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«Äußerst interessant», sagte ich, den Bogen niederlegend. «Und dieses ist nun das Ergebnis von monatelangen Nachforschungen; wen hast du im Verdacht?»

Poirot zuckte verlegen mit den Achseln.

«Im Moment ist die Frage noch gänzlich offen, mon ami, ich möchte lediglich darauf hinweisen, dass Claude Darrell in China und Amerika war – eine nicht zu übersehende Tatsache. Jedoch darf ich es mir keinesfalls erlauben, daraus voreilige Schlüsse zu ziehen – es mag ein reiner Zufall sein.»

«Und was gedenkst du als Nächstes zu tun?», drängte ich.

«Die Sache ist bereits in vollem Gange; täglich werden sorgfältig abgefasste Inserate in den Tageszeitungen erscheinen.

Freunde oder Bekannte des einen oder anderen werden darin gebeten, mit meinem Rechtsanwalt in Verbindung zu treten. Schon heute können wir – ah, das Telefon läutet! Wahrscheinlich wie gewöhnlich eine falsche Verbindung, und man wird bedauern, uns gestört zu haben, aber – es könnte auch sein, dass sich etwas Neues ereignet hat.»

Ich lief zum Apparat und nahm den Hörer auf.

«Ja, hier ist Monsieur Poirots Wohnung. Jawohl, hier spricht Hauptmann Hastings. Oh, Sie sind es, Mr McNeil?» (McNeil und Hodgson waren Poirots Rechtsanwälte.) «Ja, ich werde es ihm sagen, und dann werden wir sofort zu Ihnen hinüberkommen.» Ich legte den Hörer auf die Gabel zurück und wandte mich Poirot zu; meine Augen leuchteten vor Erregung.

«Es ist eine Frau aufgetaucht, Poirot, die mit Claude Darrell befreundet war; ihr Name ist Flossie Monro. McNeil bittet uns, ihn unverzüglich aufzusuchen.»

«Da werden wir auch keine Sekunde verlieren», rief Poirot, verschwand in seinem Schlafzimmer und erschien gleich darauf mit dem Hut auf dem Kopf.

Ein Taxi brachte uns in kürzester Zeit an unseren Bestimmungsort, und wir wurden sogleich in Mr McNeils Privatbüro geführt. In einen Armsessel zurückgelehnt, dem Rechtsanwalt gegenüber, saß eine auffallend geschminkte, nicht mehr ganz junge Dame. Ihr Haar hatte einen unnatürlich gelben Farbton und kräuselte sich kunstvoll über die Ohren; über den Augenlidern lagen dunkle Schatten, auch hatte sie nicht versäumt, Rouge auf Wangen und Lippen dick aufzutragen.

«Ah, da kommt Poirot!» sagte McNeil. «Monsieur Poirot, dies ist Miss – hm – Monro, die so freundlich war, bei uns zu erscheinen, um uns einige Informationen zu geben.»

«Oh, das ist außerordentlich freundlich!» erwiderte Poirot. Mit großer Herzlichkeit ging er auf die Dame zu und drückte ihr warm die Hand.

«Mademoiselle ist eine Blüte in diesem Büro voller Aktenstaub», fügte er hinzu, ohne McNeils diesbezüglichen Empfindungen Beachtung zu schenken. Die übertriebene Schmeichelei verfehlte ihre Wirkung nicht. Miss Monro errötete verlegen lächelnd.

«Oh, übertreiben Sie nicht, Monsieur Poirot!», sprudelte sie hervor. «Ihr Franzosen seid euch alle gleich.»

«Mademoiselle, wir sind eben nicht unempfindlich gegen Schönheit wie die meisten Engländer. Übrigens bin ich kein Franzose – sondern Belgier, wenn es Ihnen nichts ausmacht.»

«Oh, ich bin auch schon in Ostende gewesen», sagte Miss Monro. Die Angelegenheit wickelte sich völlig reibungslos ab – wie Poirot stets zu sagen pflegt.

«Also Sie sind in der Lage, uns über Claude Darrell zu berichten», fuhr Poirot fort.

«Ja, ich war einst sehr gut mit ihm bekannt», erwiderte sie. «Ich sah Ihre Anzeige in der Zeitung, und da ich im Moment keine Bindungen habe und über meine freie Zeit beliebig verfügen kann, sagte ich mir: Da will jemand etwas über den guten armen Claudie wissen – und noch dazu Rechtsanwälte –, vielleicht wartet ein Vermögen auf seinen rechtmäßigen Erben; da gehe ich am besten gleich hin.»

Mr McNeil erhob sich.

«Nun, Monsieur Poirot, darf ich Sie zu dieser kleinen Unterredung mit Miss Monro allein lassen?»

«Oh, Sie sind zu liebenswürdig, doch bleiben Sie bitte, mir kommt da gerade ein Einfall. Es ist gleich Zeit, einen kleinen Imbiss zu nehmen; Mademoiselle, würden Sie mir die Ehre erweisen, mit uns zu speisen?»

