hinter ihm zurück und hier unten hatte niemand eine Lampe brennen lassen, so dass er heilfroh war, die Taschenlampe bei sich zu haben. Trotzdem war es ein unheimliches Gefühl, bei fast vollkommener Dunkelheit durch das Schiff zu gehen. Der kleine, scharf abgegrenzte Kreis beinahe weißer Helligkeit, der vor ihm über den Boden tanzte wie ein leuchtender Gummiball, machte es nicht besser, sondern eher schlimmer, denn er schien die Finsternis ringsum eher noch zu betonen, anstatt sie zu verscheuchen. Und da war noch das Geräusch der Pumpen. Mike war jetzt sicher, dass es sich verändert hatte. Er konnte den Unterschied nicht wirklich in Worte fassen, aber er war da. Es klang anders als am Nachmittag. Er stieg die nächste Treppe hinab und hier waren die Spuren des eingedrungenen Meeres schon deutlich zu sehen: Auf dem Boden stand noch immer eine knöcheltiefe Wasserschicht und selbst von der Decke tropfte und rieselte es. Hier und da hatte das Meer Tang und tote Fische zurückgelassen. Allein bei der Vorstellung, wie lange sie brauchen wurden, um das Schiff wieder sauber zu bekommen, wurde Mike ganz anders ... Er erreichte den Durchgang zum Maschinenraum und blieb wie angewurzelt stehen. Da war ein Geräusch. Mike raffte all seinen Mut zusammen, drehte sich blitzschnell herum und hob die Lampe. Der weiße Kegel stach wie eine Lanze aus Licht durch die Dunkelheit vorihm. Doch da war nichts. Im hellen Schein der Taschenlampe erkannte er nichts als feuchtes Metall und Wasser. Mit klopfendem Herzen schwenkte er die Lampe ein paarmal hin und her, ohne irgendetwas zu erkennen. Er war allein. Und auch das Geräusch wiederholte sich nicht. Trotzdem war Mike vollkommen sicher, es sich nicht eingebildet zu haben. Es war ein Plätschern gewesen. Ein Laut, als fiele ein schwerer Körper ins Wasser. Der Scheinwerferkegel der Taschenlampe richtete sich zitternd auf die Tür vor ihm. Dahinter lag die Tauchkammer, durch die sie die NAUTILUS verlassen konnten, auch wenn sie sich tief unter Wasser befanden. Er hob die Hand, streckte sie nach dem Griff aus und senkte sie wieder. Plötzlich hatte er Angst. Es war, als flüsterte ihm eine unhörbare Stimme zu, dass er diese Tür besser nicht öffnen sollte, wenn er nicht wollte, dass etwas Furchtbares geschähe. »Unsinn!«, murmelte Mike. Seine Stimme klang in der Dunkelheit so fremd und verzerrt, dass es ihm einen eisigen Schauer über den Rücken jagte. Trotzdem hob er erneut die Hand und näherte sich der Tür und diesmal öffnete er sie. Er war auf alles gefasst.
Der Raum hinter der schmalen Metalltür war so leer wie der davor. Alles, was der Schein der Taschenlampe erhellte, waren die runde Tauchkammer und das Gestell mit den Unterwasseranzügen an der gegenüberliegenden Wand. Langsam ließ er den Lichtstrahl durch den Raum gleiten und senkte ihn schließlich. In der Mitte der Tauchkammer befand sich ein ebenfalls runder, wuchtiger Metalldeckel, der den Raum wasserdicht abschloss. Jetzt stand er offen. Der Strahl der Taschenlampe fiel ungehindert hindurch und verlor sich erst nach zwei oder drei Metern im kristallklaren Wasser der Karibik. Mike konnte spüren, wie sich jedes einzelne Haar auf seinem Kopf aufrichtete. Jetzt war er sicher, dass jemand an Bord der NAUTILUS gewesen war, der hier nichts zu suchen hatte. Es war ganz und gar unmöglich, dass irgendeiner von ihnen die Kammer offen gelassen hatte. Jemand war hier gewesen und er hatte das Schiff auf diesem Wege verlassen. Vermutlich sogar erst vor wenigen Augenblicken. Zweifellos hatte der Eindringling ihn gehört oder das Licht seiner Taschenlampe gesehen und die Flucht auf diesem Wege angetreten. Das musste das Geräusch gewesen sein, das er gehört hatte. Mike richtete sich wieder auf, hob die Lampe und ließ den Strahl ein zweites Mal über die Taucheranzüge gleiten, die an der gegenüberliegenden Wand hingen. Es