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»Aber um es zu reparieren . . .?« begann ich.

Er lächelte; mein eigenes Gesicht verzog sich vor mir.

»Hast du die Lust daran verloren, ein Herr der lebendigen Leere zu sein, ein König des Chaos?« fragte er.

»Mag sein«, erwiderte ich.

»Beim Einhorn, deiner Mutter – wußte ich doch, daß es so weit kommen würde! Das Muster ist so stark in dir ausgeprägt wie das Reich. Was ersehnst du dir dann?«

»Ich möchte das Land erhalten.«

Er schüttelte den Kopf. »Es wäre einfacher, alles zu vernichten und einen Neuanfang zu versuchen – das habe ich dir schon so oft gepredigt.«

»Ich bin stur. Predige es mir noch einmal«, sagte ich und versuchte Vaters barschen Ton nachzuahmen.

Er zuckte die Achseln.

»Wird das Muster vernichtet, geht Amber unter – und alle Schatten, die sich in polarem Arrangement darum erstrecken. Gestatte mir, mich selbst in der Mitte des Musters zu vernichten; damit würden wir es auslöschen. Eröffne mir diesen Weg, indem du mir versprichst, daß du dann das Juwel nimmst, welches die Essenz der Ordnung in sich birgt, um ein neues Muster zu schaffen, hell und rein und unbefleckt, mit einer Kraft, die du aus dem Stoff deines eigenen Seins schöpfst, während die Legionen des Chaos dich von allen Seiten bestürmen. Versprich mir das und laß mich Schluß machen, denn so heruntergekommen wie ich bin, möchte ich lieber für die Ordnung sterben als dafür leben. Was sagst du jetzt?«

»Wäre es nicht besser, zu versuchen, das vorhandene Muster zu reparieren, anstatt die Arbeit von Äonen zunichtezumachen?«

»Feigling!« rief er und sprang auf. »Wußte ich doch, daß du wieder so reden würdest!«

»Nun, wäre es nicht so?«

Er begann hin und her zu wandern.

»Wie oft haben wir dieses Gespräch nun schon geführt?« fragte er. »Nichts hat sich verändert. Du hast Angst, es zu versuchen.«

»Kann sein«, sagte ich. »Aber spürst du nicht auch, daß etwas, für das man soviel gegeben hat, einige Mühe, einige zusätzliche Opfer wert ist, solange nur die Möglichkeit der Rettung besteht?«

»Du verstehst mich noch immer nicht«, behauptete er. »Ich kann nur immer daran denken, daß etwas Beschädigtes vernichtet – und voller Hoffnung erneuert werden sollte. Die Wunde in mir ist so beschaffen, daß ich mir eine Wiederherstellung einfach nicht vorstellen kann. Ich bin nun mal auf diese Art beschädigt worden. Meine Gefühle sind vorherbestimmt.«

»Wenn das Juwel ein neues Muster schaffen kann, warum gibt es sich dann nicht dazu her, das alte zu reparieren, unseren Ärger zu beenden, unsere Moral zu heben?«

Er kam näher und baute sich vor mir auf.

»Wo sind deine Erinnerungen?« fragte er. »Du weißt genau, daß es ungeheuer viel schwieriger sein würde, den Schaden auszumerzen, als ganz von vorn zu beginnen. Selbst das Juwel könnte das Muster eher vernichten als reparieren. Hast du vergessen, wie es da draußen aussieht?« Er deutete auf die Wand hinter sich. »Möchtest du´s dir noch einmal anschauen?«

»Ja«, sagte ich. »Ja, gern. Gehen wir.«

Ich stand auf und blickte auf ihn hinab. Als er sich aufzuregen begann, hatte er etwas die Kontrolle über sein Äußeres verloren. Schon hatte er drei oder vier Zoll an Größe verloren, sein/mein Gesicht zerschmolz zu den eigenen zwergenhaften Zügen, und der Buckel begann zwischen seinen Schulterblättern sichtbar zu werden, war bereits erkennbar gewesen, als er seine große Armbewegung machte.

Er riß die Augen auf, als er in mein Gesicht blickte.

»Du meinst es ja ernst!« sagte er nach kurzem Schweigen. »Na schön! Gehen wir.«

Er machte kehrt und näherte sich der großen Metalltür. Ich folgte ihm. Mit beiden Händen drehte er den Schlüssel. Dann warf er sich mit voller Kraft dagegen. Ich machte Anstalten, ihm zu helfen, doch er schob mich mit außerordentlicher Kraft zur Seite, ehe er der Tür den letzten Stoß gab. Ein knirschendes Geräusch ertönte, dann schwang die Tür nach außen und war schließlich völlig offen. Sofort fiel mir ein seltsamer, irgendwie vertrauter Geruch auf.

