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Der junge Hassan kehrte in seine Zeit zurück und tat, wie ihm geheißen, und er blieb auf der Nordseite der Straße, auch wenn es dort keinen Schatten gab. Einige Tage später wurde er Zeuge, wie ein wild gewordenes Pferd auf der Südseite der Straße, ihm genau gegenüber, durchging, mehrere Leute trat, einen Mann verwundete, indem es einen schweren Krug mit Palmöl umstieß, und einen weiteren sogar unter seinen Hufen zertrampelte. Nachdem die Unruhe sich gelegt hatte, betete Hassan zu Allah, er möge die Verwundeten heilen und den Toten in Frieden ruhen lassen, und er dankte Allah dafür, dass er ihn verschont hatte.

Am nächsten Tag trat Hassan abermals durch das ›Tor der Jahre‹ und besuchte sein älteres Ich. »Wurdet Ihr durch das Pferd verletzt, als Ihr ihm begegnet seid?«, fragte er.

»Nein, denn ich habe die Warnung meines älteren Ichs beachtet. Vergiss nicht, dass du und ich dieselbe Person sind; alles, was dir zustößt, ist einst auch mir geschehen.«

Und so gab der ältere Hassan dem jüngeren Weisungen, und der jüngere befolgte sie. Er kaufte keine Eier bei seinem gewohnten Händler und wurde so von einer Krankheit verschont, die alle Kunden befiel, welche Eier aus dem verdorbenen Korb gekauft hatten. Er besorgte sich Hanf auf Vorrat und hatte somit Material für seine Arbeit, während andere wegen einer verspäteten Karawane einen Engpass hinnehmen mussten.

Hassan vermied so manches Ungemach, indem er die Anweisungen seines älteren Ichs befolgte, doch er fragte sich, warum sein älteres Ich ihm nicht mehr offenbarte. Wen würde er heiraten? Wie würde er reich werden?

Eines Tages dann, nachdem er all seine Seile verkauft und sich einer ungewöhnlich vollen Börse erfreute, stieß Hassan auf der Straße mit einem Jungen zusammen. Er tastete nach seiner Börse, merkte, dass sie fort war, und wandte sich rufend um, um nach dem Taschendieb zu suchen. Der Junge vernahm Hassans Rufe und floh sofort durch die Menge. Hassan sah noch, dass die Tunika des Jungen am Ellbogen zerrissen war, verlor ihn aber dann bald aus den Augen.

Einen Moment lang war Hassan fassungslos, dass ihm so etwas widerfahren konnte, ohne dass ihn sein älteres Ich gewarnt hatte. Seine Überraschung aber wich bald seinem Zorn, und er nahm die Verfolgung auf. Er rannte durch die Menge, begutachtete die Ellbogen der Tuniken vieler Jungen, bis er den Taschendieb durch Zufall unter einem Obstkarren entdeckte. Hassan packte ihn und rief laut, dass er einen Dieb gefasst habe und jemand die Stadtwache verständigen solle. Aus Angst, verhaftet zu werden, ließ der Junge Hassans Börse fallen und begann zu weinen. Hassan schaute den Jungen lange an, und als sein Ärger schließlich verflogen war, ließ er ihn gehen.

Als er sein älteres Ich das nächste Mal traf, fragte Hassan: »Warum habt Ihr mich nicht vor dem Taschendieb gewarnt?«

»Hat dich dieses Erlebnis etwa nicht mit Freude erfüllt?«, fragte sein älteres Ich.

Hassen wollte schon verneinen, doch dann hielt er inne. »Das hat es«, gab er zu.

Die Jagd auf den Jungen hatte, ohne die Gewissheit, ob er Erfolg haben würde oder nicht, sein Blut in Wallung gebracht wie schon seit vielen Wochen nicht mehr. Und die Tränen des Knaben erinnerten ihn an die Lehren des Propheten über den Wert der Barmherzigkeit, und dass er den Knaben hatte ziehen lassen, erfüllte Hassan mit dem Gefühl, tugendhaft zu sein.

»Wäre es dir lieber gewesen, ich hätte dir dieses Erlebnis verwehrt?«

So, wie wir im Laufe der Jahre den Wert von Sitten und Bräuchen verstehen, die uns als Jugendliche unnütz erscheinen, begriff Hassan nun, dass das Zurückhalten von Wissen ebenso sinnvoll sein konnte wie dessen Weitergabe. »Nein«, sagte er, »es war durchaus richtig von Euch, mich nicht zu warnen.«

Der ältere Hassan sah, dass er verstanden hatte. »Nun werde ich dir etwas sehr Wichtiges sagen. Miete ein Pferd. Ich werde dir den Weg zu einem Ort im Vorgebirge westlich der Stadt beschreiben. Dort wirst du in einem Hain einen Baum finden, der vom Blitz getroffen wurde. Suche am Fuße des Baumes nach dem größten Stein, den du bewegen kannst, und grabe dann unter ihm.«

