die Herzen der Eingeborenen im Sturm erobert und waren schon nach wenigen Tagen zu den erklärten Lieblingen des Stammes geworden. Wenn man sie zwischen den Menschen der Insel sah, die allesamt groß, sonnengebräunt und den Nachkommen der südamerikanischen Indianer sehr ähnlich waren, konnte man das gut verstehen: Serena mit ihrer hellen Haut, den großen, dunklen Augen und dem goldblonden Haar musste ihnen wie eine Fee erscheinen; einer Gestalt aus ihren Legenden und Mythen ähnlicher als einem lebendem Menschen. Und dazu kam ihr immer freundliches Wesen, das Mike nun, als sie allesamt dem unheilvollen Einfluss des Sternenschiffes entkommen waren, noch viel mehr auffiel als sonst. Niemand konnte übersehen, dass Serena etwas Besonderes war.Aber du bist nicht eifersüchtig, wie?spöttelte Astaroths Stimme in seinen Gedanken. Mike fuhr unmerklich zusammen und hielt nach dem Kater Ausschau, konnte ihn aber nirgendwo entdecken. Vermutlich war er draußen geblieben, um wie üblich mit den Kindern zu spielen. Keiner der Eingeborenen wusste, was dieser Katerwirklichwar, und so war es nicht erstaunlich, dass er sie immer wieder verblüffte schließlich konnte er ihre Gedanken lesen und wusste so stets genau, was sie von ihm erwarteten. »Vater!« Serena eilte auf Argos zu und schloss ihn kurz, aber sehr heftig in die Arme und Mike ertappte sich erneut dabei, einen scharfen Stich der Eifersucht zu spüren. Er sah rasch weg und Astaroth war zumindest diesmal diplomatisch genug, keinen seiner berüchtigten Kommentare dazu abzugeben, aber er begann sich einzugestehen, dass der Kater vermutlich Recht hatte: Erwareifersüchtig. »Mein Kind!« Argos schob Serena auf Armeslänge von sich fort und betrachtete sie lächelnd. »Wie ist es dir ergangen? Was hast du den ganzen Tag gemacht?«
»Wir haben das Fest vorbereitet«, antwortete Serena. »Das Fest?« Argos runzelte flüchtig die Stirn, dann hellte
sich sein Gesicht auf. »Oh, ich verstehe.« »Ich nicht«, sagte Mike und auch die anderen blickten verwirrt drein. »Sie geben heute Abend ein Fest zu unseren Ehren«, erklärte Argos. »Heute ist Vollmond. In ihrer Religion spielt der Mond eine wichtige Rolle und wie es der Zufall eben wollte, bin ich genau beim letzten Vollmond auf diese Insel gekommen.« »Ach, und jetzt halten sie Sie für eine Art Gott, wie?«, fragte Mike. Der hämische Ton in seiner Stimme überraschte ihn selbst. Argos sah beleidigt drein, Serena runzelte die Stirn und auch die anderen blickten ihn verstört an. Mike hatte von der ersten Sekunde an keinen Hehl daraus gemacht, dass er Serenas Vater wohl nie als seinen Freund betrachten würde. Eine so offene Feindseligkeit wie jetzt aber hatte er noch nie an den Tag gelegt. Argos sah ihn an, lächelte -und dieses Lächeln hatte eine seltsame Wirkung auf Mike. Mit einem Male schämte er sich seiner eigenen Worte und vor allem seiner Gefühle Argos' gegenüber. Und als hätte der Atlanter diesen Gedanken gelesen, wurde sein Lächeln eine Spur wärmer und herzlicher. Mike gestand sich ein, dass das meiste wohl doch seine Schuld gewesen war. Wie sie alle war er nervös. Er war unzufrieden, weil die Reparaturarbeiten an der NAUTILUS nicht so voranschritten, wie sie alle es gerne gehabt hätten. Er entschuldigte sich in Gedanken noch einmal bei Serenas Vater und nahm sich fest vor, in Zukunft etwas mehr auf seine eigenen Gefühle Acht zu geben - und vor allem auf das, was er sagte. »Vielleicht ist es gar keine so schlechte Idee, einmal einen Abend nicht zu arbeiten«, sagte Trautman plötzlich. »Ein kleines Fest wird uns sicher gut tun. Heute können wir sowieso nichts mehr ausrichten. Die Pumpen arbeiten von selbst und darüber hinaus wird es bald dunkel.« Niemand widersprach, aber die allgemeine Begeisterung hielt sich auch in Grenzen. Keiner von ihnen hatte etwas gegen eine Feier einzuwenden oder einen freien Abend. Und trotzdem wusste Mike, dass nicht nur er allein den Wunsch verspürte, so schnell wie nur möglich von hier wieder wegzukommen.
