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Ich muss wohl kaum erwähnen, dass ich der mir erteilten Warnung keine Beachtung schenkte, da ich nun einmal fest entschlossen war, für die gute Sache mein Leben aufs Spiel zu setzen. Auf meine Inserate erhielt ich insgesamt nur zwei Antworten, keine davon gab mir auch nur die Spur von neuen Anhaltspunkten. Beide stammten von Schauspielern, die irgendwann mit Claude Darrell zusammengearbeitet hatten, keiner von ihnen hatte zu ihm in näherer Verbindung gestanden, und kein neues Licht fiel auf die Frage seiner Identität. Erst etwa zehn Tage später hörte ich abermals von den Großen Vier. Ich spazierte gerade, tief in Gedanken versunken, durch den Hyde Park, als eine Stimme, volltönend und fremdartig klingend, mich aufblicken ließ.

«Hauptmann Hastings, wenn ich nicht irre?»

Eine große Limousine hielt dicht am Gehweg. Eine Dame beugte sich heraus, sie war mit ausgesuchter Eleganz gekleidet und trug eine wundervolle Perlenkette. Es war dieselbe Dame, deren Bekanntschaft wir erstmals als Komtesse Rossakoff und später unter verschiedenen Decknamen als eine Agentin der Großen Vier kennen gelernt hatten. Poirot hatte aus unerfindlichen Gründen stets eine versteckte Vorliebe für die Komtesse gehabt. Etwas in ihrem liebenswürdigen Wesen hatte den kleinen Mann beeindruckt.

Er scheute sich nicht, gelegentlich einzugestehen, dass sie eine Frau unter Tausenden sei. Dass sie sich uns entgegengestellt hatte, und zwar auf der Seite unserer erbittertsten Feinde, schien seine Einstellung niemals erschüttern zu können.

«Oh, hören Sie mich bitte an», sagte die Komtesse, «ich habe Ihnen etwas sehr Wichtiges mitzuteilen. Versuchen Sie nicht, mich etwa verhaften zu lassen, denn das wäre recht unbedacht von Ihnen. Sie haben schon immer ein wenig übereilt gehandelt, oder nicht? Sie sind sehr töricht, wenn Sie die Ihnen zugegangene Warnung in den Wind schlagen. Dies ist nun die zweite Warnung, die Ihnen diesmal durch mich übermittelt wird. Verlassen Sie unverzüglich England, denn hier können Sie absolut nichts erreichen – dies sage ich Ihnen ganz offen. Nie werden Sie Ihr Ziel erreichen!»

«In diesem Falle», erwiderte ich kühl, «erscheint es ziemlich ungewöhnlich, dass Ihre Partner so eifrig bemüht sind, mich außer Landes zu wissen.»

Die Komtesse zuckte die Achseln – bezaubernde Achseln, und dazu eine bezaubernde Geste.

«Ich persönlich finde es auch ziemlich überflüssig; ich würde Sie auch gern hier behalten, damit Sie Ihren neckischen Spielereien nachgehen können, doch die Herren Chefs, sehen Sie, sind besorgt, dass einige unbedachte Äußerungen Ihrerseits anderen Leuten mit etwas mehr Verstand von Nutzen sein könnten. Daher – müssen Sie verschwinden.»

Die Komtesse schien nicht viel von meinen Fähigkeiten zu halten, so bemühte ich mich denn, meine Enttäuschung darüber zu verbergen. Ohne Zweifel sollte ihre Haltung dazu dienen, mich zu enttäuschen und in mir Minderwertigkeitskomplexe zu erwecken.

«Es wäre natürlich ein Leichtes, Sie einfach verschwinden zu lassen», fuhr sie fort, «aber zeitweise bin ich außerordentlich sentimental, und so habe ich mich für Sie eingesetzt. Sie haben drüben irgendwo eine nette Frau, soviel mir bekannt ist. Und weiterhin würde der arme kleine Mann, der leider nicht mehr unter uns Lebenden weilt, sicher erfreut sein, zu wissen, dass weiter kein Grund vorliegt, Sie zu beseitigen. Ich mochte ihn schon immer gern, wissen Sie… er war sehr klug… außerordentlich gescheit! Hätte er nicht in einem Kampf von vier gegen einen gestanden, so wäre er uns überlegen gewesen, dessen bin ich fest überzeugt. Ich darf es offen eingestehen: ich habe in ihm meinen Meister gefunden! Auch habe ich als Zeichen meiner Bewunderung zu seinem Begräbnis einen großen Kranz mit karmesinroten Rosen geschickt – dies sind nämlich meine Lieblingsblumen.»

Schweigend und mit wachsendem Unmut hörte ich zu.

