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»Was ist denn los?« fragte ich.

»Brand«, erwiderte er. »Er befindet sich nicht mehr in seinen Räumen. Jedenfalls zum größten Teil nicht mehr – er hat etwas Blut zurückgelassen. Das Mobiliar ist außerdem so sehr mitgenommen, daß ein Kampf stattgefunden haben muß.«

Ich blickte an meiner Hemdbrust und meinen Hosen hinab.

»Und jetzt suchst du nach Blutflecken? Wie du selbst siehst, sind das dieselben Sachen, die ich vorhin getragen habe. Schmutzig und zerknittert, gewiß – aber mehr nicht.«

»Damit ist noch nichts bewiesen«, sagte er.

»Es war dein Einfall, zu schauen, nicht meiner. Wie kommst du auf den Gedanken, ich . . .«

»Du warst der letzte, der mit ihm gesprochen hat«, stellte er fest.

»Mit Ausnahme der Person, mit der er gekämpft hat – wenn so etwas stattgefunden hat.«

»Was soll denn das heißen?«

»Du kennst doch seine Anfälle, seine Stimmungen. Wir hatten eine kleine Auseinandersetzung, gewiß. Vielleicht hat er sich nach meinem Verschwinden daran gemacht, die Einrichtung zu zertrümmern, vielleicht hat er sich dabei geschnitten und ist angewidert durch seinen Trumpf verschwunden, um einmal etwas anderes zu sehen . . . Moment! Sein Teppich! War Blut auf dem hübschen kleinen Teppich vor seiner Tür?«

»Ich weiß nicht genau – nein, ich glaube nicht. Warum?«

»Ein Indizienbeweis, daß er die Szene selbst arrangiert hat. Der Teppich liegt ihm nämlich sehr am Herzen. Er hat es vermieden, ihn zu beflecken.«

»Das kaufe ich dir nicht ab«, sagte Gérard. »Außerdem kommt mir Caines Tod noch immer seltsam vor – dazu Benedicts Dienstboten, die vielleicht herausgefunden haben, daß du Schießpulver holen wolltest. Brand aber . . .«

»Das Ganze mag ein neuer Versuch sein, mich als Schuldigen zu brandmarken«, sagte ich. »Benedict und ich sind uns inzwischen einigermaßen nähergekommen.«

Er wandte sich zu Benedict um, der ein Dutzend Schritte entfernt stehengeblieben war und ausdruckslos lauschend zu uns herüberblickte.

»Hat er die Todesfälle erklären können?« fragte Gérard.

»Nicht direkt«, erwiderte Benedict, »aber der Rest seiner Geschichte sieht jetzt zum großen Teil besser aus. Und zwar so sehr, daß ich geneigt bin, ihm alles zu glauben.«

Gérard schüttelte den Kopf und starrte mich finster an.

»Da ist noch einiges ungeklärt«, sagte er. »Worüber hast du dich mit Brand gestritten?«

»Gérard«, sagte ich, »das ist unsere Sache, bis Brand und ich beschließen, es weiterzuerzählen.«

»Ich habe ihn ins Leben zurückgeholt und bewacht, Corwin. Das ist nicht geschehen, damit er später bei einem Streit getötet wird.«

»Gebrauche deinen Verstand«, forderte ich ihn auf. »Wer hat denn den Einfall gehabt, überhaupt auf diese Weise nach ihm zu suchen? Ihn zurückzuholen?«

»Du wolltest etwas von ihm«, sagte er. »Und jetzt hast du es bekommen. Danach stand er dir nur noch im Wege.«

»Nein. Aber selbst wenn es so wäre, glaubst du ernsthaft, ich würde meine Spuren so wenig verwischen? Wenn er umgebracht worden ist, liegt der Fall auf derselben Ebene wie Caines Tod – ein Versuch, mich zu belasten.«

»Das Argument mit der Offensichtlichkeit hast du schon bei Caine benutzt. Vielleicht ist das gerade dein besonderer Trick – etwas, auf das du dich verstehst.«

»Das haben wir doch alles schon durchgekaut, Gérard . . .«

». . . Und du weißt, was ich dir damals gesagt habe.«

»Es wäre schwierig, deine Worte zu vergessen.«

Er hob die Hand und packte meine rechte Schulter. Ich konterte, stieß ihm die linke Faust in den Magen und riß mich los. Dabei zuckte mir der Gedanke durch den Kopf, daß ich ihm vielleicht hätte berichten sollen, worüber ich mit Brand gesprochen hatte. Aber ich mochte die Art und Weise nicht, wie er mich gefragt hatte.

Er griff erneut an. Ich trat zur Seite und erwischte ihn mit einer leichten Linken in der Nähe des rechten Auges. Mit kurzen Haken hielt ich ihn dann auf Abstand. Ich war eigentlich noch gar nicht wieder in Form, und Grayswandir hing hinter mir im Zelt. Eine andere Waffe hatte ich nicht bei mir.

