vor uns.« Mike sah ihn fast fassungslos an. War das alles? Was war mit den Männern auf dem schwarzen Schiff, die sie verfolgten? Mit den geheimnisvollen Wesen, die er gesehen hatte? Mit den Haien, die das Schiff umgaben wie ein Rudel hungriger Wölfe ein verletztes Beutetier? Mit dem, was Argos mit Astaroth getan hatte? Argos sah ihn an, als hätte er seine Gedanken gelesen. Und es war seltsam: Plötzlich konnte Mike nichts von alledem, was ihm auf der Zunge lag, laut aussprechen. Es war nicht so, dass er es vergessen hätte oder dass Argos ihn irgendwie daran hinderte, es zu tun, aber was er in den Augen des Atlanters las, das war eine stumme Bitte und noch etwas: die Angst um das Leben seiner Freunde und der fast verzweifelte Wunsch, dass Mike nichts unternehmen oder sagen mochte, das in irgendeiner Form dazu führte, dass sie nicht gerettet wurden.Also gut,dachte Mike.Wenn Sie wirklich meine Gedanken lesen können, mache ich Ihnen einen Vorschlag: Ich werde nichts sagen oder tun. Ich werde nicht einmal eine Frage stellen, bis wir Ihre Freunde gerettet haben. Aber danach erzählen Sie uns die ganze Wahrheit. Und noch etwas - was haben Sie mit Astaroth gemacht? Dein kleiner Freund wird sich erholen, keine Angst,antwortete Argos.Ich musste seine Kräfte für eine Weile blockieren. Es ist nichts auf Dauer. In ein paar Tagen ist er wieder ganz der Alte, das verspreche ich dir.
Mike sagte nichts dazu. Er sah Argos nicht mehr an, sondern drehte sich mit einem Ruck um und ging in seine Kabine zurück, aber sosehr er es normalerweise hasste, wenn jemand in seinen Gedanken herumschnüffelte, für einen Moment hoffte er sogar, dass Argos in diesem Moment seine Gedanken las, weil er dann wusste, was ihm passieren würde, wenn er nicht Wort hielte und Astaroth nicht wieder zu dem wurde, was er einmal gewesen war.
Er erwachte am nächsten Morgen mit hämmernden Kopfschmerzen, einem schlechten Geschmack im Mund, einem Gefühl wie Blei in allen Gliedern und der verschwommenen Erinnerung an einen völlig absurden Albtraum, den er gehabt hatte. Es war dunkel in der Kabine. Die Luft roch so muffig, dass ihm davon fast schon wieder übel wurde, und Astaroth hatte sich auf seiner Brust zusammengerollt und schnarchte und nahm ihm mit seinem Gewicht fast den Atem. Mike richtete sich in eine halb sitzende Position auf, scheuchte den Kater mit einer Handbewegung davon und massierte sich die schmerzenden Schläfen. Es war kein Wunder, dass er Kopfschmerzen hatte; alles hier drin war feucht und modrig und er war fast erstaunt, dass er hier überhaupt hatte schlafen können. Da musste man ja Albträume bekommen! Astaroth maunzte, blickte ihn aus seinem einen Auge vorwurfsvoll an und wandte sich schließlich ab, als klar wurde, dass Mike ihn nicht wieder hinauf in das warme Bett lassen würde. Mike fragte sich ohnehin, wer ihn in seine Kabine gelassen hatte. Er war schon immer der Meinung gewesen, dass Katzen in Betten nichts verloren hatten. Aber im Augenblick traf das auf ihn wohl auch zu. Obwohl er sich alles andere als ausgeruht oder gar ausgeschlafen fühlte, schwang er die Füße aus dem Bett, schauderte ein wenig, als seine nackten Sohlen den eisigen, feuchten Metallboden berührten, und stand schließlich widerwillig auf. Bruchstücke seines Traumes gingen ihm noch immer durch den Kopf, während er sich flüchtig wusch und anzog. Er konnte sich nicht ganz genau daran erinnern, aber es hatte irgendetwas mit Argos zu tun gehabt und mit Trautman und
