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»Mein Ring ist weg!«, rief ich.

»Nein, mein Herr«, sagte er. »Hier ist Euer Ring.« Und er gab mir den Ring, den er in der Hand hielt. »Verzeiht mir diese Spielerei.«

Ich steckte mir den Ring an den Finger. »Ihr hattet diesen Ring, bevor er mir genommen wurde.«

In diesem Augenblick streckte sich ein Arm aus dem Reif, diesmal auf der rechten Seite. »Was ist das!«, rief ich aus. Wiederum erkannte ich, bevor sich der Arm zurückzog, am Ärmel, dass es Bashaarats Arm war, aber ich hatte nicht gesehen, dass er ihn durch den Reif gestreckt hatte.

»Erinnert euch«, sagte er, »die rechte Seite des Ringes ist der linken voraus.« Und er ging auf die linke Seite des Reifs und streckte seinen Arm von dort aus hindurch, und wieder verschwand der Arm.

Eure Majestät hat es zweifellos längst begriffen, doch mir wurde es damals erst in diesem Moment klar: Was auch immer auf der rechten Seite des Reifs geschah, wurde einige Sekunden später durch ein Ereignis auf der linken Seite ergänzt. »Ist das Zauberei?«, fragte ich.

»Nein, mein Herr. Ich bin niemals einem Dschinn begegnet, und wenn, würde ich nicht darauf vertrauen, dass er tut, was ich ihm auftrage. Was Ihr hier seht, ist eine Form von Alchemie.«

Er erklärte es mir, erzählte davon, wie er nach winzigen Poren in der Haut der Wirklichkeit gesucht hatte, den Löchern gleich, welche Würmer in das Holz fressen, und wie er, nachdem er ein solches Loch gefunden hatte, es vergrößert hatte, so wie ein Glasbläser einen Klumpen geschmolzenen Glases zu einer langhalsigen Röhre zu formen vermag, und wie er darin die Zeit auf der einen Seite wie Wasser fließen und sich auf der anderen Seite wie Sirup verdicken lassen konnte. Ich muss gestehen, dass ich seine Worte nicht ganz verstand und für ihre Glaubwürdigkeit nicht bürgen kann. Alles, was ich zu antworten wusste, war: »Ihr habt fürwahr etwas wirklich Erstaunliches geschaffen.«

»Ich danke Euch«, sagte er. »Doch das ist nur ein Vorspiel zu dem, was ich Euch eigentlich vorführen will.« Er bat mich, ihm nach hinten zu folgen. Dort stand, aufgerichtet in der Mitte eines Raumes, ein kreisförmiges Portal, dessen massiver Rahmen aus dem gleichen glänzenden schwarzen Metall gemacht war wie der des Reifs.

»Eben habe ich Euch das ›Tor der Sekunden‹ gezeigt«, sagte er. »Dies hier ist das ›Tor der Jahre‹. Die beiden Seiten der Öffnung trennt eine Zeitspanne von zwanzig Jahren.«

Ich muss gestehen, dass ich diese Bemerkung nicht sogleich verstand. Ich stellte mir vor, wie er seinen Arm auf der rechten Seite des Tors hineinstreckte und zwanzig Jahre wartete, bis er links wieder erschien. Das schien mir ein sehr eigenartiger Zaubertrick zu sein. Das sagte ich ihm, und er lachte. »Das wäre eine Möglichkeit, sich des Tores zu bedienen«, sagte er, »aber bedenkt, was geschehen würde, wenn Ihr durch das Portal hindurchginget.« Er stand auf der rechten Seite, bedeutete mir näherzutreten und zeigte dann auf die Portalöffnung. »Schaut.«

Ich blickte hindurch und sah, dass sich auf der anderen Seite offenbar andere Teppiche und Kissen befanden, als ich beim Betreten des Raumes gesehen hatte. Ich bewegte meinen Kopf hin und her und stellte fest, dass ich, wenn ich durch das Portal blickte, einen anderen Raum sah als den, in dem ich gerade stand.

»Ihr seht den Raum, wie er in zwanzig Jahren sein wird«, sagte Bashaarat.

Ich blinzelte, so wie jemand, der ein Trugbild in der Wüste sieht, doch das, was ich sah, veränderte sich nicht. »Und Ihr sagt, ich könnte hindurchgehen?«, fragte ich.

