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Raniya wusste, dass der junge Hassan die Halskette nicht verkauft haben konnte, denn sie befand sich in ihrem Besitz. Auch wusste sie, dass die Räuber den jungen Hassan nicht getötet hatten. Doch es konnte nicht Allahs Wille sein, dass sie nichts unternahm. Allah hatte sie gewiss hierhergeführt, um sich ihrer in seiner Weisheit zu bedienen.

Raniya kehrte zum ›Tor der Jahre‹ zurück, schritt hindurch in ihre eigene Zeit und holte in ihrem Haus die Halskette aus der Schmuckschatulle. Wieder nutzte sie das ›Tor der Jahre‹, doch statt durch die linke Seite zu gehen, ging sie durch die rechte, sodass sie das zwanzig Jahre in der Zukunft liegende Kairo betrat. Dort suchte sie ihr älteres Ich auf, nun eine gealterte Frau. Die ältere Raniya begrüßte sie herzlich und holte aus ihrer eigenen Schatulle die Halskette. Dann besprachen sich die beiden Frauen, wie sie dem jungen Hassan zur Seite stehen konnten.

Die beiden Räuber kehrten am nächsten Tag mit einem dritten Mann zurück, von dem Raniya annahm, dass er der Hauptmann der Banditen war. Sie alle beobachteten, wie Hassan dem Juwelier die Halskette zeigte.

Der Juwelier untersuchte die Halskette, als Raniya zu ihnen trat und sprach: »Was für ein Zufall! Juwelier, ich möchte eine Halskette verkaufen, die genauso aussieht wie diese hier.« Aus dem Beutel, den sie trug, holte sie ihre Kette hervor.

»Das ist unglaublich«, sagte der Juwelier. »Niemals habe ich zwei Halsketten gesehen, die sich derart gleichen.«

Dann trat die alte Raniya zu ihnen. »Was sehe ich da? Meine Augen täuschen mich sicherlich!« Und mit diesen Worten zog sie eine dritte Halskette hervor, die den beiden anderen glich. »Der Mann, der mir diese Kette verkaufte, versicherte mir, dass sie einzigartig sei. Das hier beweist wohl, dass er ein Lügner war.«

»Ihr solltet sie vielleicht umtauschen«, sagte Raniya.

»Das kommt darauf an«, sagte die ältere Raniya. Sie fragte Hassan: »Wie viel will der Juwelier Euch für Eure Kette bezahlen?«

»Eintausend Dinare«, sagte Hassan verwirrt.

»Wirklich? Juwelier, würdet Ihr diese hier auch kaufen wollen?«

»Ich muss mein Angebot überdenken«, sagte der Juwelier.

Während Hassan und die ältere Raniya mit dem Juwelier feilschten, entfernte sich Raniya weit genug von ihnen, um zu hören, wie der Räuberhauptmann die beiden Diebe schalt. »Ihr Narren«, sagte er. »Das ist eine gewöhnliche Halskette. Fast hätten wir wegen euch die Hälfte der Juweliere Kairos gemeuchelt und die Stadtwache auf uns aufmerksam gemacht.« Er gab den beiden eine Backpfeife und führte sie weg.

Raniya wandte ihre Aufmerksamkeit wieder dem Juwelier zu, der sein Angebot, Hassans Halskette zu kaufen, zurückzog. Die ältere Raniya sagte: »Also gut. Ich werde versuchen, die Kette dem Mann zurückzugeben, von dem ich sie gekauft habe.« Als die alte Frau den Laden verließ, konnte Raniya sehen, dass sie unter ihrem Schleier lächelte.

Raniya sprach Hassan an. »Mir scheint, heute wird keiner von uns beiden eine Halskette verkaufen.«

»Vielleicht ein anderes Mal«, sagte Hassan.

»Ich werde meine Kette wieder nach Hause bringen und aufbewahren«, sagte Raniya. »Wollt Ihr mich begleiten?«

Hassan erklärte sich einverstanden und ging mit Raniya zu dem Haus, das sie gemietet hatte. Sie bat ihn herein, bot ihm Wein an, und nachdem sie beide getrunken hatten, führte sie ihn in ihr Schlafgemach. Sie zog die schweren Vorhänge vor die Fenster und löschte alle Lampen, sodass es in dem Raum so finster war wie die Nacht. Erst dann lüftete sie ihren Schleier und nahm Hassan zu sich ins Bett.

Raniya war wie berauscht, so sehr hatte sie sich nach diesem Augenblick gesehnt, und entsprechend überrascht war sie, als sie bemerkte, wie plump und ungeschickt Hassan sich anstellte. Nur zu gut erinnerte sie sich an ihre Hochzeitsnacht; da war er selbstsicher gewesen, und seine Berührungen hatten ihr den Atem geraubt. Sie wusste, dass Hassan der jungen Raniya bald begegnen würde, und für einen Augenblick war es ihr ein Rätsel, wie dieser linkische Junge sich so schnell ändern konnte. Doch natürlich kam sie bald auf des Rätsels Lösung.

