Moment direkt in die Gesichter der Menschen hinter der Glasscheibe zu starren und Mike glaubte etwas darin zu erkennen, das ihn schaudern ließ. Dann schwenkte das Tier herum und setzte zu einem zweiten, wütenden Angriff an. Diesmal waren sie vorbereitet und fanden alle irgendwo festen Halt, aber die NAUTILUS erzitterte noch heftiger unter dem Anprall und wie zur Antwort lief ein langes, metallisches Stöhnen durch den Schiffsrumpf, das
ihnen allen einen eiskalten Schauer über den Rücken jagte. »DasWrack!«,schrie Trautman. »Er greift das Wrack an!« Er fuhr herum und rannte zum Steuerpult. Singh und Juan folgten ihm, während Mike und die anderen mit klopfendem Herzen gebannt weiter aus dem Fenster sahen. Der Riesenhai war für einen Moment aus ihrem Blickfeld verschwunden, aber Mike zweifelte nicht daran, dass er nur Kraft für einen neuen Angriff sammelte. Serena klammerte sich angstvoll an ihn. Ihre Finger gruben sich so tief in seinen Arm, dass es weh tat, aber er verbiss sich jeden Laut und griff stattdessen nach ihrer Hand. »Da kommt er wieder!«, schrie Ben. Trautman nickte nervös, bediente hastig ein paar Schalter und schlug dann mit der geballten Faust auf einen weiteren. Die NAUTILUS machte einen regelrechten Satz nach oben und als der riesige, schwarzsilberne Schemen diesmal unter ihnen vorbeischoss, blieb der erwartete Anprall aus. Das Schiff selbst aber antwortete mit einer Reihe klagender wie bedrohlich klingender Geräusche auf diese grobe Behandlung und Mike warf einen besorgten Blick zu Trautman zurück. Sie konnten in diesem Tempo unmöglich weiter steigen, das würde nicht einmal die NAUTILUS aushalten! Und der Hai setzte bereits zu einem weiteren Angriff an. Als er diesmal gegen das Wrack prallte, das unter dem Boden der NAUTILUS hing, schwankte das ganze Schiff hin und her und erbebte unter einem peitschenden Schlag. Eines der Kabel war gerissen. »Nein!«, flüsterte Serena. »Das darf nicht sein! Vater!« »Das schaffen wir nicht«, sagte Trautman. »Singh! Juan! Ihr übernehmt das Ruder! Versucht dem Biest irgendwie auszuweichen! Ben, Mike - ihr kommt mit mir!« Mike und Ben wandten sich gehorsam um und liefen hinter Trautman her, der bereits aus dem Salon stürmte. Auch Serena wollte sich ihnen anschließen, aber Trautman machte eine rasche, befehlende Geste, woraufhin sie zur allgemeinenÜberraschung zurückblieb und wieder ans Fenster trat. »Was haben Sie vor?«, fragte Mike, während sie durch den Gang zur Treppe hin stürmten. »Das weiss ich selbst noch nicht genau«, antwortete Trautman. »Aber wir müssen etwas tun. Noch zwei oder drei solcher Treffer und das ganze Wrack bricht auseinander.« Sie erreichten das Ende der Treppe und erst als Trautman sich nach links wandte, begriff Mike, dass sie auf dem Weg zur Tauchkammer waren. Was um alles in der Welt hatte Trautman vor? Er konnte doch unmöglich ins Wasser hinabsteigen wollen! Sie erreichten die Schleuse. Trautman schleuderte noch im Laufen seine Schuhe von sich, riss einen der schweren Taucheranzüge vom Haken und befahl Ben und Mike, ihm beim Anziehen behilflich zu sein. Als Mike ihm eine der Sauerstoffflaschen reichen wollte, schüttelte er den Kopf. »Die brauche ich nicht«, sagte er.