»Das könntet Ihr. Und mit diesem Schritt würdet Ihr das Bagdad von in zwanzig Jahren besuchen. Ihr könntet Euer älteres Selbst ausfindig machen und Euch mit ihm unterhalten. Danach könntet Ihr durch das ›Tor der Jahre‹ in die heutige Zeit zurückkehren.«

Als ich Bashaarats Worte vernahm, war mir, als würde ich das Gleichgewicht verlieren. »Ihr habt das getan?«, fragte ich ihn. »Ihr seid hindurchgegangen?«

»Das bin ich, wie auch viele meiner Kunden.«

»Vorhin habt Ihr mir gesagt, ich wäre der Erste, dem Ihr dieses Portal zeigt.«

»Dieses Tor hier, ja. Aber ich habe viele Jahre lang ein Geschäft in Kairo betrieben, wo ich erstmals ein ›Tor der Jahre‹ gebaut habe. Dort gab es viele, denen ich das Tor zeigte und die es benutzt haben.«

»Was haben diese Leute erfahren, als sie mit ihrem älteren Ich gesprochen haben?«

»Jeder Mensch erfährt etwas anderes. Wenn Ihr es wünscht, dann erzähle ich Euch von einem solchen Zeitreisenden.« Bashaarat begann, mir eine Geschichte zu erzählen, und wenn es Eurer Majestät gefällt, will ich sie hier wiedergeben.

Die Geschichte des glücklichen Seilers

Es war einmal ein junger Mann mit Namen Hassan, ein Seiler. Er trat durch das ›Tor der Jahre‹, um Kairo in zwanzig Jahren zu sehen, und wie er dort ankam, staunte er, wie prächtig die Stadt gediehen war. Es kam ihm so vor, als hätte er die Szenerie eines gestickten Wandteppichs betreten, und obwohl die Stadt nicht mehr und nicht weniger als Kairo war, bestaunte er die gewöhnlichsten Dinge wie Wunder.

Er kam am Zuweyla-Tor vorbei, wo die Schwerttänzer und Schlangenbeschwörer auftreten, als ein Astrologe ihn ansprach: »Junger Mann! Wollt Ihr Eure Zukunft erfahren?«

Hassan lachte. »Die kenne ich bereits«, sagte er.

»Ich wollt doch sicherlich wissen, ob Euch Wohlstand erwartet, oder?«

»Ich bin Seiler. Ich weiß, dass ich nicht reich werde.«

»Könnt Ihr Euch da so sicher sein? Was ist mit dem angesehenen Kaufmann Hassan al-Hubbaul, der einst ein Seiler war?«

Da seine Wissbegier geweckt war, fragte Hassan auf dem Markt nach anderen, die von diesem reichen Kaufmann gehört hatten, und fand heraus, dass sein Name allseits bekannt war. Man sagte ihm, dieser Kaufmann wohne im vornehmen Habbaniya-Viertel der Stadt, und so ging Hassan dorthin und fragte die Menschen nach dem Haus des Kaufmanns, und wie sich herausstellte, war es das größte Gebäude des Viertels.

Er klopfte an die Tür, und ein Diener führte ihn in einen großen und schön eingerichteten Vorraum mit einem Brunnen in seiner Mitte. Während der Diener den Herrn des Hauses holte, wartete Hassan, doch als er all das polierte Elfenbein und den Marmor um sich sah, fühlte er sich in dieser prächtigen Umgebung fehl am Platze und wollte das Haus schon verlassen, als sein älteres Ich eintrat.

»Endlich bist du da!«, sagte der Mann. »Ich habe dich erwartet.«

»Habt Ihr das?«, sagte Hassan erstaunt.

»Selbstverständlich, denn ich habe mein älteres Ich besucht, so wie du mich besuchst. Das ist schon so lange her, dass ich den genauen Tag vergessen habe. Komm, speise mit mir.«

Die beiden gingen in das Esszimmer, wo ihnen Diener mit Pistazien gefüllte Hühnchen, in Honig getränktes Schmalzgebäck und geröstetes Lamm mit Granatäpfeln servierten. Der ältere Hassan erzählte nur wenige Einzelheiten aus seinem Leben: Er erwähnte seine vielfältigen Geschäftsinteressen, sagte aber nichts darüber, wie er Kaufmann geworden war; er erwähnte seine Frau, sagte aber, dass es noch nicht an der Zeit für den jüngeren Hassan sei, sie kennenzulernen. Stattdessen bat er den jungen Hassan, ihm von den Streichen zu erzählen, die er als Kind angestellt hatte, und lachte über die Geschichten, die in seinem Gedächtnis verblasst waren.

Schließlich fragte der jüngere Hassan den älteren: »Wie habt Ihr es vollbracht, das Schicksal zu Euren Gunsten zu wenden und so vermögend zu werden?«

»Alles, was ich dir im Augenblick erzählen will, ist dies: Wenn du auf den Markt gehst, um Hanf zu kaufen, und dabei der Straße der Schwarzen Hunde folgst, dann gehe nicht die Südseite der Straße entlang, wie du es sonst zu tun pflegst. Gehe die Nordseite entlang.«

»Und das wird mir ermöglichen, mich über meinen Stand zu erheben?«

»Tue einfach, was ich dir sage. Geh jetzt nach Hause zurück, du musst Seile machen. Du wirst wissen, wann du mich wieder besuchen sollst.«