— Regent’s Park ist zu jeder Jahreszeit empfehlenswert, aber natürlich regnet es häufig, sagte Bentham, blickte zu Alistair und Isabelle, die unschlüssig nebeneinanderstanden, und Bentham stand auf, deutete eine Verbeugung an. Isabelle setzte sich, sie nahm Fahrt auf wie ein kleines Schulsegelboot, entzückend, jungmädchenhaft, ein Optimist in günstigem Wind, und da sagte Alistair etwas, machte einen Vorschlag, dem Isabelle zustimmte, dem Bentham zustimmte, aber Jakob hatte Bentham angeschaut und nichts gehört.
Irgendein Geräusch weckte sie morgens, wenn das Bett neben ihr schon abgekühlt war, die Bettdecke über den Rand hing wie erstarrt. Sie wußte nicht, was es war, und später, als sie hinuntergegangen war ins Erdgeschoß, hörte sie die Nachbarn lärmen, nicht jeden Tag, aber oft genug, um darauf zu warten. Wenn es windig war, klapperten die Fenster. Es war schon Anfang März, die Anzeichen des Frühlings mehrten sich, weitere Umfragen über den Irak-Krieg wurden veröffentlicht, sie kaufte am Kiosk neben der U-Bahn-Station den Guardian, in der Falkland Road gab es einen Lebensmittelladen, und zu Sainsbury’s in Camden Town war es auch nicht weit. Ginka rief an, Alexa, sogar ihr Vater, sie fragten, ob es jetzt, da sich der Einmarsch der Amerikaner und Briten im Irak abzeichnete, nicht zu gefährlich sei und ob sie mit der U-Bahn fahre, unvermeidlich, sagte ihr Vater, daß etwas geschehe, früher oder später. Jakob bemühte sich, nicht allzu spät aus dem Büro zu kommen. Alistair war ihr erster Gast, zu Hühnchen bot Isabelle ihnen Erbsen in Minzsoße an, sie hatte nicht gewußt, daß es Minzsoße wirklich gab. Bentham, sagte Jakob, wolle sie einladen, und Jakob kaufte sich einen dunkelblauen Anzug und zwei Hemden von Paul Smith, sie waren in der Regent’s Street gewesen, aber Isabelle lief noch immer in Turnschuhen herum, unkenntlich grau nach einer Woche. Obstbäume blühten, Blumen im Park und in den kleinen Vorgärten, auf der Fensterbank vor dem Schlafzimmer in verblichenen Blumenkästen die Osterglocken. — Hier schneit es, sagte Andras am Telefon, ich sehe aus dem Fenster, Schneeflocken sind das. Die Kunden rennen uns die Bude ein. Alles geht weiter wie bisher, ist das nicht wunderbar?
Jakob sah Bentham jetzt jeden Tag. Er kam nicht vor elf Uhr, saß bei Maude, dann in der Bibliothek bei Mister Krapohl, stieg schließlich die Treppen langsam, mit schweren Schritten hinauf (den Aufzug benutzte er nicht), hielt brummelnd vor Jakobs Tür, höflich, nicht einladend, ein Tanzbär, der seine Kunst für sich behielt. Um fünf Uhr brachte Maude auf einem Tablett ein Glas heiße Milch mit Honig, weil Bentham Tee nicht leiden konnte, nicht nachmittags, er war, sagte er Jakob, ein alter Mann mit einer alten Stimme, der heiße Milch mit Honig guttat, und Maude verbot ihm, vor sechs Uhr Whisky zu trinken. Das Jackett saß eng über dem vorgewölbten Bauch, er hatte sehr kleine Füße. Den ganzen Tag klingelte das Telefon, Maude rief die Namen der Anrufer aus wie ein Zeremonienmeister, aber es hörte sie nur, wer gerade im Treppenhaus war, und dann drückte sie unterschiedliche Knöpfe, verärgert, nervös, und oft mußten die Mandanten mehrmals anrufen. — Sie rufen wieder an, grinste Alistair, du siehst ja. Und wirklich taten sie das, unverdrossen, hoffnungsvoll, damit Bentham und seine Kanzlei lösten, was sich anderswo dahinschleppte oder unklar blieb. — Wir gehen nicht vor Gericht, natürlich nicht, wir schließen meistens nicht einmal die Verträge ab, sondern entwerfen sie bloß, erklärte Alistair. Bentham kann endlose Verhandlungen nicht leiden, er macht Vorschläge, und die Mandanten nehmen einen weiteren Anwalt, der sie umsetzt oder eben nicht. Bentham ist das ziemlich egal. Vielleicht funktioniert es deswegen so gut. Nur in Deutschland brauchen wir jemanden, der die Sachen vor Ort und vor Gericht durchficht, wenn es nicht anders geht.