Ich umkreiste ihn. Meine Flanke schmerzte, wenn ich mit dem linken Bein auftrat. Einmal erwischte ich ihn am Schenkel mit dem rechten Fuß, doch ich war zu langsam und stand nicht richtig und hatte nichts nachzusetzen. So verließ ich mich weiter auf die kurzen Haken.

Schließlich blockierte er meine Linke und vermochte die Hand auf meinen Bizeps zu legen. Daraufhin hätte ich mich sofort von ihm lösen müssen, doch er bot mir eine Chance. Ich ging mit einer kräftigen Rechten auf seinen Magen los und legte meine volle Kraft in den Schlag. Keuchend klappte er nach vorn, dabei festigte sich jedoch sein Griff um meinen Arm. Er wehrte meinen Uppercut mit der Linken ab, riß mich aber weiter nach vorn, bis sein Handrücken mir gegen die Brust knallte; gleichzeitig zerrte er meinen linken Arm mit solcher Kraft nach hinten und zur Seite, daß ich zu Boden gerissen wurde. Wenn er sich jetzt auf mich stürzte, war es aus mit mir.

Er ließ sich auf ein Knie nieder und griff nach meinem Hals.

9

Ich machte Anstalten, seine Hand zu stoppen, doch sie erstarrte auf halbem Wege. Als ich den Kopf wendete, sah ich, daß eine andere Hand sich um Gérards Arm geschlossen hatte und ihn zurückhielt.

Ich ließ mich zur Seite rollen, blickte auf und sah, daß Ganelon meinen Bruder festhielt. Gérard riß seinen Arm nach vorn, kam aber nicht los.

»Haltet Euch hier heraus, Ganelon«, sagte er.

»Verschwinde, Corwin!« rief Ganelon. »Hol das Juwel.«

Gérard richtete sich auf. Ganelon ließ die Linke herumzucken und landete einen Kinnhaken. Gérard sackte vor ihm zu Boden. Ganelon griff an und zielte einen Tritt auf die Nieren, doch Gérard packte seinen Fuß und hebelte ihn rücklings zu Boden. Ich rappelte mich in eine geduckte Stellung hoch und stützte mich mit einer Hand ab.

Gérard hüpfte vom Boden hoch und bestürmte Ganelon, der eben das Gleichgewicht zurückgewonnen hatte. Als er ihn fast erreicht hatte, zielt Ganelon einen Schlag auf Gérards Genitalien, der ihn abrupt stoppte. Ganelons Fäuste hämmerten wie Kolben gegen Gérards Unterleib. Mehrere Sekunden lang schien Gérard zu betäubt zu sein, um sich zu schützen, und als er sich schließlich vorbeugte und die Arme abwehrend senkte, erwischte ihn Ganelon mit einer Rechten gegen das Kinn, die ihn zurücktaumeln ließ. Ganelon setzte nach, warf die Arme um Gérard, hakte das rechte Bein in Gérards Kniekehle. Gérard kippte um, und Ganelon stürzte auf ihn. Er setzte sich auf Gérard und versetzte ihm einen kräftigen Kinnhaken. Als Gérards Kopf zur Seite rollte, hielt Ganelon mit einem linken Schwinger dagegen.

Plötzlich trat Benedict vor, als wolle er eingreifen, doch Ganelon war bereits aufgestanden. Gérard lag bewußtlos am Boden; er blutete aus Mund und Nase.

Unsicher stand ich auf und klopfte mich ab.

Ganelon grinste mich an.

»Du solltest lieber nicht in der Nähe bleiben«, sagte er. »Ich weiß nicht, wie ich bei einer Revanche abschneiden würde. Geh das Schmuckstück suchen.«

Ich blickte zu Benedict hinüber, der mir zunickte. Daraufhin ging ich ins Zelt, um Grayswandir zu holen. Als ich wieder ins Freie trat, hatte sich Gérard noch nicht gerührt; dafür stand Benedict vor mir.

»Denk daran«, sagte er. »Du hast meinen Trumpf, und ich habe deinen. Keine entscheidenden Schritte ohne vorherige Absprache.«

Ich nickte. Schon wollte ich ihn fragen, warum er Gérard und nicht mir hatte helfen wollen. Doch dann überlegte ich es mir anders; unsere frisch geschmiedeten Bande der Einigkeit wollte ich nicht so schnell aufs Spiel setzen.

»Gut.«

Ich ging zu den Pferden. Im Vorbeigehen schlug mir Ganelon auf die Schulter.

»Viel Glück«, sagte er. »Ich würde dich ja begleiten, aber ich werde hier gebraucht, zumal Benedict das Chaos aufsuchen will.«

»Gut gemacht«, sagte ich. »Ich dürfte eigentlich keine Schwierigkeiten haben. Mach dir keine Sorgen.«