte Dr. Snyder, der vor Arbeit nicht ein und aus wußte. „Nehmen Sie doch Platz."
Sie setzte sich. „Doktor", sagte sie, leicht außer Atem. „Ich glaube, ich weiß jetzt, wo wir Luke finden können."
„Das würde mich nur freuen, Margie. Es sind jetzt zwei Wochen her."
Es war sogar einen Tag länger her. Fünfzehn Tage und vier Stunden waren verstrichen, seit Margie in ihr Zimmer hinaufgegangen war, um Luke zu wecken und statt ihres Mannes einen an sie gerichteten Zettel vorgefunden hatte.
Sie war damit zu Dr. Snyder gelaufen, und da Luke kein Bargeld bei sich gehabt hatte, außer den paar Dollars, die sich in Margies Portemonnaie befunden hatten, war ihr erster Gedanke die Bank gewesen. Durch einen Anruf bei der Bank hatten sie erfahren, daß Luke fünfhundert Dollars von dem gemeinsamen Konto abgehoben hatte.
Nachträglich war nur noch eine einzige Tatsache ans Licht gekommen. Am folgenden Tage hatte die Polizei festgestellt, daß kaum eine Stunde nach Lukes Vorsprache bei der Bank ein Mann, auf den seine Beschreibung paßte, der jedoch unter anderem Namen aufgetreten war, einen gebrauchten Wagen gekauft und hundert Dollars in bar dafür bezahlt hatte.
Dr. Snyder war nicht ohne Beziehungen zum Polizeipräsidium, und dem gesamten Südwestabschnitt waren durch Rundschreiben Beschreibungen von Luke und dem Wagen, einem alten, gelb angestrichenen 1957 Mercury, zugegangen. Sämtliche Nervenheilanstalten des Bezirks waren von Dr. Snyder auf ähnliche Weise alarmiert worden.
„Wir waren uns darüber einig", sagte Margie, „daß er höchstwahrscheinlich die Hütte in der Wüste aufgesucht hat, wo er das Kommen der Martier erlebte. Glauben Sie das immer noch?"
„Selbstverständlich. Er glaubt, er hätte die Martier erfunden — wie er auf dem Zettel schreibt, den er für Sie hinterlassen hat. Der Gedanke liegt also durchaus nahe, daß er sich an diesen selben Ort zurückgezogen und versucht hat, dieselben Umstände zu rekon-struieren, um das rückgängig zu machen, was er angerichtet zu haben glaubt. Aber sagten Sie nicht, Sie hätten nicht den leisesten Schimmer, wo sich die Hütte befindet?"
„Ich weiß auch jetzt noch nicht mehr, als daß sie von Los Angeles aus mit dem Wagen zu erreichen sein muß. Aber mir ist gerade etwas eingefallen, Doktor. Luke hat mir vor einigen Jahren einmal erzählt, daß Carter Ben-son irgendwo eine Wohnhütte gekauft habe — in der Nähe von Indio, glaube ich. Das könnte sie sein. Ich möchte sogar wetten, daß sie es ist."
„Sie haben aber doch diesen Benson angerufen, nicht wahr?"
„Ja. Ich habe mich aber nur erkundigt, ob er seit Lukes Verschwinden etwas von ihm gesehen oder gehört hätte. Er behauptete nein, versprach jedoch, mir sofort Nachricht zukommen zu lassen, falls er etwas hören sollte. Aber ich habe ihn nicht danach gefragt, ob Luke die Hütte vergangenen März benützt hat! Und von selber hätte er mir das sicher nicht verraten, weil ich ihm nicht die ganze Geschichte erzählt und nichts davon erwähnt habe, daß sich Luke unserer Meinung nach wahrscheinlich dorthin zurückgezogen hat, wo er sich vergangenen März aufhielt. Weil — ich habe einfach nicht daran gedacht."
„Hm", machte Dr. Snyder. „Eine Möglichkeit ist es immerhin. Aber würde Luke die Hütte ohne Bensons Einwilligung benützen?"
