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Die Männer warfen uns auf den Boden und entfernten sich – wir waren allein mit der geheimnisvollen Frau. Es konnte gar kein Zweifel über die Identität bestehen: sie musste die unbekannte Französin sein – Nummer drei.

Sie kniete neben uns nieder und entfernte die Knebel, doch ließ sie die Fesseln unberührt. Dann erhob sie sich, sah uns an, und mit einer blitzschnellen Bewegung entfernte sie ihre Maske.

Es war Madame Olivier!

«Monsieur Poirot», sagte sie in höhnischem Tone. «Der große, der berühmte und einzigartige Monsieur Poirot! Ich habe Sie bereits gestern Morgen warnen lassen. Sie entschlossen sich, meine Warnungen zu missachten – Sie waren der Meinung, sich uns entgegenstellen zu müssen. Und nun sind Sie in meiner Hand!» Eine kalte Feindseligkeit strömte von ihr aus, die mir durch Mark und Bein ging. Sie stand in krassem Gegensatz zu dem tiefen Feuer ihrer Augen. Sie musste wahnsinnig sein – in höchstem Grade von genialem Wahnsinn befallen.

Poirot enthielt sich jeder Äußerung. Sein Kinn war herabgesunken, und er starrte sie unverwandt an.

«Nun», fuhr sie fort, «dies ist das Ende. Wir können es nicht zulassen, dass man unsere Pläne durchkreuzt. Haben Sie noch einen Wunsch?»

Noch nie hatte ich mich dem Tode so nahe gefühlt.

Poirot verhielt sich großartig, er zeigte weder Verwirrung noch Erbleichen, sondern starrte sie nur unablässig mit unvermindertem Interesse an.

«Ihre Psychologie interessiert mich ganz außerordentlich, Madame», bemerkte er mit vollkommener Ruhe. «Es ist nur schade, dass mir nur noch so kurze Zeit zur Verfügung steht, um sie studieren zu können. Ja, wenn Sie mich schon danach fragen, so habe ich ein Anliegen. Soweit mir bekannt ist, hat ein Verurteilter das Recht, wenigstens noch eine Zigarette zu rauchen. Ich habe mein Zigarettenetui bei mir, wenn Sie mir gestatten wollten…»

Er sah auf seine Fesseln hinab.

«Ah, natürlich», lachte sie. «Sie wollen mich bitten, Ihre Fesseln zu lösen, nicht wahr? Sie sind sehr schlau, Hercule Poirot, das weiß ich. Ich werde Ihre Hände nicht befreien – aber ich werde Ihnen eine Zigarette herausholen.»

Sie kniete neben ihm nieder, zog das Zigarettenetui hervor, entnahm ihm eine Zigarette und steckte sie ihm zwischen die Lippen.

«Und nun noch ein Zündholz», sagte sie und erhob sich.

«Ist nicht mehr notwendig, Madame.»

Etwas in seinem Tonfall ließ mich erregt aufblicken.

Madame Olivier sah ihn ebenso verwundert an.

«Rühren Sie sich nicht von der Stelle, Madame. Sie würden es bereuen. Sind Ihnen die Eigenschaften von Curare ein Begriff? Eine leichte Verletzung bedeutet den sicheren Tod. Gewisse Eingeborene benutzen ein Blasrohr – auch ich habe mir ein solches konstruiert in Form einer Zigarette. Ich brauche nur noch zu blasen… Ah, wagen Sie es nicht, sich zu bewegen, Madame. Der Mechanismus dieser Zigarette ist höchst sinnreich. Man bläst – und ein kleiner Dorn, gleich einer Fischgräte, saust durch die Luft, um sein Ziel zu erreichen. Da Sie wahrscheinlich jetzt noch nicht zu sterben wünschen, bitte ich Sie, befreien Sie meinen Freund Hastings von seinen Fesseln. Ich kann zwar nicht meine Hände gebrauchen, aber ich kann stets meinen Kopf so drehen, dass Sie ständig im Schussfeld bleiben. Also machen Sie keine Dummheiten, Madame, ich bitte Sie darum.»

