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Während er sich um Singh gekümmert und mit dem Kater geredet hatte, hatten die anderen damit begonnen, ihre Umgebung zu erkunden. Der Raum, in dem sie sich befanden, war einstmals eines der Magazine des Schiffes gewesen. Jetzt war sein Inhalt nicht einmal mehr zu erraten und bestand nur aus wirren Trümmern und zerfetztem Metall. Das Wasser stand immer noch knietief hier drinnen und überall ragten scharfkantige Trümmer und Scherben hervor, so dass sie sich nur mit äußerster Vorsicht bewegen konnten und stets Gefahr liefen, sich an einem Trümmerstück zu verletzen, das unter der Wasseroberfläche verborgen war. Trautman und Juan machten sich an dem geschlossenen Schott am anderen Ende des Raumes zu schaffen. Die Notfallautomatik hatte sämtliche Türen in diesem Teil des Schiffes verriegelt, als die NAUTI-LUS von dem Torpedo getroffen worden war, um den Wassereinbruch möglichst gering zu halten. Und sie schien noch immer in Kraft zu sein -Trautman und Juan gelang es jedenfalls nicht, die Panzertür zu öffnen. Ein harter Ruck ging durch das Schiff, dem eine zweite, noch heftigere Erschütterung folgte, die nicht nur Mike, sondern mit Ausnahme Bens auch alle anderen von den Füßen riss, so dass sie unsanft in dem eiskalten Wasser landeten. Mike schluckte Wasser, kam prustend wieder hoch und sah gerade noch, wie eine gewaltige Woge durch das Loch in der Wand hereinbrach, da

wurde er auch schon wieder von den Füßen gerissen und ein zweites Mal unter Wasser gedrückt. Als er wieder hochkam, war der Raum von den erschrockenen Schreien und Rufen der anderen erfüllt. Singh, Ben, Trautman, Chris und Juan plantschten ebenso wie er hilflos im Wasser, das ihnen jetzt nicht mehr bis an die Waden, sondern bis über die Knie hinauf reichte und unaufhaltsam weiter anstieg, und der Boden hatte nun eine spürbare Neigung.

Die NAUTILUS tauchte!

»O nein!«, keuchte Mike. »Astaroth! Astaroth, wo bist

du?« Ben und Trautman begannen mit den Fäusten gegen das

geschlossene Panzerschott zu hämmern, während sich Mike nach dem Kater umsah. Er schrie sowohl laut als auch in Gedanken nach Astaroth, bekam aber keine Antwort. Nach zwei oder drei Sekunden, in denen das Wasser um mindestens ebenso viele Zentimeter angestiegen war, entdeckte er den Kater auf einem Wandvorsprung in Kopfhöhe, wo er sich mit gesträubtem Fell und wild die hereinbrandenden Wellen anfauchend, festgeklammert hatte. »Astaroth!«, schrie Mike. »Tu etwas!« Astaroth war eindeutig in Panik. Wenn Mike jemals eine Katze gesehen hatte, dieAngsthatte, dann war es

Astaroth in diesem Moment -und das war nun wirklich seltsam, denn von allen hier war er der einzige, der gar keinen Grund hatte, Angst zu haben. Sie wurden hilflos ertrinken, wenn nicht ein Wunder geschah, aber der Kater war durchaus in der Lage, unter Wasser zu atmen. Trotzdem führte er sich auf wie toll! Mike musste hastig nach einem Halt suchen, um nicht schon wieder von den Füßen gerissen zu werden, schrie aber weiter aus Leibeskräften: »Astaroth! Tu etwas!«Aber was denn?antwortete der Kater auf seine lautlose Weise.Soll ich vielleicht die Tür aufbeißen? Du musst Serena rufen! Oder Argos! Sag ihnen, dass wir hier sind! Das kann ich nicht,antwortete Astaroth. Seltsamerweise blieb seine gedankliche Stimme dabei ganz ruhig.Du weißt doch, dass du der Einzige bist, mit dem ich reden kann.

