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«Meinst du etwa, er selbst sei Nummer vier?», fragte ich erschrocken.

«Nein, Hastings, natürlich nicht. Gleich nachdem ich die Beschreibung über den gelben Jasmin gelesen hatte, erkannte ich die Wahrheit. Sie war tatsächlich augenfällig.»

«Wie immer», bemerkte ich kühl, «für mich jedoch keinesfalls.»

«Weil du eben nicht deine kleinen grauen Gehirnzellen arbeiten lässt. Wer hatte Gelegenheit, an den Curry heranzukommen?»

«Nur Ah Ling und kein anderer.»

«Kein anderer? Und der Arzt?»

«Aber das war doch zu einem späteren Zeitpunkt.»

«Natürlich war das später. Es befand sich keine Spur von Opiumpulver in dem Curry, als er Mr Paynter serviert wurde, jedoch auf den Verdacht hin, den Dr. Quentin gesät hat, isst Mr Paynter nichts davon und erklärt sich bereit, ihm den Curry zur Untersuchung zu überlassen, was ganz in Dr. Quentins Pläne passt.

Er nimmt den Curry entgegen und gibt Mr Paynter eine Strychnininjektion – wie er sagt –, doch in Wirklichkeit eine solche von gelbem Jasmin – und zwar eine tödliche Dosis. Als das Gift zu wirken anfängt, entfernt er sich, nachdem er das Fenster entriegelt hat. Sodann, in der Nacht, steigt er durch das Fenster herein, findet das Manuskript und stößt Mr Paynter mit dem Kopf in das Feuer. Er beachtet aber nicht die Zeitung, die zu Boden gefallen war und durch den Körper des Toten verdeckt wurde. Paynter hatte das Gift erkannt, welches ihm injiziert wurde, und bemühte sich, die Großen Vier als seine Mörder zu entlarven. Es ist für Dr. Quentin sehr einfach gewesen, Opiumpulver in den Curry zu mischen, bevor er ihn zwecks Analyse weitergab. Er gibt Auskunft über seine Wahrnehmungen beim Besuche des alten Herrn und erwähnt beiläufig die Strychnininjektion für den Fall, dass der Einstich in den Arm bemerkt wird. Es besteht einmal der Verdacht eines Unfalls, und andererseits ein solcher, dass Ah Ling den Curry vergiftet hat.»

«Aber Dr. Quentin kann doch unmöglich Nummer vier sein?»

«Ich nehme sogar mit Bestimmtheit an, dass er es ist. Es gibt zweifellos einen richtigen Dr. Quentin, der sich wahrscheinlich irgendwo in Übersee aufhält. Nummer vier hat sich einfach vorübergehend für ihn ausgegeben. Dr. Bolithos Abmachungen wurden brieflich getroffen, und der Stellvertreter, der ursprünglich vorgesehen war, war im letzten Augenblick verhindert.»

In dem Moment stürzte Japp mit hochrotem Kopf herein.

«Haben Sie ihn erwischt?», rief Poirot besorgt.

Japp schüttelte den Kopf, ganz außer Atem. «Bolitho kam heute Morgen vom Urlaub zurück – durch ein Telegramm zurückgerufen. Niemand weiß, wer es ihm sandte. Der andere ist gestern Abend verschwunden. Aber wir bekommen ihn noch, trotz allem.»

Poirot schüttelte traurig den Kopf.

«Ich glaube nicht daran», sagte er geistesabwesend und zeichnete mit der Gabel eine große Vier auf den Tisch. 

11

 Poirot und ich speisten öfter zusammen in einem kleinen Restaurant in Soho. Als wir uns an einem Abend wieder einmal dort einfanden, erblickten wir einen Bekannten an einem Nebentisch. Es war Inspektor Japp, und da an dem unseren noch Platz war, baten wir ihn zu uns herüber. Es war bereits einige Zeit vergangen, seit wir uns das letzte Mal gesehen hatten.

«Sie lassen sich überhaupt nicht mehr bei uns blicken», begann Poirot vorwurfsvoll. «Seit dem Fall mit dem gelben Jasmin sind wir nicht mehr zusammengekommen, und das ist beinahe einen Monat her.»

«Ich bin hoch oben im Norden gewesen, das ist der Grund. Wie steht die Sache bei Ihnen? Haben Sie die Großen Vier noch immer nicht zur Strecke gebracht?»

Poirot drohte vorwurfsvoll mit dem Finger. «Sie machen sich wohl über mich lustig, aber die Großen Vier – sie existieren wirklich.»

«Oh, das bezweifle ich nicht im Geringsten, aber sie stehen nicht im Blickpunkt der Welt, so wie Sie es darstellen.»

«Mein Freund, Sie befinden sich in einem großen Irrtum. Die größte Macht, das größte Übel, welches heute auf der Welt existiert, das sind die Großen Vier. Was sie beabsichtigen, weiß niemand, aber noch nie hat es eine derartige Verbrecherorganisation gegeben. Ihr intelligentester Kopf hat in China die Leitung, ferner gibt es noch einen amerikanischen Millionär, eine Französin, übrigens eine wissenschaftliche Kapazität, und – was den vierten betrifft –»

Japp unterbrach ihn.

