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«Und du weißt gar nichts, wie du sagtest, von dem gelben Jasmin?»

«Nein, ich nichts wissen.»

«Auch nicht von dem Zeichen, das sich unter den Worten auf der Zeitung befand?»

Poirot beugte sich vor, als er zu ihm sprach, und zeichnete schnell etwas in den Staub, mit dem der kleine Tisch bedeckt war. Ich war nahe genug, um zu erkennen, bevor er es wieder fortwischte. Es war ein Abstrich, ein Querstrich und dann ein weiterer Abstrich, der die Zahl Vier vervollständigte. Der Chinese zuckte wie vom Blitz getroffen zusammen. Einen Augenblick blieben seine Züge von Schrecken verzerrt, dann setzte er die Maske wieder auf und beteuerte, ehe er sich zurückzog, nochmals seine Unwissenheit.

Japp entfernte sich, um den jungen Paynter zu suchen, während Poirot und ich allein zurückblieben.

«Die Großen Vier, Hastings», rief Poirot aus. «Wieder einmal die Großen Vier. Paynter war ein weit gereister Mann. In seinem Werk befanden sich zweifellos wichtige Informationen über die Tätigkeit von Nummer eins, Li Chang Yen, des Häuptlings der Großen Vier.»

«Man sollte es kaum für möglich halten», erwiderte ich.

«Still, da kommt jemand.»

Gerald Paynter war ein liebenswürdiger, jedoch ziemlich charakterlos aussehender junger Mann. Er trug einen braunen Bart und eine große Künstlerschleife. Poirots Fragen beantwortete er mit der größten Bereitwilligkeit.

«Ich aß auswärts mit Nachbarn von uns, den Wycherlys», erklärte er. «Wann bin ich doch heimgekommen? O ja, es mag gegen elf Uhr gewesen sein. Ich habe einen eigenen Hausschlüssel. Alle Bediensteten hatten sich bereits zur Ruhe begeben, und ich nahm an, dass mein Onkel das Gleiche getan hatte. Ich bin der festen Meinung, jenen schleichenden Chinesen Ah Ling um die Ecke der Empfangshalle schlüpfen gesehen zu haben, jedoch kann ich mich auch getäuscht haben.»

«Wann haben Sie Ihren Onkel zuletzt gesehen, Mr Paynter? Ich meine, bevor Sie hierher kamen, um bei ihm zu wohnen?»

«Oh, ich war damals ein Kind von nicht mehr als zehn Jahren. Er und sein Bruder, mein Vater, hatten Streit miteinander, müssen Sie wissen.»

«Aber er konnte Sie wohl ohne allzu große Mühe ausfindig machen, nicht wahr? Trotz all der Jahre, die inzwischen vergangen waren?»

«Ja, es war dabei etwas Glück mit im Spiel, dass ich zufällig die Veröffentlichung seines Notars in der Zeitung erblickte.»

Poirot hatte nichts mehr zu fragen.

Unser nächster Gang führte uns zu Dr. Quentin. Seine Ausführungen waren im Wesentlichen die gleichen, die er bei der Leichenschau bereits gemacht hatte, und er hatte diesen wenig hinzuzufügen. Er empfing uns in seinem Ordinationszimmer und hatte gerade seine Sprechstunde beendet. Zweifellos machte er den Eindruck eines intelligenten Mannes. Seine gewisse altmodische Art wurde durch den Zwicker betont, jedoch hatte ich den Eindruck, dass er in seinen Behandlungsmethoden durchaus fortschrittlich war.

«Ich wünschte, ich könnte mich bezüglich des Fensters genau erinnern», sagte er frei heraus. «Aber es ist nicht ungefährlich, rekonstruieren zu wollen, man ist leicht versucht, etwas als feststehend zu behaupten, was später nicht zutrifft. Das nennt man Psychologie, oder etwa nicht, Monsieur Poirot? Sehen Sie, ich habe sehr viel über Ihre Methoden gelesen, und ich darf sagen, dass ich Sie außerordentlich bewundere. Überdies nehme ich mit großer Bestimmtheit an, dass der Chinese das Opium in den Curry getan hat, obwohl er es nie zugeben wird, und wir werden nie ergründen, warum er es tat. Aber einen Mann Kopf voran in den Gaskamin zu stoßen – das passt ganz und gar nicht zu dem Charakter unseres chinesischen Freundes, so erscheint es mir wenigstens.»

Ich unterhielt mich über diesen letzten Punkt mit Poirot, als wir uns wieder auf der Hauptstraße von Market Handford befanden. «Glaubst du, dass er einen Helfershelfer in das Haus gelassen hat?», fragte ich. «Übrigens, ich nehme an, dass Japp ihn überwachen lässt.» (Der Inspektor hatte inzwischen die Polizeistation aufgesucht, um einige Anordnungen zu treffen.) «Die ausführenden Organe der Großen Vier sind auf jeden Fall sehr aktiv.»