Langsam, mit zitternden Händen und mit vor Wut und Hass entstelltem Gesicht, beugte sie sich hinab und tat, wie ihr geheißen. Ich war frei. Poirot gab mir einige Anweisungen.

«Verwende deine Fesseln nun für die Dame, Hastings. So ist es recht, sind sie auch richtig fest? Dann binde mich bitte los. Ein Glück, dass sie ihre Helfershelfer weggeschickt hat. Mit etwas Glück können wir hoffen, den Ausgang unangefochten zu erreichen.»

Im nächsten Augenblick stand Poirot an meiner Seite. Er beugte sich zu der Dame hinab.

«Hercule Poirot ist nicht so leicht zu beseitigen, Madame. Ich wünsche Ihnen eine recht gute Nacht.»

Der Knebel hinderte sie an einer Antwort, jedoch erschreckte mich der mörderische Blick in ihren Augen. Ich hoffte sehnlichst, nicht wieder in ihre Hände zu fallen. Drei Minuten später waren wir außerhalb der Villa und durchquerten den Garten. Die Straße lag verlassen da, und bald hatten wir die Gegend hinter uns. Dann brach es aus Poirot heraus.

«Ich verdiente eigentlich nichts anderes, als was mir jene Frau in Aussicht stellte. Ich bin ein dreifaches Hornvieh und ein ausgemachter Idiot. Erst war ich stolz darauf, ihnen nicht in die Falle gegangen zu sein. Und es war nicht einmal als Falle gedacht – ausgenommen natürlich die Art und Weise, wie ich ihnen ins Garn ging. Sie wussten, dass ich sie durchschaut hatte – und sie rechneten damit. Hieraus lässt sich alles erklären: die Leichtigkeit, mit welcher sie Halliday überwältigten, sowie die ganzen Begleitumstände. Madame Olivier war das geistige Oberhaupt, Vera Rossakoff nur ihr Werkzeug. Madame Olivier benötigte Hallidays Erfahrungen, während sie selbst über die notwendige Genialität verfügte, die Lücken zu schließen, an denen er bisher gescheitert war. Ja, Hastings, nun wissen wir, wer Nummer drei ist, die Frau, die wahrscheinlich als die größte Kapazität auf wissenschaftlichem Gebiet in der ganzen Welt gilt. Denke daran. Das Gehirn des Ostens und die Wissenschaft des Westens. Dann noch zwei Persönlichkeiten, deren Identität uns leider noch verborgen ist. Aber wir müssen sie demaskieren. Zu diesem Zweck fahren wir morgen zurück nach London, um uns auf ihre Fährte zu setzen.»

«Also zögerst du immer noch, die Polizei über Madame Olivier aufzuklären?»

«Man würde mir ja doch keinen Glauben schenken, denn jene Frau ist einer der Abgötter Frankreichs, und wir haben noch keine Beweise in Händen. Wir können von Glück sagen, wenn sie es unterlässt, uns anzuklagen.»

«Was soll denn das nun wieder heißen?»

«Überlege einmaclass="underline" Wir wurden zur Nachtzeit auf ihrem Grund und Boden überrascht, im Besitze von Nachschlüsseln, die sie beschwören würde uns nie gegeben zu haben. Sie überrascht uns an ihrem Safe, während wir sie knebeln, binden und uns dann aus dem Staube machen. Gib dich keinen Illusionen hin, Hastings, unsere Zeit ist noch nicht gekommen!» 

8

 Nach unserem Abenteuer in der Villa in Passy kehrten wir auf direktem Wege nach London zurück. Hier erwarteten Poirot mehrere Briefe, einen davon las er mit einem seltsamen Lächeln und übergab ihn mir.

Zuerst sah ich auf die Unterschrift «Abe Ryland», und erinnerte mich an Poirots Worte: «Der reichste Mann der Welt.» Mr Rylands Brief war höflich, aber bestimmt. Er brachte seine tiefe Unzufriedenheit zum Ausdruck über die Gründe, die Poirot im letzten Moment bewogen hatten, von dem Auftrag in Südamerika zurückzutreten.

«Das gibt uns sehr viel zu denken, nicht wahr?», bemerkte Poirot.