»Wonach soll ich suchen?«

»Das wirst du wissen, wenn du es findest.«

Am darauffolgenden Tag ritt Hassan hinaus ins Vorgebirge und suchte, bis er den Baum gefunden hatte. Die Erde um den Baum herum war mit Steinen bedeckt, und Hassan wälzte einen großen Stein zur Seite, um darunter zu graben, dann noch einen, und noch einen. Schließlich traf sein Spaten auf etwas anderes als Erde und Stein. Er schaufelte die Erde beiseite und stieß auf eine Bronzekiste, die mit Golddinaren und verschiedenen Edelsteinen gefüllt war. In seinem ganzen Leben hatte Hassan noch nichts dergleichen gesehen. Er lud die Kiste auf das Pferd und ritt zurück nach Kairo.

Als er das nächste Mal mit seinem älteren Ich sprach, fragte er: »Woher habt Ihr gewusst, wo der Schatz versteckt war?«

»Das habe ich von mir selbst erfahren«, sagte der ältere Hassan, »genau so wie du. Aber wie wir überhaupt von dem Versteck Kenntnis erlangt haben, kann auch ich nicht erklären, abgesehen davon, dass es dem Willen Allahs entsprach, und was für eine andere Erklärung könnte es sonst für irgendetwas auf der Welt geben?«

»Ich gelobe, dass ich mich dieser Reichtümer, mit denen Allah mich gesegnet hat, mit Bedacht bedienen werde«, sagte der jüngere Hassan.

»Und ich erneuere dieses Gelöbnis«, sagte der ältere. »Es ist dies das letzte Mal, dass wir miteinander reden. Du wirst nun deinen eigenen Weg gehen. Friede sei mit dir.«

Also kehrte Hassan nach Hause zurück. Mit dem Gold konnte er große Hanfvorräte erwerben, Arbeiter anstellen und ihnen einen gerechten Lohn zahlen und Seile mit Gewinn an alle verkaufen, die welche benötigten. Er heiratete eine schöne und kluge Frau, auf deren Rat hin er damit begann, auch mit anderen Gütern zu handeln, bis er ein wohlhabender und angesehener Kaufmann war. Während all dieser Zeit spendete er großzügig den Armen und lebte als ehrenwerter Mann. Auf diese Weise lebte Hassen ein glückliches Leben, bis der Tod, der Zerstörer aller Bande und Freuden, ihn heimsuchte.

Das ist eine bemerkenswerte Geschichte«, sagte ich. »Einen überzeugenderen Anreiz für jemanden, der sich nicht sicher ist, ob er das Tor benutzen soll oder nicht, kann ich mir nicht vorstellen.«

»Es ist weise von euch, skeptisch zu sein«, sagte Bashaarat. »Allah belohnt jene, die er zu belohnen wünscht, und straft, wen er zu strafen wünscht. Das Tor ändert nichts daran, was er von Euch hält.«

Ich nickte, in dem Glauben, verstanden zu haben. »Selbst wenn es jemandem gelingt, Unglück abzuwenden, das einem älteren Selbst widerfahren ist, gibt es keine Gewissheit, dass einem kein anderes Unglück widerfährt.«

»Nein, verzeiht einem alten Mann die Dunkelheit seiner Worte. Durch das Tor zu gehen, ist nicht dasselbe, wie ein Los zu ziehen, wo man jedes Mal eine neue Chance bekommt. Durch das Tor zu gehen, ist vielmehr so, wie wenn man einen Geheimgang in einem Palast benutzt, einen Weg, der einen schneller zu einem Zimmer führt als der Weg über die Flure. Das Zimmer aber bleibt dasselbe, ganz gleich, durch welche Tür man hineingelangt.«

Das überraschte mich. »Die Zukunft ist also unabänderlich? So wie die Vergangenheit?«

»Es heißt, dass Reue und Sühne die Vergangenheit ungeschehen machen können.«

»Das habe ich auch vernommen, aber meiner Erfahrung nach ist das nicht wahr.«

»Es tut mir leid, das zu hören«, sagte Bashaarat. »Alles, was ich Euch sagen kann, ist, dass die Zukunft sich nicht ändern lässt.«

Darüber dachte ich eine Zeit lang nach. »Wenn man also erfährt, dass man in zwanzig Jahren tot sein wird, dann kann man nichts unternehmen, um seinen Tod abzuwenden?« Er nickte. Zuerst erschien mir das sehr entmutigend, doch dann fragte ich mich, ob es nicht auch eine gewisse Sicherheit verhieß. Ich sagte: »Nehmen wir an, man erfährt, dass man in zwanzig Jahren noch leben wird. Nichts könnte einen also in den nächsten zwanzig Jahren umbringen. Man könnte an den waghalsigsten Kämpfen teilnehmen, denn es ist sicher, dass man überlebt.«