«Japp hält sogar beide unter Bewachung», sagte Poirot grimmig. «Seit der Tote entdeckt wurde, hat man sie nicht aus den Augen gelassen.»

«Nun, auf jeden Fall wissen wir, dass Gerald Paynter mit der ganzen Angelegenheit nichts zu schaffen hat.»

«Du weißt aber auch immer mehr als ich, Hastings; das wirkt allmählich etwas ermüdend.»

«Du alter Fuchs», lachte ich, «du willst dich nur nicht festlegen.»

«Um ehrlich zu sein, Hastings, der Fall scheint mir vollkommen klar – mit Ausnahme der Worte ‹gelber Jasmin›, und ich neige dazu, deinen Standpunkt, dass sie nichts mit dem Verbrechen zu tun haben, zu teilen. In einem Fall wie diesem musst du dir überlegen, wer gelogen hat; ich habe dies bereits getan. Und doch – » Er entfernte sich ganz unvermutet von meiner Seite und betrat einen Buchladen. Einige Minuten später stürzte er wieder heraus, ein Paket unter dem Arm tragend. Dann stieß auch Japp zu uns, und gemeinsam suchten wir in einem Gasthaus Unterkunft.

Am nächsten Morgen schlief ich lange. Als ich in das für uns reservierte Wohnzimmer trat, fand ich Poirot bereits dort vor, auf und ab gehend, mit verbissenem Gesicht.

«Bitte keine Fragen», rief er und winkte mit der Hand ab. «Nicht, bevor ich weiß, dass alles in Ordnung – und die Verhaftung erfolgt ist. Doch mit meiner Psychologie ist auch nicht viel los. Hastings, wenn ein Mann eine Nachricht vor seinem Tode schreibt, so geschieht es, weil sie ihm wichtig erscheint. Ein jeder denkt: gelber Jasmin? Der gelbe Jasmin wächst an der Hausmauer empor – doch das ist ja bedeutungslos. Nun, was bedeutet es in Wirklichkeit? Hör zu.»

Er öffnete ein Buch, welches er in Händen hielt.

«Mir kam der Gedanke, mein Freund, einmal nähere Einzelheiten über den Jasmin einzuholen. Was, genau gesagt, ist gelber Jasmin? Dieses kleine Buch hat mir den notwendigen Aufschluss gegeben: ‹Gelsemini Radix, gelber Jasmin, Zusammensetzung: Alkaloide Gelseminine C22H26N2O3, ein wirksames Gift, gleich dem Koniin. Gelsemine C14H16NO2 wirkt wie Strychnin, Jasminsäure, usw. Gelsemium ist eine stark wirkende Droge, die sich auf das Zentralnervensystem legt. Im letzten Stadium seiner Wirkung legt es die Nervenenden lahm, und in großer Dosierung verursacht es Schwindel und Verlust der Muskelkräfte. Der Tod tritt durch Zersetzung der Lunge ein.› Siehst du, Hastings, gleich im Anfang hatte ich schon eine Ahnung von dem wahren Sachverhalt, als Japp eine Bemerkung fallen ließ bezüglich der Unwahrscheinlichkeit, einen lebenden Menschen mit dem Kopf im Gaskamin festzuhalten. Ich kam deshalb zu der Überzeugung, dass es sich bereits um einen Toten gehandelt hat, dessen Gesicht alsdann bis zur Unkenntlichkeit verbrannte.»

«Aber wie kamst du darauf?»

«Mein Freund, wenn du einen Mann erschießen oder erstechen würdest, nachdem er bereits tot ist, oder aber ihm eine Kopfwunde beibrächtest, würde es sich auf jeden Fall herausstellen, dass ihm die Verletzung nach Eintritt des Todes beigebracht wurde. Jedoch bei einem Kopf, der zu Asche verkohlt ist, würde es niemand einfallen, nach der vermeintlichen Todesursache zu forschen. Andererseits ein Mann, der offensichtlich bereits einer Vergiftung durch das Abendessen entgangen ist, kann nicht gut später demselben Anschlag zum Opfer fallen. Nun, wer hat da gelogen, das bleibt hier die Frage. Ich neige dazu, Ah Ling Glauben zu schenken.»

«Nicht möglich», warf ich ein.

«Du bist überrascht, Hastings? Ah Ling war über die Existenz der Großen Vier unterrichtet, das war offenkundig – ebenso klar ist, dass er von ihrer Verbindung mit diesem Verbrechen absolut gar nichts ahnte, bis zu jenem Überraschungsmoment. Wenn er der Mörder gewesen wäre, wäre er wohl in der Lage gewesen, angesichts meiner Malerei auf der Tischplatte seinen unbeweglichen Gesichtsausdruck beizubehalten. So kam ich zu dem Schluss, Ah Ling Glauben zu schenken, und richtete meinen Verdacht auf Gerald Paynter. Es schien mir, Nummer vier konnte mühelos einen Ersatz für den verschollenen Neffen finden.»