Miss Monros Augen leuchteten auf. Ich hatte den Eindruck, dass sie in sehr bescheidenen Verhältnissen lebte und ihr die Gelegenheit einer Einladung zum Essen höchst willkommen war.

Einige Minuten später saßen wir in einem Taxi, auf dem Wege zu einem der vornehmsten Restaurants. Dort angekommen, bestellte Poirot sogleich ein reichhaltiges Menü und wandte sich dann seinem Gast zu.

«Und welchen Wein würden Sie bevorzugen, Mademoiselle? Was meinen Sie zu einem Gläschen Champagner?»

Miss Monro schwieg entzückt. Das Essen verlief sehr zufrieden stellend. Poirot füllte das Glas der Dame immer wieder mit aufmerksamer Beharrlichkeit und gelangte schließlich vorsichtig zu dem Thema, welches ihm am Herzen lag.

«Der arme Darrell! Wie schade, dass er nicht bei uns sein kann.»

«Ja, in der Tat», seufzte Miss Monro. «Armer Junge, ich möchte gern wissen, was aus ihm geworden ist.»

«Es ist wohl lange Zeit her, dass Sie ihn gesehen haben, nicht wahr.»

«Oh, schon eine ganze Ewigkeit – seit dem Kriege nicht mehr. Er war ein komischer Junge, unser Claudie, in allen Dingen sehr zugeknöpft, niemals sprach er auch nur ein Wort über sich selbst. Aber natürlich, wenn er der Erbe eines Vermögens ist. Handelt es sich um einen Adelssitz, Monsieur Poirot?»

«Weit davon entfernt, nur eine unbedeutende Erbschaft», log Poirot, ohne zu erröten. «Aber Sie werden verstehen, es handelt sich zunächst darum, ihn zu identifizieren. Das ist auch der Grund, warum es nötig ist, jemand zu finden, der ihm wirklich nahe gestanden hat. Sie kannten ihn doch wahrscheinlich sehr gut, nicht wahr, Mademoiselle?»

«Ich brauche Ihnen diesbezüglich nichts zu verheimlichen, Monsieur Poirot. Da sind Sie – ein Gentleman und wissen sogar, wie man ein Menü für eine Dame zusammenstellt – was mehr ist, als diese jungen Bürschchen heutzutage vermögen. Sie als Franzose werden für meine Erklärungen das richtige Verständnis haben. Oh, ihr Franzosen, alle seid ihr Schwerenöter!» Sie drohte ihm mit dem Finger in einem Anflug von Schelmerei. «Nun, so war es zwischen mir und Claudie, wir waren jung – was konnte man anderes erwarten? Und immer noch habe ich sehr freundschaftliche Gefühle für ihn, obgleich ich gestehen muss, dass er mich gar nicht gut behandelt hat – nein, ganz und gar nicht. Nicht so, wie es eine Dame erwarten kann. So sind sie aber alle, wenn es ums liebe Geld geht.»

«Aber bitte nicht, Mademoiselle, sagen Sie so etwas nicht», protestierte Poirot, indem er nochmals das Glas nachfüllte.

«Könnten Sie mir Mr Darrell etwas näher beschreiben?»

«Er war gar nicht so sehr ansprechend», sagte Flossie Monro.

«Weder groß noch klein, aber recht gut gewachsen, sehr gepflegt und mit graublauen Augen. Ziemlich helles Haar, soweit ich mich erinnern kann. Aber, welch ein Künstler! Ich habe niemals jemand gesehen, der in seinem Beruf an ihn herangereicht hätte. Bestimmt hätte er sich einen Namen machen können, wenn er nicht so eifersüchtig gewesen wäre. Oh, Monsieur Poirot, die Eifersucht… Sie werden es kaum glauben, wie wir Künstler unter der Eifersucht zu leiden haben. Ich erinnere mich da speziell eines Falles in Manchester…»

Wir taten unser Bestes, einer langen und komplizierten Darstellung geduldig zuzuhören, die das niederträchtige Benehmen eines Hauptdarstellers zum Inhalt hatte. Dann lenkte Poirot langsam das Gespräch wieder auf Claude Darrell zurück.

«Alles, was Sie uns da über Mr Darrell erzählt haben, war sehr interessant für uns. Frauen sind so wunderbare Beobachter – sie sehen alles und merken sich Kleinigkeiten, die uns Männern leicht entgehen. Ich habe einmal erlebt, dass eine Frau einen Mann aus einem Dutzend anderer identifiziert hat – und wissen Sie, auf welche Art? Sie hatte beobachtet, dass er die Gewohnheit hatte, sich die Nase zu reiben, wenn er erregt war. Würde jemals ein Mann auch nur daran denken, etwas wie dies zu bemerken?»