Himbeere verließ den Raum und kehrte mit etwas, das einer großen Nuss oder einem Kürbis glich, sowie einem gelatinösen Ellipsoiden zurück. Himbeere zeigte auf den Kürbis, während Haspel ein Wort sagte und ein Logogramm erscheinen ließ. Himbeere ließ den Kürbis anschließend zwischen seinen Beinen verschwinden, ein knuspernder Laut war zu hören, und der Kürbis erschien wieder, um ein abgebissenes Stück kleiner. Unter der Schale befanden sich maiskornartige Samen. Haspel sagte etwas und zeigte auf dem Bildschirm ein großes Logogramm. Das Sonagramm von »Kürbis« ließ Veränderungen erkennen, wahrscheinlich eine Kasusmarkierung. Das Logogramm war seltsam: Nach einigem Überlegen konnte ich einzelne graphische Elemente erkennen, die den Logogrammen für »Heptapode« und »Kürbis« glichen. Es sah so aus, als ob die beiden Zeichen miteinander verschmolzen und ihnen einige Striche hinzugefügt worden wären, die wahrscheinlich »essen« bedeuteten. Handelte es sich hier um eine Ligatur aus mehreren Wörtern?
Als Nächstes zeigten sie uns die gesprochenen und geschriebenen Namen für das Gelatine-Ei sowie die Bezeichnungen dafür, dass es gegessen wurde. Das Sonagramm für »Heptapode isst ein Gelatine-Ei« ließ sich analysieren. »Gelatine-Ei« wies wie erwartet eine Kasusmarkierung auf, aber die Reihenfolge der Wörter im Satz hatte sich verändert. Ein anderes Problem stellte die geschriebene Form dar, ein weiteres großes Logogramm. Diesmal brauchte ich viel länger, um etwas zu erkennen. Die einzelnen Logogramme waren nicht nur miteinander verschmolzen, zudem sah es so aus, als ob das Zeichen für »Heptapode« auf dem Rücken läge und sich oben das auf den Kopf gestellte Zeichen für »Gelatine-Ei« befände.
»Oje.« Noch einmal studierte ich die Beispiele einfacher Verb-Substantiv-Verbindungen, die mir bisher widersprüchlich erschienen waren. Nun erkannte ich, dass sie tatsächlich alle das Logogramm für »Heptapode« aufwiesen; einige davon hatte ich nicht gleich erkannt, denn das Zeichen war um die eigene Achse gedreht oder bei der Verschmelzung mit den verschiedenen Verben verzerrt worden. »Ihr wollt uns wohl auf den Arm nehmen«, murmelte ich.
»Was ist los?«, fragte Gary.
»Die Schrift trennt die Wörter nicht voneinander. Ein Satz wird gebildet, indem man die Zeichen der einzelnen Wörter miteinander verbindet. Das machen sie, indem sie die Logogramme drehen und verändern. Hier, schau.« Ich zeigte Gary, wie einige der Logogramme gedreht worden waren.
»Sie können also Wörter mühelos lesen, egal, wie sie gedreht wurden«, sagte Gary. Beeindruckt betrachtete er die Heptapoden. »Ich frage mich, ob die radiale Symmetrie ihrer Körper der Grund dafür ist. Ihre Körper haben kein Vorne oder Hinten, ihre Schrift also auch nicht. Hochgradig elegant!«
Ich konnte es nicht fassen. Ich arbeitete mit jemandem zusammen, der »elegant« mit »hochgradig« steigerte. »Das ist auf jeden Fall bemerkenswert«, sagte ich. »Es bedeutet aber auch, dass es für uns keine einfache Methode gibt, unsere Sätze in ihrer Schrift wiederzugeben. Wir können ihre Sätze nicht einfach in einzelne Wörter zergliedern und diese dann neu miteinander kombinieren. Wir werden die Regeln ihrer Schrift lernen müssen, bevor wir in der Lage sind, irgendetwas Lesbares zu schreiben. Wir haben hier das gleiche Problem wie beim Zusammenfügen von Sprachfragmenten, nur dieses Mal mit Schrift.«
Ich sah zu Haspel und Himbeere hinüber, die im Spiegel darauf warteten, dass wir weitermachten, und seufzte. »Ihr werdet es uns nicht leicht machen, hab ich recht?«
Fairerweise sei gesagt, dass die Heptapoden in jeder Hinsicht kooperativ waren. In den nächsten Tagen lehrten sie uns bereitwillig ihre Sprache, ohne von uns zu verlangen, ihnen mehr Englisch beizubringen. Colonel Weber und seine Leute zerbrachen sich die Köpfe darüber, was das bedeuten könnte, während ich und die Linguisten der anderen Spiegelstandorte unser gesammeltes Wissen über die Heptapodensprache mittels Videokonferenzen austauschten. Die Videokonferenzen irritierten mich. Verglichen mit den Spiegeln der Heptapoden waren unsere Videomonitore primitive Apparate, und meine Kollegen wirkten entfernter als die Außerirdischen. Das Vertraute war entrückt, doch das Bizarre schien mir nahe.
