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sich selbst, dass er solch einen Unsinn dachte, und in der nächsten Sekunde hatte er selbst das vergessen. Außerdem kam Argos genau in diesem Moment herein und sah tatsächlich sehr müde und abgespannt aus. Seine Schultern hingen schlaff nach vorne, unter seinen Augen befanden sich tiefe, dunkle Ringe und seine Haut wirkte sehr blass. Als er am Tisch Platz nahm und nach der Kaffeekanne griff, zitterten seine Hände ganz leicht. Astaroth fauchte, zeigte dem Atlanter sein Gebiss - und war mit einem Sprung von Serenas Schoß herunter und verschwand aus dem Salon. Serena sah ihm stirnrunzelnd nach. »Was hat er denn?« »Ich bin ihm gestern versehentlich auf den Schwanz getreten«, sagte Argos. Auch seine Stimme klang müde. »Wahrscheinlich kann er mir das nicht verzeihen.« »Er beruhigt sich schon wieder«, sagte Mike. »Katzen sind nicht besonders nachtragend.« Sie frühstückten eine Weile schweigend, bis Trautman und Singh hereinkamen und sich zu ihnen gesellten. Mike erschrak, als er Trautman erblickte. Er wirkte um zehn Jahre gealtert. Auch seine Haut war blass und auch seine Hände zitterten etwas; trotzdem machte er einen zwar erschöpften, aber durchaus zufriedenen Eindruck. »Wie geht es mit der Arbeit voran?«, erkundigte sich Argos. »Gut«, antwortete Trautman. »Singh und ich werden eine Stunde ausruhen und dann wieder nach draußen gehen. Mit ein wenig Glück sind wir heute Abend fertig.« Er drehte den Kopf und sah Mike an. »Du siehst nicht gut aus«, sagte er geradeheraus. »Ich habe nicht besonders geschlafen«, antwortete Mike. »Ich hatte einen verrückten Traum.«Einen Traum, in dem Argos und Trautman eine wichtige Rolle spielten ebenso wie der Kater und ein seltsames Wesen - halb Mensch, halb Fisch, das ihm mit Händen zugewinkt hatte, zwischen deren Fingern sich Schwimmhäute spannten

und dessen Gesicht aussah wie das eines Haifisches, der versucht hatte, sich in einen Menschen zu verwandeln ...

Er verscheuchte die bizarren Bilder, die aus seinem Unterbewusstsein heraufsteigen wollten. »Außerdem habe ich rasende Kopfschmerzen«, fügte er hinzu. Trautman nickte. »Die haben wir alle«, sagte er. »Irgendetwas scheint mit der Luftversorgung nicht zu stimmen. Es wird wirklich allmählich Zeit, dass wir auftauchen können.« Er wandte sich an Argos. »Ich möchte Ihnen jetzt auf der Karte die Stelle zeigen, an der der Frachter gesunken ist.« Argos nickte und Trautman stand auf und ging zum Kartenschrank. Das zusammengerollte Blatt, mit dem er zurückkam, war wie alles hier: halb aufgeweicht, eingerissen und mit großen, hässlichen Wasserflecken versehen. Trautman räumte eine Ecke des Tisches frei, breitete die Karte aus und beschwerte die vier Ecken mit leeren Tassen und einer Zuckerdose. Dann senkte er den Finger auf eine Stelle, die ihre jetzige Position markierte. »Wir sind hier«, sagte er. »Wenigstens ungefähr. Die Insel ist auf der Karte nicht eingezeichnet, deshalb kann ich nur schätzen. Aber das Schiff mit Ihren Freunden liegt genau ...« Sein Finger folgte einer imaginären, in willkürlichem Zickzack über die Karte führenden Linie und verharrte auf einem Punkt, der ebenso wenig vorhanden war wie der, auf den er gerade gedeutet hatte. »... dort. Ich weiß allerdings nicht, in

welcher Tiefe.« »Ungefähr viertausend Meter«, sagte Argos.

Trautman sah ihn überrascht an. »Woher wissen Sie

das?« »Weil ich diese Gegend des Meeres kenne«, erwiderte Argos. »Nach allem, was Sie erzählt haben, kommt nur eine einzige Stelle in Frage. Die Klippe, von der das Wrack geglitten ist, gehört zu einem Unterwasser-Riff.

Der Meeresgrund liegt dort fast viertausend Meter unter der Oberfläche.« »Schaffen wir das?«, fragte Singh besorgt. »Das Schiff hält es aus«, versicherte Argos. »Es ist für weitaus größere Tiefen gebaut. Und ich habe vollstes Vertrauen in Ihre Fähigkeiten. Wenn jemand das Schiff reparieren kann, dann Trautman und Sie. Aber sie sollten sich jetzt an die Arbeit machen. In ein paar Stunden können wir sicher auftauchen und dann können Sie sich die wohlverdiente Ruhe gönnen.« Vor Mikes fassungslos aufgerissenen Augen erhoben sich Singh und Trautman ohne den geringsten Widerspruch, drehten sich herum und verließen den Salon und das, obwohl sie vor nicht einmal zwei Minuten so erschöpft gewesen waren, dass sie kaum noch in der Lage zu sein schienen, aus eigener Kraft zu stehen. Mike blickte ihnen kopfschüttelnd nach, dann drehte er sich wieder zu dem Atlanter herum und blickte direkt in Argos' Augen und im selben Moment, in dem er es tat, sah er natürlich auch ein, dass dieser vollkommen Recht hatte. Die NAUTILUS war eben kein normales Schiff, das mit normalen Maßstäben zu messen war. Sie würde selbst in dem erbärmlichen Zustand, in dem sie sich momentan befand, noch zehnmal tiefer tauchen als jedes andere Unterseeboot auf der Welt. Und Trautmann und Singh konnten sich tatsächlich später lange genug ausruhen -wenn sie erst einmal wieder oben an der Wasseroberfläche waren. »Du solltest dir auch noch ein wenig Ruhe gönnen, Junge«, sagte Argos. »Du siehst wirklich nicht gut aus.« Als wären diese Worte ein Signal gewesen, wurden Mikes Kopfschmerzen schlagartig schlimmer und er fühlte, wie die Müdigkeit zurückkam, als hätte er die ganze Nacht nicht geschlafen. Er stimmte Argos innerlich zu; schlechtes Gewissen hin oder her, in dem Zustand, in dem er sich befand, war er für die anderen im Moment keine Hilfe, sondern eine Belastung.