Serena ... Nein. Es hatte keinen Zweck. Immer wenn er versuchte, die Bilder mit Gewalt heraufzubeschwören, schien er eher das Gegenteil zu erreichen. Er verließ die Kabine, wandte sich nach links und schlurfte in Richtung Salon los. Das Schiff war bereits vom Hämmern und Lärmen der anderen erfüllt, die offensichtlich schon bei der Arbeit waren. Und manchmal glaubte er ein sachtes Zittern zu spüren, das durch den Boden lief; so, als versuche die NAUTILUS, vom Meeresgrund abzuheben, schaffte es aber nicht. Wie es aussah, hatte er wirklich sehr lange geschlafen. Als er den Salon erreichte, sah er auf dem großen Kartentisch die Reste des Frühstücks stehen, das die anderen bereits eingenommen hatten. Nur zwei Gedecke waren unberührt. Mike nahm vor einem davon Platz, goss sich eine Tasse mit längst kalt gewordenem Tee ein und überlegte einen Moment, ob er überhaupt frühstücken sollte. Er hatte keinen Hunger und seine Kopfschmerzen wollten nicht besser werden. Andererseits stand ihm wieder ein anstrengender Tag bevor. Etwas berührte seine Beine. Mike sah an sich herab und erblickte Astaroth, der mit starr aufgestelltem Schwanz und lautstark maunzend um seine Beine strich und ihn immer wieder mit dem Kopf anstieß. »Was willst du, alter Mäusefänger?«, fragte er. »Du weißt doch, dass du nicht am Tisch betteln sollst.« Astaroth miaute herzzerreißend, aber Mike widerstand der Versuchung, die Hand auszustrecken, um ihm eine Scheibe Wurst oder ein Stück Fleisch zuzuwerfen. Wenn er den Kater einmal daran gewöhnte, vom Tisch gefüttert zu werden, würde er in Zukunft nie wieder eine Mahlzeit in aller Ruhe einnehmen können. »Verschwinde«, sagte er. Als Astaroth nicht sofort darauf reagierte, schob er ihn mit dem Fuß ein Stück weit von sich fort. Astaroth miaute noch lauter, gab es aber dann endlich auf und lief zur Tür. Der Grund für seinen plötzlichen Sinneswandel war Serena, die in diesem Moment hereinkam und ein erfreutes Gesicht machte, als sie Mike sah. »Oh, hallo, Mike«, sagte sie. »Du bist wach, schön. Ich wollte dich gerade wecken.« »Das hättest du schon vor einer Stunde tun sollen«, antwortete Mike mit einem bezeichnenden Blick auf den Tisch und das benutzte Frühstücksgeschirr. »Ich glaube, ich habe verschlafen.«
Serena lächelte, bückte sich und nahm Astaroth auf die Arme, bevor sie weitersprach und dabei auf ihn zu kam: »Eher zwei«, sagte sie. »Trautman und Singh sind schon das zweite Mal draußen. Sie wollen heute unbedingt mit den Schweißarbeiten fertig werden.« Mike erschrak. »So lange habe ich geschlafen? « »Du hattest es auch nötig«, antwortete Serena. Sie setzte sich zu ihm an den Tisch. Astaroth, der es sich auf ihren Armen bequem gemacht hatte, maunzte und miaute immer aufgeregter, so dass Serena ihn gedankenverloren mit der Hand zwischen den Ohren zu kraulen begann. Der Kater beruhigte sich trotzdem nicht. »Was hat er denn?«, fragte Mike. Serena hob die Schultern. »Keine Ahnung«, sagte sie. »Vielleicht geht es ihm nicht anders als uns oder gefällt es dir etwa, hier eingesperrt zu sein und nicht hinaus zu können?« »Es ist ja nicht mehr für lange«, sagte Mike. »Falls Argos -« Er verbesserte sich: »Fallsdein VaterWort hält und uns tatsächlich zu einer Werft bringt, auf der die NAUTILUS überholt werden kann. Wo ist er überhaupt?« »Ich habe ihn gerade geweckt«, antwortete Serena. »Dann bin ich nicht der Einzige, der verschlafen hat?« »Trautman hat uns schärfstens verboten, euch zu wecken«, antwortete Serena ernst. »Ihr beide habt gestern mehr gearbeitet als alle anderen zusammen in einer ganzen Woche. Zwei Stunden Extra-Ruhe habt ihr euch wirklich verdient.« Mike blickte Serena verwirrt an. Er konnte sich nicht erinnern, gestern mehr als die anderen gearbeitet zu haben, und Argos hatte in den vergangenen beiden Wochen praktisch keinen Finger gerührt. Er hatte -Etwas wie ein unsichtbarer stählerner Besen fegte durch Mikes Kopf und ließ den Gedanken verschwinden. Eine Sekunde lang wunderte er sich noch über