»Geöffnet?« »Aber Sie ... Sie müssen sie doch gesehen haben!«, murmelte Mike. »Er ist doch genau zwischen Ihnen und Ben aufgetaucht und -« Er sprach nicht weiter, als er in Trautmans Gesicht sah. Trautman erinnerte sich nicht. So unglaublich es schien: Weder er noch einer der anderen schien vom plötzlichen Auftauchen der unheimlichen Wesen irgendetwas mitbekommen zu haben.
Und dabei wollen wir es im Moment auch belassen,flüsterte Astaroths Stimme in seinem Kopf.Glaub mir, es
ist besser.
Mike war nunmehr vollends durcheinander. Wenn es jemanden an Bord des Schiffes gab, dem er immer und vorbehaltlos vertraut und geglaubt hatte, dann war es Astaroth. Nun aber zweifelte er plötzlich an der Urteilskraft des Katers, ja, er ertappte sich für einen Moment sogar dabei, sich zu fragen, ob Astaroth ihn vielleicht ganz bewusst belog. Natürlich beantwortete er seine Frage im selben Moment auch selbst mit einem klaren Nein.Gut, dass du so schlau bist,sagte Astaroth.Wäre es anders, hätte ich dich nämlich von der Wahrheit überzeugen müssen. Ich habe da ein paar ziemlich gute Argumente an den Enden meiner Pfoten, weißt du?
Mike blickte fassungslos auf den Kater hinab. Astaroth tat immer noch so, als wäre er ganz damit beschäftigt, sich das Fell trocken zu lecken. Offensichtlich wollte er nicht, dass die anderen irgendetwas von ihrem lautlosen Gespräch merkten. Und so schwer es Mike fiel, er beschloß, sein Spiel -wenigstens für den Moment noch mitzuspielen. Aber wenn Astaroth nicht ein paar verdammt gute Argumente hätte, dann würde er Argos noch heute Abend zur Rede stellen. Das nahm er sich fest vor.
Niemand hatte Einwände erhoben, als Trautman nach einer Weile vorschlug, die Reparaturarbeiten für einige Stunden zu unterbrechen, so dass sie sich alle wenigstens etwas von dem dringend benötigtenSchlaf gönnen konnten. Zurück in seiner Kabine erlebte Mike jedoch eine unangenehme Überraschung: Das eingedrungene Wasser hatte auch seine Kabine nicht verschont. Es stand zwei oder drei Zentimeter hoch auf dem Boden und die Feuchtigkeit, die zwei Wochen lang Zeit gehabt hatte, alles zu durchdringen, hatte ihre Arbeit wirklich gründlich getan. Seine Matratze und sein Bettzeug waren klamm und rochen muffig, so dass er es erst einmal wechseln musste. Während er damit beschäftigt war, kratzte es an der Tür. Mike öffnete und Astaroth huschte zu ihm herein. Der Kater sah sich maunzend um. Er sprang schließlich auf das abgezogene Bett hinauf und rollte sich schnurrend zusammen. »Das wurde aber auch Zeit«, sagte Mike. Astaroth blickte ihn kurz an und senkte dann wieder den Kopf auf die Pfoten. Er antwortete nicht. Mike sah ihn eine ganze Weile geduldig an und wartete darauf, dass der Kater von sich aus das Gespräch eröffnete, aber Astaroth tat es nicht. »Also, was soll das eigentlich?«, fragte Mike schließlich. Seine Stimme - er sprach laut -verriet mehr von seiner Verärgerung, als ihm selbst bewusst war. Astaroths Ohren zuckten und wandten sich in seine Richtung, aber der Kater sah ihn nicht an. »Wenn du nur gekommen bist, um dein albernes Spielchen fortzusetzen, kannst du auch genauso gut wieder gehen«, sagte Mike. Endlich reagierte Astaroth, wenn auch nicht äußerlich.Was willst du wissen?fragte er. Mike hatte wirklich Mühe, seinen Zorn noch zu bändigen. »Ich glaube, das weißt du ziemlich genau«, erwiderte er gepresst. »Also: Ich habe getan, was du wolltest und keinem etwas gesagt, aber jetzt möchte ich allmäh
lich eine Erklärung. Wer sind diese seltsamen Wesen? Was suchen sie hier und wieso durfte ich keinem anderem etwas davon sagen? Und wieso erinnern sich Trautman und die anderen nicht an sie?«Weil sie sie nicht gesehen haben,erwiderte Astaroth. »Gesehen?!« Mike ächzte. »Sie standen genau zwischen ihnen!«Trotzdem haben sie sie nicht gesehen,beharrte Astaroth.Sie hätten ihnen die Hand schütteln können und sie hätten sie nicht gesehen!