Und trotzdem hinderte ihn irgendetwas, aufzustehen und wieder in seine Kabine zurückzugehen. Er konnte das Gefühl selbst nicht begründen, doch er fürchtete sich fast davor, einzuschlafen. Vielleicht weil er Angst hatte, dann wieder zu träumen. Und auch wenn er sich immer noch nicht genau an seinen Traum erinnerte, so war doch allein dasGefühl,das er zurückgelassen hatte, schlimm genug, um keinen Wunsch nach einer Fortsetzung in Mike zu wecken. »Ich werde schon irgendetwas finden, womit ich mich nützlich machen kann«, sagte er. Als er Serenas Stirnrunzeln bemerkte, fügte er hinzu: »Etwas Leichtes.« »Gut«, sagte Argos und stand auf. »Ich gehe in den Maschinenraum und sehe nach, ob ich dort etwas tun kann.« Er schlurfte gebückt zur Tür. Jede seiner Bewegungen drückte Müdigkeit und Erschöpfung aus und Mike fiel abermals auf, wie mitgenommen und ausgezehrt der Atlanter wirkte. Er hatte in den letzten Tagen einfach zu viel gearbeitet. Mike konnte das verstehen. Argos wollte - wie sie alle - möglichst schnell von hier verschwinden, aber er hatte noch einen anderen, vielleicht noch dringenderen Grund: die Sorge um seine Freunde, die in dem Schiffswrack auf dem Meeresboden lagen. »Du solltest besser auf meinen Vater hören und dich noch ein bisschen hinlegen«, sagte Serena, nachdem Argos sie allein gelassen hatte. Mike schüttelte den Kopf, empfand aber gleichzeitig ein Gefühl von warmer Dankbarkeit, dass sich Serena um ihn sorgte. »Es ist schon gut«, sagte er. »Ich werde es nicht übertreiben. Keine Angst.« Sie antwortete nicht, aber ihr Blick machte sehr deutlich, was sie von dieser Behauptung hielt. Nach einigen Sekunden stand sie auf und begann wortlos das benutzte Geschirr abzuräumen. Mike sah ihr ebenso wortlos eine Weile dabei zu, dann erhob auch er sich und verließ den Salon.

Das Hämmern und Klingen wurde lauter, als er auf den Gang hinaustrat. Er ging schneller, lief die Metalltreppe hinunter - und stolperte über ein schwarzes Fellbündel, das auf der untersten Stufe lag und protestierend maunzte. Im letzten Moment streckte Mike die Hand aus und fand am Geländer Halt, so dass er nicht stürzte, aber er schickte Astaroth einen Fluch und einen bösen Blick hinterher, die der Kater mit einem noch zornigeren Fauchen quittierte. Gleichzeitig war er aber auch klug genug, sich hastig ein paar Meter weiter zurückzuziehen. »Blödes Vieh!«, murmelte Mike. Er holte mit dem Fuß aus, als wollte er nach dem Kater treten, und hielt dann überrascht mitten in der Bewegung inne. Was war nur mit ihm los? Der Kater ging ihm manchmal auf die Nerven - und in letzter Zeit ganz besonders -, aber er hatte ihn niemals geschlagen, geschweige denngetreten.Astaroth sah ebenfalls - so weit das bei einem Tier möglich war - ziemlich verwirrt drein. Mike entschuldigte sich in Gedanken bei dem Kater, konnte gerade noch den Impuls unterdrücken, es auch laut zu tun, und ging kopfschüttelnd weiter. Vielleicht hätte er auf Trautmans Rat hören und sich wieder hinlegen sollen. Seine Kopfschmerzen wurden immer schlimmer und er fühlte sich irgendwie ... unwirklich. Auch als er Ben, Juan und Chris erreichte, wurde es nicht besser. Die drei waren mit ihrer Arbeit überraschend gut vorangekommen: Vor dem geschlossenen Sicherheitsschott, das die Wassermassen am Eindringen in die NAUTILUS hinderte, befand sich nun eine zweite, nicht besonders ansehnlich aussehende, aber äußerst massive Trennwand aus zentimeterdicken Stahlplatten, die die drei mit stabilen Trägern abgestützt und verschweißt hatten. Wenn man bedachte, wie weit sie gestern mit ihrer Arbeit gewesen waren, dann hatten sie eigentlich allen Grund, stolz zu sein. Sie sahen jedoch einfach nur müde aus.