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Ich hatte gerade mein Bad verlassen und war in angenehme Gedanken an das bevorstehende Frühstück versunken, als ich Mr Japps mir allzu bekannte Stimme im Wohnzimmer vernahm. Ich warf einen Bademantel über und stürzte hinein.

«Dieses Mal haben Sie uns in eine ziemlich peinliche Situation gebracht», sagte Japp. «Wirklich sehr unangenehm, Monsieur Poirot; zum ersten Male habe ich feststellen müssen, dass Sie sich getäuscht haben.»

Poirots Gesichtsausdruck lässt sich nicht beschreiben. Japp fuhr fort: «So weit wären wir nun, wir hatten alle diese Schauermärchen für ernst genommen – und wen haben wir erwischt? Den Diener!»

«Den Diener?», rief ich entsetzt und schnappte nach Luft.

«Ja, den James oder wie der Mann heißt. Es hat sich herausgestellt, dass man im Dienerzimmer eine Wette abgeschlossen hatte, dass er für Ryland gehalten werden würde, und sogar bei dessen engsten Mitarbeitern – damit sind Sie gemeint, Hauptmann Hastings –, und dass er Ihnen bei dieser Gelegenheit eine Menge über eine Verbrecherbande, genannt die Großen Vier, verraten würde.»

«Das ist doch unmöglich», rief ich aus.

«Dann glauben Sie mir es eben nicht. Ich führte unseren Gefangenen geradewegs nach ‹Hatton Chase›, und dort befand sich der richtige Ryland – im Bett und in tiefem Schlaf. Der Butler aber, der Koch und Gott weiß wer noch alles sind bereit, diese Angaben zu beschwören. Nichts als ein dummer Streich, gar nichts anderes; und der Kammerdiener hat dabei mitgewirkt.»

«Deshalb also hat er sich ständig im Dunkeln gehalten», murmelte Poirot.

Nachdem Japp uns verlassen hatte, betrachteten wir uns gegenseitig lange Zeit.

«Mit Sicherheit wissen wir, Hastings», sagte Poirot endlich, «dass Nummer zwei von den Großen Vier kein anderer als Abe Ryland ist. Die Maskierung, die der Diener benützte, war eine Sicherheitsmaßnahme für den äußersten Fall. Und der Diener…»

«Weiter, weiter», forschte ich atemlos.

«… ist Nummer vier», schloss Poirot mit großem Ernst. 

9

 Die Behauptung Poirots, wir seien daran, mehr und mehr Informationen zu sammeln und Einsicht in die Pläne unserer Widersacher zu erhalten, hatte etwas für sich – jedoch meinte ich, dass darüber hinaus greifbare Erfolge weitaus notwendiger wären.

Seit wir auf die Großen Vier gestoßen waren, hatten sie zwei Morde begangen, Halliday entführt, und um Haaresbreite hätten Poirot und ich unser Leben eingebüßt, wogegen wir bis jetzt kaum einen Punkt in diesem Geschehen für uns hatten buchen können. Poirot ließ jedoch meine Einwände durchaus nicht gelten. «Bis jetzt, Hastings», bemerkte er, «lachen sie sich ins Fäustchen. Aber soviel ich weiß, gibt es noch ein anderes Sprichwort: Wer zuletzt lacht, lacht am besten. Und wer hier zuletzt lachen wird, mon ami, das wirst du erleben. Du darfst nicht vergessen», fügte er hinzu, «dass wir es nicht mit einem gewöhnlichen Verbrecher zu tun haben, sondern mit dem zweitgrößten Genie auf der Welt.»

Ich hätte darauf gern eine Frage gestellt, doch wollte ich es vermeiden, dass Poirot wiederum in seiner Selbstherrlichkeit zu schwelgen anfing. Ich kannte ja seine Antwort; stattdessen versuchte ich vergeblich, aus ihm herauszuholen, welche Schritte er zu unternehmen gedächte, um dem Feind auf den Fersen zu bleiben. Wie gewöhnlich hatte er mich bezüglich seiner Absichten völlig im Dunkeln gelassen, jedoch konnte ich seinen Äußerungen entnehmen, dass er mit Geheimagenten in Indien, China und Russland in Verbindung stand, und aus seinen gelegentlichen Ausbrüchen an Überheblichkeit konnte ich schließen, dass er bei seinen Überlegungen, die Absichten seiner Gegner zu durchschauen, zumindest einige Fortschritte zu verzeichnen hatte.