«Im Moment machen Sie auf mich den Eindruck eines Esels, der seine Ohren an den Kopf legt und nach hinten ausschlägt. Nun, ich habe Sie nochmals gewarnt. Denken Sie daran, eine dritte Warnung wird Ihnen gegebenenfalls durch den Zerstörer persönlich zugehen.»

Darauf gab sie ein Zeichen, und der Wagen schoss davon. Ich registrierte mechanisch seine Nummer, erkannte jedoch sofort die Zwecklosigkeit meines Beginnens. Die Großen Vier durfte man keinesfalls unterschätzen, nicht einmal in Nebensächlichkeiten.

Etwas ernüchtert ging ich heim, denn einiges war in mir doch haften geblieben von dem Redefluss der Komtesse. Soviel stand jedenfalls fest, ich befand mich zur Zeit in ständiger Lebensgefahr. Obwohl ich keinesfalls die Absicht hatte, den Kampf aufzugeben, hielt ich es doch zunächst für besser, auf der Stelle zu treten und jede erdenkliche Vorsicht walten zu lassen. Während ich mir nochmals alles überlegte und nach dem besten Wege suchte, um wieder in Aktion zu treten, läutete das Telefon. Ich durchquerte das Zimmer und griff zum Hörer. «Hallo, wer spricht dort?»

Eine frische Stimme antwortete.

«Hier ist das St.-Giles-Hospital. Wir haben einen Chinesen hier, der auf der Straße mit einem Messer verletzt und hier eingeliefert wurde. Sein Zustand ist sehr bedenklich, und wir rufen bei Ihnen an, weil wir in seinen Taschen einen Zettel mit Ihrem Namen und Ihrer Adresse gefunden haben.»

Zwar war ich sehr erstaunt, doch sagte ich nach einer kurzen Pause der Überlegung, dass ich mich sofort auf den Weg machen wolle. Das St.-Giles-Hospital befand sich, soviel mir bekannt war, unten bei den Hafenanlagen, und deshalb kam ich zur Erkenntnis, dass es sich vielleicht um einen chinesischen Seemann handeln könnte.

Ich war schon eine Weile unterwegs, als mich ein plötzlicher Verdacht überkam. Handelte es sich vielleicht wieder einmal um eine Falle? Denn wo immer ein Chinese auftauchte, konnte Li Chang Yen seine Hand im Spiel haben. Ich erinnerte mich an das Erlebnis, in welchem ich als Köder für Poirot benutzt wurde. Handelte es sich wieder um eine List meiner Feinde? Nach reiflicher Überlegung kam ich jedoch zu der Überzeugung, dass man hinter einem Besuch im Hospital wohl nichts Derartiges vermuten konnte. Aller Wahrscheinlichkeit nach handelte es sich wohl weniger um ein Komplott als vielmehr um einen ihrer Schachzüge. Der sterbende Chinese würde mir wahrscheinlich etwas mitzuteilen haben, was mich zum Handeln zwang und mich in die Hände der Großen Vier spielen würde. Es war also ratsam, die Augen offen zu halten und unter dem Anschein der Leichtgläubigkeit auf alles gefasst zu sein.

Bei meiner Ankunft im St.-Giles-Hospital wurde ich, nachdem ich mein Anliegen vorgetragen hatte, zur Unfallabteilung und zum Bett des betreffenden Mannes geführt. Er lag still mit geschlossenen Augen da, und nur eine schwache Bewegung der Brust ließ erkennen, dass er noch lebte. Ein Arzt stand neben seinem Bett und prüfte seinen Pulsschlag.

«Lange wird es nicht mehr dauern», flüsterte er mir zu, «kennen Sie ihn?»

Ich schüttelte den Kopf.

«Ich habe ihn noch nie gesehen.»

«Was hatte denn der Zettel mit Ihrem Namen und Ihrer Adresse zu bedeuten? Sie sind doch Hauptmann Hastings, nicht wahr?»

«Jawohl, und doch kann ich Ihnen beim besten Willen nicht sagen, um wen es sich hier handelt.»

«Merkwürdige Angelegenheit – aus seinen Papieren ist ersichtlich, dass er der Diener eines Mannes mit Namen Ingles gewesen ist – und zwar ein solcher, der nicht mehr in seinen Diensten stand. Nun wissen Sie wohl, wer er ist?», fügte er schnell hinzu, als er sah, dass ich bei Nennung des Namens Ingles aufhorchte.

Der Diener von Mr Ingles! Dann musste ich ihn schon einmal gesehen haben, obgleich ich niemals fähig gewesen wäre, einen Chinesen vom anderen zu unterscheiden. Es bestand immerhin die Möglichkeit, dass er mit Mr Ingles auf dem Weg nach China gewesen und nach dessen Verschwinden nach England zurückgekehrt war – möglicherweise mit einer wichtigen Nachricht für mich. Es war also von großer Bedeutung, hierüber etwas in Erfahrung zu bringen.