waren sieben. Keiner fehlte. Diese Erkenntnis versetzte Mike in leises Erstaunen. Immerhin befand sich die Tauchkammer unter dem Rumpf der NAUTILUS. Um auf diese Weise aus dem Schiff und auch noch lebend zur Oberfläche hinaufzukommen, musste der Eindringling entweder ein ganz besonders guter Schwimmer sein -oder ganz besonders leichtsinnig. Aber egal, wie -er war fort und Mike musste dafür sorgen, dass er nicht zurückkehren konnte; wenigstens nicht auf demselben Weg, auf dem er gegangen war. Rasch legte er die Taschenlampe neben sich auf den Boden, ließ sich in die Hocke sinken und streckte die Hände nach dem Lukendeckel aus, um die Tauchkammer wieder zu verschließen. Er kam nicht dazu, die Bewegung zu Ende zu führen. Hinter ihm erklang plötzlich ein feuchtes, schweres Platschen und er sah einen verzerrten Widerschein auf der Wasseroberfläche. Hastig versuchte er sich wieder aufzurichten, verlor durch seine eigene Bewegung den Halt und stürzte nach vorne. Doch während er fiel, drehte er sich halb herum und was er in diesem Sekundenbruchteil erblickte, das war so bizarr, dass er für einen Moment alles andere vergaß. Hinter ihm war wie aus dem Nichts eine Gestalt erschienen. Sie hatte menschliche Umrisse, aber siewarkein Mensch. Sie war schlank, kaum größer als er selbst und hatte sonderbar glatte Umrisse, ohne erkennbare Taille oder breitere Schultern, und sie schien auch keinen sichtbaren Hals zu haben. Und ihr Gesicht ...
Ihr Gesicht!
Mike kam nicht mehr dazu, den abgrundtiefen Schrecken wirklich zu spüren, mit dem ihn der Anblick dieses Gesichtes erfüllte, denn in diesem Moment knallte sein Hinterkopf mit solcher Wucht gegen den Lukendeckel, dass er auf der Stelle das Bewusstsein verlor. Hilflos stürzte er ins Wasser und sank wie ein Stein in die Tiefe.
Ganz besinnungslos konnte er wohl doch nicht gewesen sein, denn er erinnerte sich hinterher vage, wie er an die Oberfläche gekommen war -allerdings war er nicht ganz sicher, ob er sich nunwirklicherinnerte, oder ob das, woran er sich zu erinnern glaubte, vielleicht nicht doch so etwas wie eine Halluzination gewesen war ...
Bizarr genug dazu war es jedenfalls. Mike fand sich nun zum dritten Mal, seit sie auf diese Insel gekommen waren, keuchend, und Wasser erbrechend und verzweifelt nach Luft ringend, am Strand liegend vor, als sein Bewusstsein endlich wieder ganz erwachte. Sein Kopf schmerzte heftig und er musste wohl nicht nur einen guten Teil der Karibik hinuntergeschluckt haben, sondern auch noch ein paar Liter von seinem eigenen Blut, denn er hatte einen fürchterlichen Geschmack im Mund und musste mit aller Macht an sich halten, um sich nicht zu übergeben. Rings um ihn herum war ein wirres Durcheinander von Stimmen und Geräuschen und als er endlich die Augen öffnete, sah er in ein vertrautes Gesicht. Wenn auch vielleicht nicht in eines, das er in diesem Augenblick unbedingtgernegesehen hätte ... »Alles in Ordnung mit dir?«, fragte Argos. Er hatte sich über ihn gebeugt und trotz seines miserablen Zustandes registrierte Mike sehr wohl, dass die Eingeborenen respektvoll vor dem Atlanter zurückgewichen waren. »Nein«, würgte Mike mühsam hervor. »Nicht wenn man aufwacht undSiesieht.« Argos runzelte flüchtig die Stirn, aber dann lächelte er plötzlich. »Ich schätze, du bist wieder ganz der Alte«, sagte er säuerlich. »Wie fühlst du dich? Bist du verletzt?« Mike war nicht ganz sicher. Er erinnerte sich schwach, mit dem Kopf gegen irgendetwas geprallt zu sein, und dann ... Nein. Das war zu fantastisch. Daskonntekeine wirkliche Erinnerung sein, sondern wohl doch so etwas wie eine Halluzination. Man sagte ja, dass Menschen im Augenblick ihres nahenden Todes sich die verrücktesten Dinge einbildeten. Und erwardem Tod nahe gekommen. Als er nicht antwortete, wurde Argos' Miene düster und seine Stimme verlor eine Menge von ihrer Freund