Mike legte fragend den Kopf auf die Seite. »Ist das deine Methode, mir schonend beizubringen, dass ich spinne?«, wollte er wissen.Nein,antwortete der Kater,das ist meine Methode, dir zu erklären, dass diese Wesen nur von denen gesehen werden können, denen sie erlauben, sie zu sehen.
»Aha«, sagte Mike.Ich weiß, das klingt ein wenig seltsam,gestand Astaroth,aber es ist nun einmal so.
Es sind Geschöpfe von großer Macht und glaub mir, sie sindsehrgefährlich.»Für wen?«, wollte Mike wissen.Nicht für euch,antwortete Astaroth.Jedenfalls nicht, solange ihr ihnen nicht in die Quere kommt.
»Was sind das für Wesen?«, fragte Mike.Kann ich dir nicht erklären,erwiderte der Kater.Ich darf es nicht. Selbst wenn ich es dürfte, könnte ich es wahrscheinlich nicht einmal. Aber ihr seid nicht in Gefahr. Es gibt keinen Grund, Angst zu haben.
Mikes Meinung nach war es schon immer eine nahezu todsichere Methode gewesen, jemanden in Panik zu versetzen, indem man ihm nur nachdrücklich genug versicherte, dass er keinen Grund hatte, Angst zu haben. Außerdem verwirrte und beunruhigte ihn Astaroths seltsames Benehmen immer mehr. Der Kater unterhielt sich mit ihm, er beantwortete seine Fragen, aber Mike hatte das Gefühl, dass er genauso gut mit seinem Schrank reden konnte oder mit der Tür.
»Was ist nur los mit dir?«, fragte er. »Warum benimmst du dich so komisch?«Auch das hat seine Gründe,erwiderte der Kater geheimnisvoll. »Über die du ebenfalls nicht reden kannst«, vermutete Mike.Stimmt,sagte Astaroth. Mike sog hörbar die Luft ein. Er streckte die Hand nach Astaroth aus und für eine Sekunde musste er sich mit aller Kraft beherrschen, den Kater nicht einfach zu nehmen und ihn zu schütteln. Er unterdrückte den Impuls mühsam, aber er fuhr fort: »Das reicht mir nicht. Wenn du willst, dass ich dein Spiel mitspiele und meine Freunde belüge, dann musst du mir schon ein paar bessere Gründe dafür nennen.«Das werde ich,antwortete Astaroth,aber jetzt nicht.»Und wann?«
Sobald alles vorbei ist.
»Vielen Dank für diese präzise Auskunft«, murmelte Mike. »Es hat etwas mit Argos zu tun, richtig? Sie sind seinetwegen hier. Sind sie hinter ihm her?«Ja,gestand Astaroth.Aber warum und wer sie geschickt hat, das darf ich dir nicht sagen.
»Ich dachte, wir wären Freunde«, sagte Mike vorwurfsvoll.Bis jetzt sind wir das auch noch,erwiderte Astaroth.Und wenn du möchtest, dass es dabei bleibt, dann hör auf, zu viele Fragen zu stellen!
»Ich frage mich ja nur, auf wessen Seite du stehst.« Dasist zum Beispiel eine von den Fragen, die du nicht stellen solltest,sagte Astaroth. »Warum? Nur weil er aus Atlantis stammt und - «Er stammt nicht nur aus Atlantis,unterbrach ihn Astaroth.Er war derHerrschervon Atlantis.Erhat mich dazu ausersehen, auf seine Tochter aufzupassen, und streng genommen gehört ihm dieses Schiff.