«Ich weiß, ich bin völlig im Bilde. Das ist nun einmal Ihr Steckenpferd. Nach und nach wird Ihnen diese Angelegenheit zur Manie, Monsieur Poirot. Aber lassen Sie uns das Gesprächsthema wechseln. Interessieren Sie sich für Schach?»

«Ja, ich habe zuweilen Schach gespielt.»

«Haben Sie denn gestern das merkwürdige Spiel mit angesehen? Ein Meisterschaftsspiel zwischen zwei weltbekannten Größen, einer davon ist während des Spiels gestorben.»

«Ich habe etwas darüber gelesen, Dr. Savaronoff, der russische Meister, war einer der Spieler, und der andere, der einem Herzschlag erlegen ist, war ein flotter junger Amerikaner namens Gilmour Wilson.»

«Ganz recht. Savaronoff schlug vor einigen Jahren Rubinstein und wurde Weltmeister. Von Wilson behauptet man, er sei ein zweiter Capablanca.»

«Ein sehr merkwürdiger Fall», bemerkte Poirot gedankenvoll. «Wenn ich nicht irre, haben Sie also Interesse an der Sache?» Japp stieß ein verlegenes Lachen aus.

«Sie haben es erraten, Monsieur Poirot. Es bedeutet für mich ein Problem. Wilson war gesund wie ein Fisch im Wasser, keine Spur eines Herzleidens. Sein Tod gibt uns Rätsel auf.»

«Verdächtigen Sie etwa Dr. Savaronoff, ihn aus dem Wege geräumt zu haben?», rief ich.

«Kaum», sagte Japp trocken. «Ich glaube, dass nicht einmal ein Russe seinen Rivalen beseitigen würde, nur um im Schach nicht zu unterliegen; jedenfalls, soweit ich feststellen konnte, war Savaronoff der Favorit – man sagt, nur Lasker sei ihm überlegen.» Poirot nickte gedankenverloren.

«Was ist nun, genau genommen, Ihre Ansicht?», fragte er.

«Warum sollte Wilson vergiftet worden sein? Denn, wie ich annehme, denken Sie doch dabei an Gift?»

«Natürlich. Ein Herzschlag bedeutet im Allgemeinen, dass das Herz zu schlagen aufhört, das ist alles, was man darunter versteht. Es ist auch das, was der Arzt offiziell bestätigt hat, jedoch vertraulich hat er uns wissen lassen, dass er einen bestimmten Verdacht hat.»

«Wann findet die Leichenschau statt?»

«Heute Abend. Wilsons Tod trat ganz überraschend ein. Er machte einen völlig normalen Eindruck, und als er am Zug war, fiel er plötzlich vornüber und war tot.»

«Es gibt nur sehr wenige Gifte, die so plötzlich wirken», bemerkte Poirot.

«Das ist mir auch bekannt. Ich erwarte deshalb, dass uns die Leichenschau nähere Anhaltspunkte geben wird. Aber warum sollte jemand Interesse haben, Gilmour Wilson aus dem Wege zu räumen, das ist es, was ich gern ergründen möchte. Er war solch ein harmloser, bescheidener junger Mensch, gerade erst von den Staaten gekommen; er wird auch wohl kaum Feinde gehabt haben.»

«Es erscheint mir auch unglaublich», sagte ich überlegend.

«Wir wollen mal abwarten», warf Poirot lächelnd ein. «Wie ich sehe, hat Japp schon eine bestimmte Theorie.»

«Die habe ich schon, Monsieur Poirot. Ich bin nicht der Meinung, dass das Gift für Wilson bestimmt war, es sollte jemand anders treffen.»

«Savaronoff?»

«Jawohl. Er fiel nämlich bei den Bolschewiken in Ungnade. Man hat sogar berichtet, dass er liquidiert worden sei. In Wirklichkeit war er entkommen und ertrug während der Dauer von drei Jahren unglaubliche Entbehrungen in der sibirischen Wildnis. Er hatte so viel durchgemacht, dass er vollkommen verändert ist. Seine Freunde und Bekannten erklären, dass sie ihn kaum wiedererkannt haben. Sein Haar ist weiß und seine äußere Erscheinung die eines ganz gebrochenen Mannes. Außerdem ist er Halbinvalide, geht selten aus, lebt allein mit seiner Nichte, Sonja Daviloff, und einem russischen Diener in seiner Wohnung in der Nähe von Westminster. Es ist durchaus möglich, dass er noch in dem Glauben lebt, verfolgt zu werden. Es steht fest, dass er nur äußerst ungern an den Turnieren teilgenommen hat. Mehrmals sagte er kategorisch ab, und nur, als die Zeitungen bezüglich seines unsportlichen Verhaltens ihre Bemerkungen machten, gab er nach. Gilmour Wilson hatte ihn mit der echten Beharrlichkeit eines Yankees herausgefordert, und schließlich willigte er ein. Nun frage ich Sie, Monsieur Poirot, was veranlasste ihn, sich zurückzuhalten? Wollte er keine Aufmerksamkeit erregen? Hat ihn jemand aufgespürt? Meine Meinung ist die – Gilmour Wilson musste versehentlich daran glauben.»