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«Zuallererst glaubte ich, dass seine Worte mit Händels ‹Largo› in Zusammenhang stünden, dann sagte er etwas, das so ähnlich wie Carrozza klang – das ist doch ein kleiner Wagen, nicht wahr?»

«Und sonst noch etwas?»

«Well, dann murmelte er noch zum Schluss so etwas Ähnliches wie Cava und Zia, vielleicht irgendeinen Frauennamen, aber ich glaube nicht, dass dies irgendwie von Bedeutung war.»

«Da täuschst du dich aber sehr, mein lieber Hastings, das Letztere ist sogar sehr wichtig, ja von immenser Wichtigkeit!»

«Ich kann mir leider nichts dabei denken.»

«Mein treuer Freund, du hältst alles für unwichtig – und darüber hinaus hast du wie alle Engländer keine Ahnung von Geografie.»

«Geografie?», wiederholte ich. «Was hat denn das damit zu tun?»

«Ich gehe nicht fehl in der Annahme, dass Thomas Cook uns darüber erschöpfend Auskunft geben kann.»

Wie gewöhnlich hüllte sich Poirot weiterhin in Schweigen – eine seiner aufreizendsten Eigenarten. Es entging mir auch nicht, dass er einen sehr selbstzufriedenen Eindruck machte, wie wenn er einen besonderen Grund dazu hätte.

Ein Tag wie der andere verging, erfüllt von angenehmem Nichtstun, doch auf die Dauer zu eintönig. Eine große Hausbibliothek stand uns zur Verfügung, auch unternahmen wir recht schöne Spaziergänge in die Umgebung, doch manchmal war ich sehr ungeduldig über die erzwungene Untätigkeit und wunderte mich über Poirots scheinbare Gleichgültigkeit. Nichts ereignete sich, unser beschauliches Dasein zu stören, und erst Ende Juni hörten wir wieder von den Großen Vier.

Eines Morgens fuhr ein Wagen bei der Villa vor, ein so ungewöhnliches Ereignis in unserem friedlichen Dasein, dass ich eilends hinunterlief, um meine Neugier zu befriedigen.

Ich fand Poirot bereits im Gespräch mit einem gut aussehenden Herrn etwa in meinem Alter. Er wurde mir sofort vorgestellt.

«Dies ist Hauptmann Harvey, mein lieber Hastings, eines der berühmtesten Mitglieder des englischen Geheimdienstes.»

«Nach meiner Auffassung durchaus nicht berühmt», sagte der Herr mit vergnügtem Lächeln. «Nur bei den Leuten meiner näheren Umgebung bekannt, würde ich eher sagen.»

«Die meisten von Hauptmann Harveys Bekannten und Freunden», erwiderte Poirot, «halten ihn zwar für einen sehr liebenswürdigen Menschen, jedoch ohne viel Verstand und ganz und gar vernarrt in den Foxtrott oder wie dieser Tanz heißt.»

Wir beide mussten zu Poirots drolligen Feststellungen lachen.

«Nun zum Geschäft», sagte Poirot. «Sie sind also der Meinung, dass unsere Zeit gekommen ist?»

«Dessen sind wir so gut wie sicher, Sir. China ist seit gestern von der übrigen Welt so gut wie abgeschnitten, und was dort vor sich geht, weiß niemand. Vollkommene Nachrichtensperre, weder drahtlose noch Kabelmeldungen kommen durch – großes Schweigen!»

«Li Chang Yen hat seine Macht gezeigt, und was machen die anderen?»

«Abe Ryland kam vor einer Woche in England an und reiste gestern zum Kontinent ab.»

«Und Madame Olivier?»

«Madame Olivier hat gestern Abend Paris verlassen.»

«Nach Italien?»

«Ja, nach Italien, Sir; soweit wir feststellen konnten, begeben sie sich zu einer Zusammenkunft, wie Sie bereits vermuteten, aber… wie kamen Sie überhaupt darauf?»

«Ah, das ist durchaus nicht mein Verdienst, sondern das meines guten Freundes Hastings.

Er ist nämlich unheimlich intelligent, nur hält er sich stets im Hintergrund.»

Harvey sah mich mit ehrlicher Bewunderung an, während ich mich höchst unbehaglich fühlte.

«Dann ist also bereits alles im Zuge», bemerkte Poirot, zwar bleich, doch vollkommen gefasst, «so ist denn unsere Zeit gekommen. Sind alle Vorkehrungen getroffen?»

«Alle Ihre Anordnungen sind ausgeführt, die Regierungen von Italien, Frankreich und England stehen gemeinsam hinter Ihnen.»

«Dann hat sich wirklich eine neue Entente gebildet», sagte Poirot trocken. «Ich bin froh, dass Desjardeaux endlich begriffen hat und auch auf unserer Seite steht. Eh bien, dann wollen wir starten – oder vielmehr, ich will starten. Du, mein lieber Hastings, wirst hier bleiben – ja, ich muss diesmal darauf bestehen und meine es wirklich ernst, mein Freund.»

Das glaubte ich ihm zwar, doch war ich keinesfalls damit einverstanden, mich auf diese Weise im Hintergrund halten zu müssen. Unsere diesbezügliche Unterredung war daher kurz und bestimmt.

