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Am folgenden Abend befand ich mich begreiflicherweise in höchster Aufregung. Wir hatten keine Gäste im Hause, und ich war mit Ryland während des ganzen Abends im Studierzimmer tätig. Dies hatte ich bereits vorausgesehen, und so hatte ich keine Hoffnung, Poirot vom Bahnhof abholen zu können. Man konnte jedoch mit Sicherheit annehmen, dass ich noch vor elf Uhr entlassen werden würde.

Und richtig, gerade nach 10.30 Uhr sah Mr Ryland auf seine Uhr und ließ mich wissen, dass er mit allem fertig sei. Ich verstand diesen Wink und zog mich diskret zurück, ging nach oben, als wenn ich mich zur Ruhe begeben wollte, doch glitt ich leise eine Nebentreppe hinunter und schlüpfte in den Garten. Zuvor hatte ich vorsichtshalber einen schwarzen Rock angezogen, um mein weißes Hemd zu verbergen. Ich hatte einen Seitenweg zum Garten gewählt und blickte mehrmals über die Schulter zurück. Mr Ryland betrat gerade den Garten durch die Tür des Studierzimmers, um seine Verabredung einzuhalten. Ich beschleunigte meine Schritte, um zuerst an Ort und Stelle sein zu können. Etwas außer Atem erreichte ich den Steinbruch. Niemand schien sich in der Nähe aufzuhalten, und so kroch ich in ein dichtes Gebüsch, um die Ereignisse abzuwarten.

Zehn Minuten später, als es gerade elf Uhr schlug, schlich Ryland herbei, seinen Hut tief herabgezogen und die unvermeidliche Zigarre im Munde. Mit einem flüchtigen Blick sah er sich um und verschwand in den Höhlen des Steinbruches. Kurz darauf hörte ich ein leises Murmeln sich meinem Versteck nähern. Anscheinend waren jetzt noch andere Personen an dem verabredeten Ort eingetroffen. Ich spähte in die Nacht hinaus und kroch dann vorsichtig, Zentimeter um Zentimeter, aus dem Gebüsch hervor, um jedes Geräusch zu vermeiden, und arbeitete mich dem steilen Abhang zu. Nur noch ein Felsblock trennte mich von der sprechenden Gruppe. Ich fühlte mich in der Dunkelheit völlig sicher und blickte vorsichtig um die Ecke des Felsblockes und – sah direkt in die Mündung eines schwarzen, bedrohlich auf meinen Kopf gerichteten Revolvers.

«Hände hoch!», sagte Mr Ryland in unmissverständlichem Ton. «Ich habe Sie bereits erwartet.»

Er befand sich im Schatten des Felsens, so dass ich sein Gesicht nicht sehen konnte. Dann fühlte ich die Berührung von kaltem Stahl im Nacken, während Ryland seinen Revolver senkte.

«So ist es recht, George», sagte er gedehnt, «bringe ihn hierher.»

Kochend vor Wut wurde ich an eine Stelle im Dunkel geführt, wo der unsichtbare George, den ich mit Sicherheit für Deaves hielt, mich band und knebelte. Ryland ergriff nochmals das Wort in einem Ton, den ich kaum wieder erkannte, so kalt und drohend erschien er mir.

«Dies dürfte nun das Ende von euch beiden bedeuten. Sie haben jetzt zur Genüge die Wege der Großen Vier durchkreuzt. Haben Sie schon einmal von einem Bergrutsch gehört? Vor zwei Jahren gab es hier bereits schon einen. Heute Nacht wird ein weiterer folgen, wofür ich ausgiebig vorgesorgt habe. Doch Ihr Freund scheint seine Verabredungen nicht sehr pünktlich einzuhalten.»

Ein furchtbarer Schreck durchzuckte mich. Poirot! Jede Minute konnte er eintreffen und blindlings in die Falle gehen, während ich unfähig war, ihn zu warnen.

Ich konnte nur hoffen, dass er sich entschlossen hatte, in London zu bleiben und die Angelegenheit in meinen Händen zu belassen. Sicher wäre er, sofern er die Absicht dazu gehabt hätte, bereits an Ort und Stelle.

Mit jeder Minute, die verstrich, schöpfte ich neue Hoffnung. Doch plötzlich zerrann sie in nichts. Ich hörte Schritte, zwar sehr leise, aber doch deutlich erkennbar. Eine ohnmächtige Angst überkam mich. Die Schritte näherten sich dem Wege, hielten an, und dann – erschien Poirot, seinen Kopf etwas zur Seite geneigt und scharf in das Dunkel spähend. Ich hörte von Ryland einen Ausruf der Befriedigung. Er brachte seinen Revolver in Anschlag und schrie: «Hände hoch!» Deaves sprang, wie bereits mir, Poirot in den Rücken. Der Hinterhalt war gelungen.