So also traf Raniya Hassan viele Tage lang in ihrem gemieteten Haus und unterwies ihn in der Kunst der Liebe; sie offenbarte ihm, dass, wie man sagt, die Frauen die wunderbarste Schöpfung Allahs sind. Sie sprach zu ihm: »Das Vergnügen, das du gibst, wird belohnt durch das Vergnügen, das du empfängst«, und bei sich lächelte sie, als sie daran dachte, wie wahr ihre Worte tatsächlich waren. Es dauerte nicht lange, und er verfügte über das Geschick, an das sie sich erinnerte, und sie selbst erfreute sich dabei größeren Entzückens, als sie es als junge Frau empfunden hatte.

Allzu bald schon brach der Tag an, an dem Raniya dem jüngeren Hassan sagen musste, dass es für sie an der Zeit sei, ihn zu verlassen. Er war so klug, sie nicht nach ihren Gründen zu fragen, wollte aber von ihr wissen, ob sie sich jemals wiedersehen würden. Nein, antwortete sie ihm sanft. Dann verkaufte sie die Einrichtung an den Besitzer des Hauses und kehrte durch das ›Tor der Jahre‹ zurück in das Kairo ihrer eigenen Zeit.

Als der ältere Hassan von seiner Reise nach Damaskus zurückkehrte, erwartete Raniya ihn bereits. Sie begrüßte ihn herzlich, behielt aber ihr Geheimnis für sich.

Als Bashaarat diese Geschichte beendet hatte, hing ich meinen eigenen Gedanken nach, bis er sprach: »Ich merke, dass diese Geschichte Euch auf eine Weise fasziniert, wie es die anderen nicht taten.«

»Da habt Ihr wohl recht«, gab ich zu. »Ich begreife nun, dass man dem Unvorhergesehenen begegnen kann, wenn man die Vergangenheit aufsucht, auch wenn sie unabänderlich ist.«

»So ist es. Versteht Ihr jetzt, warum ich sagte, dass Vergangenheit und Zukunft einander gleichen? Beides können wir nicht ändern, aber beides können wir besser verstehen.«

»Das begreife ich; Ihr habt mir die Augen geöffnet, und ich möchte nun durch das ›Tor der Jahre‹ treten. Welchen Preis verlangt ihr?«

Er winkte ab. »Die Reise durch das Tor ist nicht käuflich«, sagte er. »Allah führt in meinen Laden, wen er wünscht, und ich bin es zufrieden, ein Werkzeug seines Willens zu sein.«

Von jedem anderen Mann hätte ich angenommen, dass diese Worte der Auftakt zu längerem Feilschen wären, aber nach allem, was mir Bashaarat erzählt hatte, wusste ich, dass er es ernst meinte. »Eure Großzügigkeit ist so grenzenlos wie Eure Weisheit«, sagte ich und verbeugte mich. »Wenn es jemals etwas gibt, wobei Euch ein Stoffhändler zu Diensten sein kann, dann lasst es mich bitte wissen.«

»Ich danke Euch. Sprechen wir nun über Eure Reise. Es gibt einige Dinge, die wir klären müssen, bevor Ihr das Bagdad von in zwanzig Jahren besucht.«

»Ich möchte nicht in die Zukunft«, erklärte ich ihm. »Ich möchte durch die andere Seite treten, um meine Jugendzeit wiederzusehen.«

»Ah, ich bitte vielmals um Entschuldigung. Dorthin kann Euch dieses Portal nicht bringen. Ich habe es erst vor einer Woche gebaut. Vor zwanzig Jahren gab es hier kein Tor, aus dem Ihr herauskommen könntet.«

Meine Bestürzung war so groß, dass ich wie ein verzweifeltes Kind geklungen haben muss. Ich sprach: »Aber wohin führt dann die andere Seite des Portals?«, und ging um das kreisrunde Portal, um mir die gegenüberliegende Seite anzusehen.

Bashaarat trat zu mir und blieb neben mir stehen. Der Blick durch das Portal schien dasselbe zu zeigen wie außerhalb des Rahmens, doch als er seine Hand hindurchstrecken wollte, wurde sie aufgehalten, als stieße sie gegen eine unsichtbare Wand. Ich sah genauer hin und bemerkte, dass auf dem Tisch eine Messinglampe stand. Ihre Flamme flackerte nicht, sondern stand still und bewegungslos, als wäre der Raum in durchsichtigem Bernstein eingeschlossen.

»Was Ihr hier seht, ist dieser Raum, wie er vor einer Woche war«, sagte Bashaarat. »In zwanzig Jahren wird diese Seite des Portals Menschen Einlass gewähren und ihnen erlauben, so in die Vergangenheit zu gelangen. Oder«, sagte er und führte mich zurück auf die Seite des Portals, die er mir zuerst gezeigt hatte, »wir gehen durch die rechte Seite und besuchen diese Menschen selbst. Aber ich muss leider sagen, dass dieses Portal niemals genutzt werden kann, damit Ihr die Tage Eurer Jugend wiederseht.«