Es würde noch einige Zeit vergehen, bis wir die Heptapoden fragen konnten, warum sie gekommen waren, oder bis wir uns gut genug über Physik austauschen konnten, um mehr über ihre Technologie zu erfahren. Bis dahin arbeiteten wir an den Grundlagen: Phonemik/Graphemik, Wortschatz, Syntax. Bei allen Spiegeln gebrauchten die Heptapoden dieselbe Sprache, sodass wir in der Lage waren, unsere Daten zu bündeln und unsere Anstrengungen zu koordinieren.
Die »Schrift« der Heptapoden verwirrte uns am meisten. Statt wie richtige Schrift wirkte sie auf uns wie ein Haufen komplizierter Designergrafiken. Die Logogramme wurden nicht in Reihen oder Spiralen oder auf sonst eine lineare Weise angeordnet. Haspel und Himbeere schrieben stattdessen einen Satz, indem sie so viele Logogramme, wie sie benötigten, zu einem riesigen Sammelsurium zusammenfügten.
Diese Form des Schreibens hatte Ähnlichkeit mit primitiven Zeichensystemen, bei denen man den Inhalt einer Botschaft kennen musste, um sie zu verstehen. Solche Verfahren galten als zu beschränkt, um damit Information systematisch aufzuzeichnen. Aber es erschien unwahrscheinlich, dass die Heptapoden ihre fortgeschrittene Technologie nur durch mündliche Informationsweitergabe entwickelt hatten. Daraus ließen sich drei Schlussfolgerungen ableiten: Erstens, dass die Heptapoden über ein richtiges Schriftsystem verfügten, es uns aber nicht zeigen wollten. Colonel Weber neigte zu dieser Ansicht. Die zweite Schlussfolgerung besagte, dass die Heptpoden nicht die Schöpfer der Technologie waren, die sie nutzten, sondern dass sie Analphabeten waren und die Technologie von jemand anderem verwendeten. Die dritte und für mich interessanteste Möglichkeit war, dass die Heptapoden eine nicht-lineare Orthographie verwendeten, die alle Anforderungen eines Schriftsystems erfüllte.
Ich erinnere mich an eine Unterhaltung, die ich mit dir haben werde, als du auf der Highschool in der elften Klasse bist. Es wird Sonntagmorgen sein, und ich werde Rühreier machen, während du den Tisch deckst. Du wirst mir lachend von der Party erzählen, auf der du den Abend zuvor warst.
»O Mann«, wirst du sagen, »die reden keinen Quatsch, wenn sie sagen, dass das Körpergewicht eine Rolle spielt. Ich habe nicht mehr als die Kerle getrunken, war aber viel betrunkener.«
Ich werde versuchen, eine neutrale, gutwillige Haltung zu wahren. Ich werde mir wirklich Mühe geben. Dann wirst du sagen: »Ach, komm schon, Mom.«
»Was denn?«
»Du weißt, dass du genau die gleichen Dinge getan hast, als du in meinem Alter warst.«
So etwas habe ich nie getan, aber ich weiß, dass du, wenn ich das jetzt zugäbe, jeglichen Respekt vor mir verlieren würdest. »Dir ist klar, dass du unter keinen Umständen Auto fahren darfst, wenn du ...«
»Himmel, natürlich ist mir das klar. Glaubst du denn, dass ich eine Idiotin bin?«
»Nein, natürlich nicht.«
Was ich denken werde, ist, dass du ganz offensichtlich nicht ich bist, was mich in den Wahnsinn treibt. Das wird mich, wieder einmal, daran erinnern, dass du kein Klon von mir bist. Du kannst wundervoll sein, jeden Tag aufs Neue ein Grund zur Freude, aber du wirst niemals jemand sein, den ich alleine hätte hervorbringen können.
Das Militär hatte in der Nähe des Spiegelzeltes einen Wohnwagen aufgestellt, in dem sich unsere Büros befanden. Ich sah, wie Gary zu dem Wohnwagen hinüberging, und lief ihm rasch nach. »Es ist ein semasiografisches Schriftsystem«, sagte ich, als ich ihn eingeholt hatte.
»Wie bitte?«, sagte Gary.
»Hier, ich zeige es dir.« Inzwischen waren wir dazu übergegangen, uns zu duzen. Ich führte Gary in mein Arbeitszimmer. Dort ging ich zu einer Tafel und zeichnete einen Kreis, der von einer diagonalen Linie geteilt wurde. »Was bedeutet dieses Zeichen?«