„Wahrscheinlich hat er vergangenen März die Erlaubnis dazu gehabt. Diesmal hält er sich versteckt, vergessen Sie das nicht. Nicht einmal Carter soll wissen, wo er hingefahren ist. Und er konnte auch ziemlich sicher sein, daß Carter selber die Hütte jetzt im August nicht gebrauchen würde."
„Einleuchtend. Wollen Sie Benson noch einmal anrufen? Dort ist das Telefon."
„Ich rufe lieber aus dem Vorzimmer an, Doktor. Es könnte eine Weile dauern, ehe ich ihn erreiche, und Sie haben zu tun, auch wenn Sie das Gegenteil behaupten."
Die Verbindung mit Carter Benson war jedoch allen Befürchtungen zum Trotz rasch hergestellt. Schon nach wenigen Minuten war Margie wieder zurück. Ihr Gesicht leuchtete.
„Doktor, Luke war vergangenen März tatsächlich in Carters Hütte. Und ich weiß jetzt auch, wie man hingelangt." Sie schwenkte einen Zettel hin und her.
„Tüchtig, tüchtig. Was unternehmen wir jetzt? Benachrichtigen wir die Polizei in Indio oder —?"
„Nichts Polizei. Ich fahre zu ihm. Sobald meine Schicht zu Ende ist."
„Solange brauchen Sie nicht zu warten, Kind. Aber meinen Sie, es ist ratsam, allein zu fahren? Wir wissen nicht, wie weit seine Krankheit unter Umständen fortgeschritten ist, und Sie treffen ihn womöglich — verstört an."
„Ich werde schon mit ihm fertig werden, darauf können Sie sich verlassen, Doktor." Sie warf einen Blick auf ihre Armbanduhr. „Viertel fünf. Wenn Sie wirklich nichts dagegen haben, daß ich jetzt gleich aufbreche, kann ich zwischen neun und zehn dort sein."
„Wollen Sie nicht doch lieber einen von den Wärtern mitnehmen?"
„Auf gar keinen Fall."
„Gut, Kind. Fahren Sie vorsichtig."
Am Abend des dritten Tages des dritten Mondes der Antilopen-Jahreszeit (ungefähr im gleichen Augenblick, als Mr. Oberdorffer in Chicago auf dem Bughouse Square Nachforschungen nach seinem vermißten Freund anstellte) wurde ein Medizinmann namens Bugassi, der zum Stamm der Moparobi in Äquatorialafrika gehörte, vor den Häuptling seines Stammes beordert. Der Häuptling hieß M'Carthi, war jedoch kein Verwandter eines früheren US-Senators gleichen Namens.
„Mach Juju gegen die Martier", befahl M'Carthi Bugassi.
Er nannte sie natürlich nicht Martier. Er gebrauchte das Wort g n a j a m k a t a , das soviel bedeutet wie „Grüne Zwerge vom Himmel".
Bugassi verbeugte sich. „Mach großes Juju", sagte er.
Und Bugassi wußte, daß es angeraten war, diesen Befehl verdammt wörtlich zu nehmen und auszuführen.
Er war nämlich eine heikle Geschichte, Medizinmann unter den Moparobi zu sein. Wer nicht ein sehr, sehr guter Medizinmann war, konnte nur mit kurzer Lebensdauer rechnen, denn das Stammesgesetz gebot, daß jeder, der versagte, seinen Beitrag zur Ergänzung der Fleischvorräte des Stammes leisten mußte. Und die Mo-parobi waren Kannibalen.
Unter den Moparobi hatte es sechs Medizinmänner gegeben, als die Martier kamen; Bugassi war der letzte Überlebende. Jeweils einen Mond auseinander (denn das Tabu verbietet es dem Häuptling, ein Juju anzuordnen, wenn nicht achtundzwanzig Tage seit dem letzten verstrichen sind) hatten die anderen fünf ihr Glück versucht, waren gescheitert und hatten ihren Beitrag geliefert.