Einige Stunden später saß Mike missmutig auf einem Stein, drehte einen an einem Stock aufgespießten Fisch über dem Feuer und blickte Serena und Argos an, die vertraut aneinandergekuschelt auf der anderen Seite der Feuerstelle saßen. Das Fest war nahezu vorüber. Die Eingeborenen hatten sich wirklich Mühe gegeben: Sie hatten Musik gemacht, einige Tänze aufgeführt und waren bis spät in die Nacht so fröhlich und ausgelassen gewesen, wie Mike sie bisher noch nie erlebt hatte. Auch die anderen hatten sich königlich amüsiert, ihm selbst war es nicht gelungen, die rechte Begeisterung zu entwickeln. Er hatte sich wirklich Mühe gegeben, schon, um Serena nicht zu enttäuschen, die zwar nichts gesagt hatte, ihn aber auf eine Art ansah, die klarmachte, dass sie seine niedergeschlagene Stimmung durchaus spürte. Aber es hatte nichts genutzt. Ihm war nicht nach Feiern zumute und so hatte er sich schließlich ein wenig von den anderen abgesondert, um ihnen mit seiner miesepetrigen Laune nicht auch noch die Stimmung zu verderben. Schließlich - Mitternacht musste längst vorüber sein - hatten sich die meisten Eingeborenen in ihre Hütten zurückgezogen und auch Trautman, Singh und Juan waren schlafen gegangen, so dass außer Mike selbst nur noch Ben, Chris, Serena und ihr Vater sowie eine Handvoll Eingeborener übrig geblieben waren, die sich an ihrem selbstgebrauten Wein gütlich taten, dabei immer lauter wurden und offenbar entschlossen schienen, bis zum Morgen durchzumachen. Mike selbst war nicht nach Schlafen zumute. Er war nicht im Geringsten müde. Schließlich stand er auf, warf den Stock mitsamt des halb gebratenen Fisches ins Feuer und verließ mit schnellen Schritten den Festplatz. Er war so sehr in seine trüben Gedanken versunken, dass er gar nicht richtig registrierte, wohin ihn seine Schritte trugen und wie viel Zeit verging. So war er nicht schlecht erstaunt, als er plötzlich statt der nächtlichen Geräusche des Waldes und des Raunens des Windes in den Baumwipfeln einen anderen, wenn auch fast ebenso vertrauten Laut hörte; ein seidiges, weiches und trotzdem sehr machtvolles Geräusch: das Rauschen der Brandung. Ohne dass er sich des Umstandes selbst bewusst gewesen wäre, hatten ihn seine Schritte wieder zum Strand hinuntergetragen und damit dorthin, wo die NAUTILUS lag. Mike wollte schon kehrtmachen und zum Lager zurückgehen, aber dann zuckte er mit den Schultern und ging die letzten Schritte bis zum Waldrand hinunter. Auf eine Minute mehr oder weniger kam es jetzt auch nicht mehr an und so konnte er sich wenigstens davon überzeugen, ob die Pumpen richtig arbeiteten oder nicht. Wenn alles gut gegangen war, dann musste der Turm der NAUTILUS jetzt schon ein gutes Stück weiter aus dem Wasser herausschauen als am Abend. Vielleicht konnte er wenigstens mit einer guten Nachricht ins Lager zurückkehren. Entschlossen legte er die letzten Schritte zum Waldrand zurück, trat auf den Strand hinaus und blieb wie angewurzelt stehen. Um es kurz zu machen: Die Pumpenhattengut gearbeitet. Sehr viel besser sogar, als Mike es sich in seinen kühnsten Träumen erhofft hätte ... Mike stand mit offenem Mund da und blickte fassungs los auf das Meer herab; genauer gesagt, auf die NAUTI-LUS, die dicht vor der Küste lag. Sie war aufgetaucht. Im Licht des Vollmondes, der von einem wolkenlosen Himmel herabschien, war das Schiff fast so deutlich zu erkennen, als würde es von einem starken Scheinwerfer angestrahlt. Die NAUTILUS lag ganz normal im Wasser, vielleicht dass sie noch ein wenig Schlagseite hatte, aber keinen Deut tiefer als sonst. Und das war vollkommen unmöglich! Mike klappte den Mund wieder zu, machte einen weiteren Schritt auf den Strand hinaus und blieb wieder stehen. Seine Gedanken begannen zu rasen. Was er sah, war vollkommen ausgeschlossen. Das Schiff war fast zur Hälfte voll Wasser gelaufen und er kannte die Kapazität der Pumpen, die Trautman angeschlossen hatte. In den wenigen Stunden, die seither vergangen waren,konntedie NAUTILUS unmöglich so weit wieder aufgetaucht sein! Langsam ging Mike weiter den Strand hinunter, bis er bis zu den Knöcheln im Wasser stand und wieder stehen blieb. Der Anblick blieb derselbe: majestätisch und ehrfurchtgebietend, denn die NAUTILUS war nicht nur ein fantastisches, sondern auch ein riesiges Schiff mit an die hundert Metern Länge, zugleich aber auch auf sonderbare Weise beunruhigend, fast unheimlich. Irgendetwas stimmte hier nicht. Etwas ging hier nicht mit rechten Dingen zu. Aber was? Sein Verstand riet ihm, so schnell wie möglich ins Dorf zurückzulaufen und Trautman und die anderen zu holen und sicherlich wäre das auch das Vernünftigste gewesen, aber er war viel zu verwirrt und zugleich gebannt von dem, was er sah, um vernünftig zu sein. Aber vielleicht gab es ja eine andere Lösung ... Mike konzentrierte sich und rief in Gedanken nach Astaroth. Wenn es ihm gelang, den Kater zu erreichen, konnte dieser vielleicht die anderen alarmieren. Er