Er hatte seine Privatpraxis vollkommen vernachlässigt, und ich wusste, dass er mehrere Fälle mit der Aussicht auf beträchtliche Honorare ausgeschlagen hatte. Natürlich beschäftigte er sich gelegentlich mit Fällen, die ihm irgendwie verdächtig vorkamen, aber er ließ diese gewöhnlich in dem Augenblick fallen, wenn er zu der Überzeugung gelangt war, dass sie in keiner Verbindung zu den Handlungen der Großen Vier standen. Von dieser Haltung profitierte unser gemeinsamer Freund Inspektor Japp. Zweifellos erntete dieser viel Lorbeeren bei der Lösung verschiedener Probleme, deren Erfolg nur darauf zurückzuführen war, dass er von Poirot die nötigen Hinweise erhalten hatte. Als Gegenleistung gab Japp volle Einzelheiten über Fälle bekannt, von denen er annahm, dass sie von gewissem Interesse für den kleinen Belgier waren, und als er mit der Verfolgung eines Falles betraut wurde, den die Zeitungen als das «Geheimnis des gelben Jasmins» bezeichneten, setzte er sich mit Poirot in Verbindung und fragte ihn, ob er Lust hätte, mitzufahren und sich die Sache einmal anzusehen.

So kam es, dass wir uns ungefähr einen Monat nach meinem Abenteuer in Abe Rylands Landhaus allein in einem Zugabteil befanden, auf dem Wege nach dem kleinen Städtchen Market Handford in Worcestershire, dem Schauplatz einer mysteriösen Begebenheit.

Poirot saß bequem zurückgelehnt in seiner Ecke.

«Und was ist nun, genau gesagt, deine Ansicht in dieser Angelegenheit, mein lieber Hastings?»

Ich beantwortete nicht sogleich seine Frage, weil ich es für angebracht hielt, erst zu überlegen.

«Es erscheint mir alles sehr verworren», entgegnete ich, meine Worte abwägend.

«Das ist auch meine Ansicht», bemerkte Poirot schmunzelnd. «Ich jedenfalls bin der Meinung, dass unsere plötzliche Abreise ziemlich klar darauf hinweist, dass du Mr Paynters Tod für einen Mord hältst – oder denkst du etwa an Selbstmord oder einen Unfall?»

«Nein, durchaus nicht; ich kann mir noch kein rechtes Bild machen, Hastings. Selbst wenn Mr Paynter an den Folgen eines besonders schrecklichen Unfalls hat sterben müssen, so gibt es doch noch eine Unzahl von geheimnisvollen Begleitumständen, die einer Klärung bedürfen.»

«Das war es gerade, was ich meinte, wenn ich sagte, dass alles so kompliziert sei.»

«Dann lass uns einmal ruhig und der Reihe nach alle bekannten Tatsachen aufzählen. Rekonstruiere sie nochmals, Hastings, der Reihe nach und möglichst objektiv.»

Ich begann sogleich damit und bemühte mich, so systematisch und klar wie möglich zu verfahren.

«Wir beginnen mit Mr Paynter», sagte ich. «Fünfundfünfzig, wohlhabend, kultiviert und, wie ich höre, ein weit gereister Mann. Während der letzten zwölf Jahre hat er sich ein wenig in England aufgehalten, jedoch eines Tages, der dauernden Reisen überdrüssig, kaufte er sich ein kleines Haus, genannt ‹Croftlands›, in Worcestershire, nahe Market Handford, in der Absicht, sesshaft zu werden.

Seine erste Handlung bestand darin, an seinen einzigen Verwandten, den Neffen Gerald Paynter, Sohn seines jüngsten Bruders, zu schreiben und ihm vorzuschlagen, in seinem neuen Heim Wohnung zu nehmen.

Gerald Paynter, ein mittelloser junger Künstler, war sehr erfreut über diesen Vorschlag und hatte bereits sieben Monate bei seinem Onkel gelebt, als das traurige Ereignis eintrat.»

«Deine Art zu erzählen ist meisterhaft», murmelte Poirot. «Es ist gerade so, als wenn statt meines Freundes Hastings ein Buch sprechen würde.» Poirots Bemerkung nur wenig Beachtung schenkend, fuhr ich in meiner Schilderung fort.

«Mr Paynter unterhielt ein gepflegtes Haus, sechs Bedienstete und seinen chinesischen Kammerdiener, Ah Ling.»

«Seinen chinesischen Diener, Ah Ling», wiederholte Poirot.

«Am letzten Dienstag klagte Mr Paynter über ein Unwohlsein nach dem Abendessen, und einer der Diener wurde fortgeschickt, um den Arzt zu holen. Mr Paynter empfing diesen in seinem Arbeitszimmer, da er sich geweigert hatte, sich ins Bett zu legen. Was zwischen den beiden vorgegangen ist, ist nicht näher bekannt, jedoch bevor Dr. Quentin seinen Patienten verließ, ließ er die Wirtschafterin zu sich bitten und sagte zu ihr, dass er Mr Paynter eine Injektion verabreicht habe, da sich sein Herz in einem sehr schwachen Zustand befunden habe. Er empfahl, ihn nicht zu stören, und begann alsdann einige ziemlich neugierige Fragen bezüglich der Dienerschaft zu stellen, wie lange sie schon im Hause tätig seien beziehungsweise woher sie stammten und dergleichen.