«Erfreut, Sie zu sehen, Monsieur Hercule Poirot», sagte der Amerikaner grimmig.

Poirots Selbstbeherrschung war einzigartig. Er verzog keine Miene, jedoch sah ich seine Augen das Dunkel durchforschen.

«Ist mein Freund hier?»

«Yes. Sie sind beide in der Falle – in den Händen der Großen Vier.»

Er lachte laut heraus.

«Eine Falle?», wollte Poirot wissen.

«Sagen Sie, sind Sie sich dessen noch nicht bewusst?»

«Ich weiß zwar, dass es sich hier um eine Falle handelt – ja», sagte Poirot ruhig. «Aber Sie irren sich, Messieurs. Sie sind es, die sich darin befinden – keinesfalls mein Freund und ich.»

«Was soll das heißen?», fragte Ryland und hob dabei seinen großen Revolver, jedoch bemerkte ich die Bestürzung in seinem Gesichtsausdruck.

«Wenn Sie schießen, begehen Sie einen Mord, der von zehn Augenpaaren beobachtet wird, und Sie werden dafür gehängt. Dieser Platz ist umzingelt, und zwar seit einer halben Stunde – durch Scotland-Yard-Leute. Sie sind schachmatt, Mr Abe Ryland!»

Mein Freund stieß einen Pfiff aus, und wie aus dem Erdboden geschossen, wimmelte es plötzlich von Menschen. Sie überwältigten Ryland sowie seinen Kammerdiener und entwaffneten sie. Nachdem er noch einige Worte zu den Yard-Leuten gesprochen hatte, nahm mich Poirot beim Arm und führte mich fort.

Als wir uns außer Sicht des Steinbruches befanden, umarmte er mich leidenschaftlich.

«Du lebst und bist unverletzt. Es ist kaum zu fassen. Wie oft habe ich mir Vorwürfe gemacht, dass ich dich habe gehen lassen.»

«Ich bin doch vollkommen in Ordnung», sagte ich, indem ich mich losmachte, «aber ich bin noch ein wenig benommen. Du hast dich von ihren Plänen schön überrumpeln lassen, nicht wahr?»

«Aber nein, darauf habe ich gerade gewartet! Aus welchem Grunde, glaubst du, habe ich dir denn überhaupt angeraten, zu Ryland zu gehen? Dein falscher Name, deine Maske, nicht einen Moment konntest du jemand täuschen!»

«Was!», rief ich. «Du hast mir doch nie etwas davon gesagt!»

«Wie ich dir schon öfter versichert habe, Hastings, hast du eine so reine und ehrenhafte Natur, dass es dir auch bei einer Selbsttäuschung unmöglich ist, andere täuschen zu wollen. Es war gut so, sie haben dich von Anfang an durchschaut und taten das, womit ich mit tödlicher Sicherheit gerechnet hatte – einer mathematischen Sicherheit für jedermann, der seine kleinen grauen Zellen arbeiten lässt –, nämlich dich als Köder zu benutzen. Sie hetzten das Mädchen auf dich – nebenbei, mon ami, ein interessanter Fall, psychologisch gesehen; hatte sie rotes Haar?»

«Wenn du Miss Martin meinst», bemerkte ich kühl, «so hat ihr Haar einen zarten Schimmer von Kastanienbraun, aber –»

«Diese Leute sind nun einmal unübertrefflich! Sie haben sogar deine Psychologie studiert. Ja, mein Freund, Miss Martin war mit im Komplott – sogar sehr aktiv. Sie wiederholte dir den Brief, zusammen mit dem Märchen von Mr Rylands Zornesausbruch. Du schriebst es nieder, hast dein Gehirn zermartert, einen Sinn herauszufinden – die Chiffre ist fein ausgeklügelt, etwas schwierig, jedoch nicht zu schwierig – du löst sie und benachrichtigst mich!

Aber was sie nicht wissen konnten, ist die Tatsache, dass ich gerade auf dieses Ereignis gewartet habe. Unverzüglich ging ich zu Japp und traf meine Vorkehrungen. Und so, wie du gesehen hast, hat alles geklappt!»

Ich war nicht gerade begeistert von Poirots Ausführungen und ließ dies auch durchblicken. Wir benutzten den «Milchzug», der in den frühen Morgenstunden nach London fährt, eine höchst ungemütliche Reise.