»Aber die Luft im Anzug reicht höchstens für drei oder vier Minuten«, protestierte Ben, doch Trautman schnitt ihm mit einer Geste das Wort ab. »Mehr Zeit werde ich nicht brauchen«, erwiderte er. Während er nach dem schweren Helm griff, wandte er sich an Mike und fragte: »Glaubst du, dass Argos noch unsere Gedanken liest?« Mike zuckte mit den Schultern. »Ich weiß es nicht«, antwortete er. »Dann bete, dass er es tut«, sagte Trautman düster. »Denn sonst ist er in ein paar Minuten tot.« Er stülpte den Helm über, verriegelte die Verschlüsse und riss mit einer ungeduldigen Bewegung die innere Tür der Schleusenkammer auf. Ohne weitere Erklärung trat er hinein, zog die Tür hinter sich zu und betätigte den Schalter, der den Raum flutete. »Aber was hat er denn vor?«, fragte Ben kopfschüttelnd. Mike konnte nur erneut mit den Schultern zucken. Er hatte nicht die leiseste Ahnung, was Trautman vorhatte. In diesem Moment erzitterte die NAUTILUS unter einem weiteren, krachenden Schlag. Der Tiefseehai setzte seine Angriffe beharrlich fort. Bei der enormen Größe des Tieres, das sie durch das Fenster gesehen hatten, wunderte es Mike beinahe, dass das Wrack an seinen Stahlseilen nicht schon längst auseinandergebrochen war. Aber mehr als zwei oder drei weiterer solcher Treffer würde es bestimmt nicht aushalten. Ben und er pressten die Gesichter gegen die dicke Glasscheibe, durch die sie ins Innere der Schleusenkammer blicken konnten. Das Wasser hatte bereits die Decke erreicht und Trautman betätigte den Schalter, der die äußere Tür öffnete. Sie war noch nicht einmal halb auf, da schoss der erste Hai herein: ein armlanges Geschöpf, das sich sofort wütend in Trautmans Anzug verbiss und daran zerrte, bis Trautman ihm einen Faustschlag auf die Nase versetzte, woraufhin es sich benommen zurückzog. Aber schon drängte ein weiterer Hai herein und dann ein dritter und vierter - und dann riss Ben erstaunt die Augen auf und ließ einen kleinen, überraschten Schrei hören. Eingezwängt in einen lebenden Mantel aus schlanken, silbergrauen Körpern, die sich an zahllosen Stellen in seinen Anzug verbissen hatten, zog sich Argos in die Schleusenkammer. Ein besonders großer Hai hatte sich in seinem rechten Bein verbissen und zerrte und riss mit aller Kraft daran, so dass es Argos nicht gelang, sich ganz in das Schiff hineinzuziehen. Selbst auch dann nicht, als Trautman zugriff und ihm zu helfen versuchte. Schließlich drehte sich Trautman halb herum, hielt sich mit beiden Händen an den Türkanten fest und versetzte dem Hai zwei, drei wuchtige Tritte gegen die Schnauze, bis er endlich losließ. Doch die Gefahr war noch nicht vorüber. Schon schossen weitere Haie heran. Und hinter dem Gewirr aus lebenden Körpern glaubte Mike einen kolossalen Schatten zu erkennen, der sich rasend schnell näherte. Es ging buchstäblich um Sekundenbruchteile. Die Haifische ließen plötzlich von Argos und Trautman ab und stoben in alle Richtungen auseinander. Hinter ihnen klaffte ein Maul auf, in dem ein erwachsener Mann bequem hätte liegen können, und jagte auf das Schiff zu. Trautman warf sich mit einer verzweifelten Bewegung zurück und zerrte Argos dabei mit sich und dann prallte der Riesenhai mit Urgewalt gegen die Flanke der NAUTILUS. Diesmal war es, als ob das Schiff vor Schmerz aufschrie. Ein helles, metallisches Kreischen dröhnte in Mikes Ohren und die Erschütterung war so stark, dass Ben und er an die gegenüberliegende Wand geschleudert wurden und zu Boden fielen. In der fingerdicken Scheibe, die in der Tür zur Schleusenkammer eingelassen war, erschien ein gezackter Riss und dem ersten, gellenden Kreischen des Schiffsrumpfes folgte ein langanhaltendes, mahlendes Stöhnen und Knacken.