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Die Reise mit der Karawane verlief ereignislos, und nach sechzig Sonnenaufgängen und dreihundert Gebeten erreichte ich Kairo. Dort musste ich mich im Gewirr der Straßen zurechtfinden, verglichen mit dem harmonischen Grundriss der Stadt des Friedens ein verwirrendes Labyrinth. Ich begab mich zur Bayn al-Qadrayn, der Hauptstraße, die durch das Fatmid-Viertel Kairos verläuft. Von dort aus fand ich die Straße, in der sich Bashaarats Geschäft befand.

Dem Ladenbesitzer erzählte ich, dass ich mit seinem Vater in Bagdad gesprochen hatte, und ich überreichte ihm Bashaarats Brief. Nachdem er diesen gelesen hatte, führte er mich in einen Raum im Inneren des Hauses, in dessen Mitte ein weiteres ›Tor der Jahre‹ stand, und er bedeutete mir, es von seiner linken Seite zu betreten.

Als ich vor dem wuchtigen Metallkreis stand, überlief mich ein kalter Schauer, und ich schalt mich für meine Nervosität. Mit einem tiefen Atemzug trat ich hindurch und fand mich in demselben Raum wieder, dessen Möbel nun aber andere waren. Ohne diesen Unterschied hätte ich das Tor für einen gewöhnlichen Durchgang gehalten. Dann bemerkte ich, dass der Schauer, den ich verspürt hatte, daher rührte, dass es in diesem Raum merklich kühler war, denn der Tag hier war nicht so heiß wie der Tag, den ich hinter mir gelassen hatte. Ich spürte den warmen Luftzug des zurückliegenden Tages, der wie ein Seufzen durch das Tor strömte.

Der Ladeninhaber folgte mir und rief: »Vater, du hast einen Besucher.«

Ein Mann betrat den Raum, und es war niemand anderer als Bashaarat, allerdings zwanzig Jahre jünger, als ich ihn zuletzt in Bagdad gesehen hatte. »Willkommen, mein Herr«, sagte er. »Ich bin Bashaarat.«

»Ihr erkennt mich nicht wieder?«, fragte ich.

»Nein. Ihr müsst meinem älteren Ich begegnet sein. Für mich ist dies unser erstes Treffen, doch ist es mir eine Ehre, Euch zu Diensten zu sein.«

Eure Majestät, wie es dieser Chronik meiner Unzulänglichkeiten geziemt, muss ich Euch nun gestehen, dass ich mich auf meiner Reise von Bagdad her allzu sehr meinem Kummer hingegeben hatte und folglich erst jetzt begriff, dass Bashaarat mich von dem Augenblick an, da ich seinen Laden zum ersten Mal betrat, wohl wiedererkannt haben musste. Als ich einst seine Wasseruhr und seinen Singvogel aus Messing bewunderte, muss er bereits gewusst haben, dass ich nach Kairo reisen würde ... und ob ich mein Ziel erreichen würde oder nicht.

Der Bashaarat, mit dem ich nun sprach, wusste jedoch nichts von diesen Dingen. »Ich bin für Eure Höflichkeit doppelt dankbar«, sagte ich. »Mein Name ist Fuwaad ibn Abbas, und ich bin soeben aus Bagdad eingetroffen.«

Bashaarats Sohn verabschiedete sich, und Bashaarat und ich berieten uns. Ich fragte ihn nach Tag und Monat und stellte fest, dass ich noch reichlich Zeit hatte, um wieder in die Stadt des Friedens zu reisen, und ich versprach, ihm bei meiner Rückkehr alles zu erzählen. Sein jüngeres Ich war ebenso liebenswürdig wie sein älteres. »Ich freue mich darauf, Euch wiederzusehen, und darauf, Euch in zwanzig Jahren helfen zu können«, sagte er.

Seine Worte ließen mich innehalten. »Hattet Ihr vor dem heutigen Tag schon die Absicht, ein Geschäft in Bagdad zu eröffnen?«

»Warum fragt Ihr?«

»Ich wundere mich nur über den Zufall, dass wir uns in Bagdad gerade rechtzeitig begegnet sind, damit ich die Reise hierher antreten, das Tor durchschreiten und wieder zurück nach Bagdad reisen kann. Nun frage ich mich, ob das womöglich überhaupt gar kein Zufall war. Ist meine heutige Ankunft hier der Grund, warum Ihr euch in zwanzig Jahren nach Bagdad aufmachen werdet, um einen Laden zu eröffnen?«

Bashaarat lächelte. »Zufall und Bestimmung sind wie die beiden Seiten eines Wandteppichs. Eine Seite mag für das Auge schöner zu betrachten sein, aber Ihr könnt nicht sagen, ob die andere Seite wahr oder falsch ist.«

»Wieder einmal eröffnet Ihr mir etwas, über das ich gründlich nachdenken muss«, erwiderte ich.

Ich dankte ihm und verabschiedete mich. Als ich das Geschäft verließ, eilte eine Frau an mir vorbei. Ich vernahm, wie Bashaarat sie als Raniya begrüßte, und hielt überrascht inne.