Dworkin trat über die Schwelle und hielt inne. Er nahm einen Gegenstand an sich, der zu seiner Rechten an der Wand lehnte – einen langen Stab. Mehrmals schlug er damit auf den Boden, woraufhin das obere Ende zu glühen begann. Das Licht erhellte die Umgebung und offenbarte uns einen schmalen Tunnel, in den er hineinging. Ich folgte ihm. Die Passage erweiterte sich nach kurzer Zeit, so daß ich schließlich neben ihm gehen konnte. Der Geruch wurde stärker, und ich wußte beinahe, worum es sich handelte. Erst vor kurzem hatte ich so etwas gerochen . . .

Nach knapp achtzig Schritten führte der Weg nach links und dann nach oben. Dabei kamen wir durch eine kleine Erweiterung der Höhle. Hier lagen Knochen herum, und ein paar Fuß über dem Boden war ein Metallring in das Gestein eingelassen. Eine schimmernde Kette nahm hier ihren Anfang; sie lag am Boden und zog sich vor uns her wie eine Reihe zerschmolzener Tropfen, die im Dämmerlicht abkühlten.

Nun wurde der Tunnel wieder enger, und Dworkin übernahm wie zuvor die Führung. Gleich darauf erreichte er überraschend eine Ecke, und ich hörte ihn etwas murmeln. Als ich an die Biegung kam, wäre ich ihm fast auf die Hacken getreten. Er hatte sich geduckt und tastete mit der linken Hand in einer dunklen Felsspalte herum. Als ich das leise Krächzen hörte und erkannte, daß die Kette in der Öffnung verschwand, wußte ich, worum es sich handelte und wo wir waren.

»Braver Bursche«, hörte ich ihn sagen. »Ich gehe ja nicht weit. Schon gut, mein Alter! Hier hast du etwas zu knabbern.«

Woher er das Ding hatte, das er dem Ungeheuer zuwarf, weiß ich nicht. Jedenfalls fing der purpurne Greif, den ich jetzt auf seiner Schlafstätte erblickte, den fliegenden Brocken mit einer ruckhaften Kopfbewegung auf und verzehrte ihn mit mahlenden Kiefern.

Dworkin grinste zu mir empor.

»Überrascht?« fragte er.

»Worüber?«

»Du dachtest, ich hätte Angst vor ihm. Du dachtest, ich würde mich nie mit ihm anfreunden. Du hast ihn hier draußen postiert, um mich einzusperren – damit ich nicht an das Muster herankomme.«

»Habe ich das jemals behauptet?«

»Das brauchtest du gar nicht. Ich bin kein Dummkopf.«

»Wie du willst.«

Er lachte leise, stand auf und setzte seinen Weg durch den Tunnel fort.

Ich folgte ihm; der Weg wurde nun wieder eben. Die Decke wich zurück, der Gang verbreiterte sich. Endlich erreichten wir die Höhlenöffnung. Dworkin stand einen Augenblick lang als Silhouette vor mir; er hatte den Stab angehoben. Draußen herrschte tiefe Nacht, eine saubere salzige Brise vertrieb den muffigen Höhlengeruch aus meiner Nase.

Nach kurzem Zögern ging er weiter; er trat in eine Welt aus Himmelskerzen und blauem Velours hinaus. Ich folgte ihm. Mir stockte der Atem bei der erstaunlichen Szene. Meine Reaktion galt nicht nur den Sternen, die in übernatürlichem Glanz schimmerten, und auch nicht der Tatsache, daß die Grenze zwischen Himmel und Meer wieder einmal völlig ausgelöscht war. Vielmehr glühte das Muster mit der azetylen-blauen Helligkeit eines Schweißbogens vor dem Himmel-Meer, und all die Sterne über, neben und unter uns waren mit geometrischer Präzision arrangiert und bildeten ein fantastisches undurchdringliches Gerüst, das vor allem den Eindruck erzeugte, als hingen wir in einem kosmischen Netz, dessen eigentliche Mitte das Muster war – der Rest des strahlenden Gewirrs, eine genaue Konsequenz seiner Existenz, Konfiguration und Position.

Dworkin wanderte zum Rand des Musters hinab, wo die abgedunkelte Stelle begann. Er schwenkte den Stab darüber und wandte sich zu mir um.

»Dort hast du es«, verkündete er, »das Loch in meinem Geist. Durch diese Lücke kann ich nicht mehr denken, ich muß mich irgendwie herumpirschen. Ich weiß nicht mehr, was zu geschehen hat, um etwas zu reparieren, das mir längst abgeht. Wenn du meinst, daß du es schaffst, mußt du auf die sofortige Vernichtung gefaßt sein, sobald du das Muster verläßt, um diese Bruchstelle zu beschreiten. Die Vernichtung würde nicht von der dunklen Stelle ausgehen, sondern vom Muster selbst, sobald du die Verbindung unterbrichst. Dabei mag dir das Juwel helfen – vielleicht aber auch nicht. Ich weiß es nicht. Jedenfalls wird der Gang durch das Muster nicht leichter, sondern mit jeder Wende schwieriger, und deine Kräfte werden ständig nachlassen. Als wir das letztemal darüber sprachen, hattest du Angst. Willst du etwa behaupten, du hättest seither einen Born der Kühnheit gefunden?«