»Das ist mir egal!«, brüllte Mike in schierer Todesangst.Tu etwas!Das Wasser reichte ihm mittlerweile bis zur Brust und es stieg mit jeder Welle, die hereinflutete, weiter. Die

NAUTILUS sank sehr schnell. In spätestens zehn oder fünfzehn Sekunden würde der Laderaum bis unter die Decke mit Wasser gefüllt sein. Plötzlich begann das Wasser unmittelbar neben Mike zu brodeln. Ein verschwommener Schatten huschte unter seiner Oberfläche entlang, dann bäumte sich ein geschuppter, grauer Körper in einer Explosion aus Wasser und spritzendem weißem Schaum zwischen Trautman und Ben auf, stieß die beiden zur Seite und schlug mit unvorstellbarer Kraft gegen die Panzertür. Der dröhnende Schlag schien die gesamte NAUTILUS zu erschüttern. Das Metall ächzte. Es hielt dem Hieb stand, aber zu dem ersten Geschöpf gesellte sich plötzlich ein zweites, das sich nun ebenfalls mit aller Gewalt gegen das Schott warf, und dieser doppelte Ansturm war zu viel. Die Tür aus zehn Zentimeter dickem Stahl wurde einfach aus dem Schloss gerissen, schwang auf und prallte wuchtig gegen die Wand dahinter. Das gestaute Wasser schoss schäumend in den Gang und riss Ben und Trautman, dann auch Chris, Juan und Singh einfach mit sich. Und auch Mike wurde von den Füßen gefegt und auf die Tür zu gezerrt. Doch er hatte weniger Glück als die anderen. Aus dem Meer strömte immer noch mehr Wasserherein, als durch die Tür abfließen konnte, so dass sich vor der Öffnung ein wirbelnder Strudel bildete.

Mike geriet hinein und versuchte mit hilflosen Schwimmbewegungen, an die Oberfläche zu gelangen. Da begann sich die Tür vor seinen Augen zu schließen. Mikes Bewegungen wurden kraftloser und gerade, als er glaubte, dass es nun endgültig vorbei war, da griff eine Hand nach seinem Arm, packte ihn und stieß ihn mit einer unglaublich heftigen Bewegung durch die Tür. Mike prallte gegen hartes Metall, aber er sah endlich Licht über sich und der Anblick gab ihm trotz allem noch einmal die Kraft, sich aufzubäumen und die Wasseroberfläche zu durchbrechen.

Kaum hatte er es getan, da packten ihn zwei, drei Hände und zerrten ihn vollends nach oben. Alles drehte sich um ihn. Irgendwoher nahm er trotzdem die Kraft, die Augen zu öffnen. Die Tür war immer noch nicht ganz geschlossen, aber der hereinsprudelnde Wasserstrom hatte deutlich an Kraft verloren. Das Wasser reichte ihnen jetzt nur noch bis zu den Knien und sank rasch weiter und die Tür schloss sich jetzt immer schneller. »Astaroth!«, flüsterte er. »Wo ist Astaroth?« Niemand antwortete. Doch eine Sekunde, bevor sich das Panzerschott endgültig schloss und wieder einrastete, flog ein struppiges, schwarzesBündel durch die Öffnung, segelte fauchend und kreischend an Mike und den anderen vorbei und landete mit einem gewaltigen Platschen im Wasser. Trautman und Ben ließen ihn vorsichtig los. Mike ließ sich gegen die Wand sinken. Sein Herz hämmerte noch immer und er hatte Mühe, klar zu sehen, aber seine Kraft kehrte erstaunlich schnell zurück. »Alles in Ordnung mit dir?«, fragte Trautman besorgt. Mike nickte. »Ja«, antwortete er mühsam. »Aber das war verdammt knapp.« »Und das ist noch geschmeichelt«, pflichtete ihm Trautman mit düsterem Gesichtsausdruck bei. »Wenn diese Männer nicht gekommen wären ...« Er schüttelte verwirrt den Kopf. »Wer waren sie?« Das wusste Mike nicht, ebenso wenig wie Trautman oder die anderen. Alles war viel zu schnell gegangen, um Einzelheiten zu erkennen, aber eines hatte er doch ganz deutlich gesehen -vielleicht für weniger als eine Sekunde, aber doch so deutlich, dass er den Anblick so schnell nicht mehr vergessen würde: die Hand, die ihn am Arm gepackt und durch die Tür gestoßen hatte. Es war nicht die Hand eines Mannes gewesen. Vielleicht nicht einmal die Hand eines Menschen. Sie war sehr groß gewesen und sie hatte fünf Finger gehabt, aber diese Finger waren ihm viel zu lang vorgekommen und da war vor allem eines: Zwischen ihnen befanden sich dünne, halb durchsichtige Schwimmhäute!