Erst als wir uns im Schnellzug nach Paris befanden, gestand er mir, dass er innerlich froh über meine Entscheidung sei.

«Du hast nämlich eine Rolle zu spielen, Hastings, eine ungeheuer wichtige! Ohne dich könnte die Aktion fehlschlagen, nichtsdestoweniger hielt ich es für meine Pflicht, dich zum Zurückbleiben aufzufordern.»

«So wird es also ein gefährliches Unternehmen?»

«Mon ami, wo die Großen Vier ihre Hand im Spiele haben, ist es immer ernst.»

Bei der Ankunft in Paris fuhren wir sogleich zu der Gare de l’Est, wo Poirot schließlich unseren Bestimmungsort bekannt gab. Wir befanden uns auf dem Wege nach Bozen in Südtirol. Während Harvey sich einmal kurz entfernte, nahm ich die Gelegenheit wahr, Poirot zu fragen, wie er dazu käme, den Ort der Zusammenkunft der Großen Vier als meine Entdeckung hinzustellen.

«Weil es nun einmal den Tatsachen entspricht, mein Freund. Wie Mr Ingles zu diesen Informationen gelangte, weiß ich nicht, aber er hatte davon Kenntnis und hatte seinen Diener beauftragt, uns davon Mitteilung zu machen. Wir befinden uns auf dem Wege zum Karersee, mon ami, der die neue italienische Bezeichnung Lago di Carrezza hat. Du siehst jetzt, wie deine Angaben mit Largo, Cara Zia und auch Carrozza ihre Erklärung finden – das Wort Händel hat jedoch nur in deiner Einbildung bestanden. Möglicherweise hat diese Information, da sie aus der ‹Hand› unseres Freundes Ingles stammte, zu dieser Ideenverbindung beigetragen.»

«Karersee…», murmelte ich, «habe noch nie davon gehört.»

«Das ist es ja gerade, was ich stets behaupte, die Engländer haben nun einmal keine Ahnung von Geografie. Aber auf jeden Fall ist Karersee allgemein bekannt als schöner Sommeraufenthalt, tausenddreihundert Meter hoch gelegen, im Herzen der Dolomiten.»

«Und in diesem weltentlegenen Winkel soll das Rendezvous der Großen Vier stattfinden?»

«Sagen wir lieber, hier haben sie ihr Hauptquartier aufgeschlagen. Sie haben das Startsignal erhalten, und nun ist es ihre Absicht, aus der Öffentlichkeit zu verschwinden, um aus der Weltabgeschiedenheit der Berge ihre Befehle zu erteilen. Ich habe bereits meine Nachforschungen angestellt – es werden dort umfangreiche Sprengungen und Steinbrucharbeiten durchgeführt; die Firma, anscheinend eine italienische, steht in Wirklichkeit unter der Regie von Abe Ryland. Ich möchte sogar behaupten, dass bereits umfangreiche unterirdische Gänge in den Bergen entstanden sind, geheim und schwer zugänglich. Von dort werden die Leiter der Organisation drahtlos ihre Befehle an ihre Agenten ergehen lassen, die zahlenmäßig zu Tausenden in jedem Lande verfügbar sind. Und von jener Felsenspitze aus, inmitten der Dolomiten, werden die neuen Diktatoren der Welt ihre Macht ergreifen. Besser gesagt, sie beabsichtigen dies, doch haben sie nicht mit Hercule Poirot gerechnet!»

«Glaubst du wirklich im Ernst an all dies, Poirot? Hast du dabei nicht daran gedacht, dass der Zivilisation ganz andere Möglichkeiten durch ihre großen Armeen und die Fortschritte der Technik zur Verfügung stehen, um sich zu wehren?»

«Wie ist es denn in Russland gewesen, mein lieber Hastings? Dies soll ein Russland von weit größeren Ausmaßen sein – und dazu kommt noch die drohende Gewissheit, dass Madame Oliviers Versuche bereits weiter vorgeschritten sind, als die Öffentlichkeit jemals annehmen kann. Ich bin sogar beinahe sicher, dass sie in gewissem Umfang Erfolg hatte, atomare Kräfte freizumachen und sie für ihre Zwecke auszunutzen. Ihre Experimente mit dem Nitrogen der Luft waren sehr bemerkenswert, und ferner hat sie Versuche gemacht bezüglich der drahtlosen Konzentration von Energie, so dass Strahlen von unwahrscheinlicher Intensität auf einen von ihr vorher bestimmten Punkt gerichtet werden können. Genaue Anhaltspunkte, wie weit ihre Forschungen gediehen sind, hat niemand, aber ihre Erfolge sind weitaus größer, als allgemein angenommen wird. Sie ist ein Genie, diese Frau – sie hat sogar die Curies in den Schatten gestellt. Rechnet man dazu die Macht von Rylands beinahe unbeschränkten Geldmitteln und als Krönung des Ganzen zur Leitung der Operationen den Kopf von Li Chang Yen und den ausgeklügeltsten kriminellen Charakter, der je existierte – eh bien, dann hat dies nichts mehr mit Zivilisation zu tun.»