Von direkt vor der Schwelle konnte ich hören, wie die Frau sagte: »Ich habe die Halskette. Ich hoffe, mein älteres Ich hat sie nicht verloren.«

»Ich bin sicher, dass Ihr gut darauf aufgepasst habt, denn Ihr wusstet, dass Ihr kommen würdet«, sagte Bashaarat.

Ich begriff, dass dies Raniya aus der Geschichte war, die Bashaarat mir erzählt hatte. Sie war dabei, sich mit ihrem älteren Ich zu treffen, um mit ihr in die Tage ihrer Jugend aufzubrechen, dort die Diebe mit der doppelten Halskette zu verwirren und so ihren Ehemann zu retten. Das Gefühl, in eine Erzählung eingedrungen zu sein, ließ mich einen Augenblick lang zweifeln, ob ich wach war oder träumte. Die Vorstellung, mit den Figuren der Erzählung zu reden und an den Ereignissen teilnehmen zu können, war schwindelerregend. Ich geriet in Versuchung zu sprechen, um herauszufinden, ob ich eine versteckte Rolle in dieser Erzählung spielen konnte, doch dann besann ich mich und erinnerte mich daran, dass ich in meiner eigenen Geschichte eine verborgene Rolle spielen wollte. So ging ich also wortlos davon und suchte mir eine Karawane, der ich mich anschließen konnte.

Es heißt, Eure Majestät, dass das Schicksal über die Pläne der Sterblichen lacht. Zuerst schien es, dass mir das Glück hold war, denn noch innerhalb eines Monats brach eine Karawane in Richtung Bagdad auf. In den darauffolgenden Wochen begann ich jedoch, meinem Glück zu zürnen, denn die Reise dieser Karawane war von Hemmnissen geplagt. Die Quellen einer Stadt unweit von Kairo waren ausgetrocknet, und ein Trupp musste zurückgeschickt werden, um Wasser zu holen. In einem anderen Dorf erkrankten die Soldaten, welche die Karawane bewachten, an der Ruhr, und wir mussten Wochen warten, bis sie wieder genesen waren. Mit jeder Verzögerung musste ich neue Berechnungen anstellen, wann wir in Bagdad eintreffen würden, und allmählich wurde ich immer nervöser.

Die Sandstürme, die uns alsbald heimsuchten, schienen mir wie eine Warnung Allahs und ließen mich wahrlich die Weisheit meines Handelns bezweifeln. Wir hatten das Glück, bei einer Karawanserei westlich von Kufa zu rasten, als die Stürme zum ersten Mal über uns hereinbrachen. Doch unser Aufenthalt zog sich hin, zuerst tage-, dann wochenlang, als ein ums andere Mal der Himmel sich aufklarte, nur um sich wieder zu verfinstern, sobald unsere Kamele beladen waren. Der Tag von Najyas Unglück rückte näher und näher, und ich wurde immer verzweifelter.

Ich wandte mich an jeden einzelnen der Kamelführer mit der dringlichen Bitte, mit mir alleine vorauszureisen, aber ich konnte keinen von ihnen überzeugen. Schließlich fand ich einen, der bereit war, mir ein Kamel für einen Preis zu verkaufen, der unter anderen Umständen unverschämt hoch gewesen wäre, den ich aber nur zu bereitwillig zahlte. Dann machte ich mich alleine auf den Weg.

Es ist wohl kaum erstaunlich, dass ich während des Sturmes nur langsam vorankam, doch sobald der Wind nachließ, gelang es mir, ein rasches Tempo einzuschlagen. Allerdings war ich ohne die Wächter der Karawane ein leichtes Opfer für Räuber, und natürlich wurde ich nach zwei Tagen aufgehalten. Sie nahmen mir mein Geld und mein Kamel, verschonten jedoch mein Leben. Ob aus Mitleid, oder weil ich ihnen gleichgültig war, vermag ich nicht zu sagen. Ich kehrte zurück, um mich wieder der Karawane anzuschließen, doch quälte mich nun ein wolkenloser Himmel, und ich litt entsetzlich unter der Hitze. Als die Karawane mich fand, war meine Zunge geschwollen, und meine Lippen waren so rissig wie in der Sonne gebackener Lehm. Von da an hatte ich keine andere Wahl, als bei der Karawane zu bleiben.

Wie eine welke Rose, deren Blütenblätter eines nach dem anderen abfallen, schwand mit jedem Tag meine Hoffnung. Als die Karawane die Stadt des Friedens erreichte, wusste ich, dass es zu spät war, doch als wir durch das Stadttor einritten, fragte ich die Torwachen, ob sie von einer Moschee gehört hatten, die eingestürzt sei. Der erste Wachmann, den ich fragte, wusste nichts, und einen Herzschlag lang wagte ich zu hoffen, dass ich den Tag des Unglücks falsch in Erinnerung hatte und in der Tat noch rechtzeitig angekommen war.