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Es war Zeit, mit der Verschiebung zu beginnen. Noch umgab mich Amber mit seiner Kraft, doch ich hakte mich in den Schatten fest, so gut es ging, und leitete die Bewegung ein.

Der Weg begann sich nach links zu krümmen, und als wir darüber galoppierten, büßten die Bäume zu beiden Seiten ihre Größe ein und blieben zurück. Eine neue Kurve, und der Weg führte uns über eine Lichtung, die etwa zweihundert Meter groß war. Ich blickte auf und sah, daß der verdammte Vogel noch immer über mir kreiste, inzwischen aber viel näher, nahe genug, um mit mir durch die Schatten gezogen zu werden.

Die Sache war komplizierter, als mir recht sein konnte. Ich brauchte eine offene Fläche, auf der ich mein Pferd herumziehen und notfalls das Schwert frei bewegen konnte. Eine solche Stelle aber zeigte dem Vogel, der sich offenbar nicht so leicht abschütteln ließ, wo ich zu finden war.

Na schön. Wir erreichten eine leichte Anhöhe, überquerten sie, ritten auf der anderen Seite hinab und kamen dabei an einem einsamen, vom Blitz zerstörten Baum vorbei. Auf dem ersten Ast saß ein grausilbern und schwarz gefiederter Falke. Im Vorbeireiten pfiff ich ihm zu, und er sprang in die Luft und stieß dabei einen lauten Kampfschrei aus.

Im Weitergaloppieren hörte ich das Gekläff der Hunde und das Donnern der Pferdehufe hinter mir. In diese Laute mischte sich aber noch etwas anderes, mehr eine Vibration, ein Erbeben des Bodens.

Wieder blickte ich zurück, doch noch war keiner meiner Verfolger über den Hügel. Von neuem richtete ich meine Geisteskräfte auf den Weg, woraufhin Wolken die Sonne verfinsterten. Seltsame Blumen erschienen am Pfad – grün, gelb und purpurn –, und in der Ferne grollte Donner. Die Lichtung erweiterte sich, wurde länger, der Boden verflachte.

Und wieder ertönte das Horn. Ich drehte mich im Sattel um.

Da kam es in Sicht, und ich erkannte, daß ich gar nicht das Ziel der Jagd war, daß die Reiter, die Hunde, der Vogel einzig und allein das Wesen verfolgten, das hinter mir lief. Natürlich war dies ein sehr theoretischer Unterschied, galoppierte ich doch vor der ganzen Korona dahin und wurde mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit von dem Geschöpf gejagt. Ich beugte mich über Drums Hals, schrie dem Pferd etwas zu und preßte die Knie zusammen, wobei ich durchaus wußte, daß das Scheusal schneller war als wir. Es war eine reine Panikreaktion.

Ich wurde von einem Manticora verfolgt!

Zum letztenmal hatte ich ein solches Tier am Tag vor der Schlacht gesehen, bei der Eric sein Leben verlor. Als ich meine Soldaten die hinteren Hänge des Kolvir hinaufführte, hatte so ein Wesen einen Mann namens Rail in Stücke gerissen. Wir hatten es mit automatischen Waffen erledigt. Das Geschöpf war zwölf Fuß lang gewesen und hatte wie dieses Monstrum ein Menschengesicht auf Kopf und Schultern eines Löwen getragen; zugleich besaß es ein Paar adlergleiche Schwingen und den langen spitzen Schwanz eines Skorpions, der sich hoch in den Himmel krümmte. Einige dieser Wesen waren irgendwie aus den Schatten zu uns vorgedrungen und hatten uns auf dem Weg in die Schlacht behindert. Es gab keinen Grund zu der Annahme, daß sie alle vernichtet worden waren, außer der Tatsache, daß seit damals kein Manticora gesehen worden und kein Hinweis auf ihren weiteren Aufenthalt in der Nähe Ambers ans Tageslicht gekommen war. Anscheinend hatte sich dieses Exemplar nach Arden gerettet und seither hier in den Wäldern gelebt.

Ein letzter Blick zeigte mir, daß ich jeden Augenblick aus dem Sattel gezerrt werden konnte, wenn ich nicht etwas unternahm. Gleichzeitig erblickte ich eine dunkle Lawine von Hunden, die sich den Hang hinab ergoß.

Intelligenz und Psychologie des Manticora waren mir nicht bekannt. Die meisten flüchtigen Geschöpfe nehmen sich nicht die Zeit, etwas anzugreifen, das sie nicht ihrerseits attackiert. Der Selbsterhaltungstrieb steht im allgemeinen an erster Stelle. Andererseits war ich nicht sicher, ob der Manticora überhaupt wußte, daß er verfolgt wurde. Vielleicht war er meiner Spur gefolgt und hatte dabei seine Verfolger aufmerksam gemacht. Vielleicht war das Wesen voll auf mich fixiert. Dies war kaum der richtige Augenblick, innezuhalten und alle Möglichkeiten zu überdenken.

Ich zog Grayswandir und lenkte das Pferd nach links, wobei ich die Zügel anzog.

Drum wieherte und stieg auf die Hinterhand. Ich glitt nach hinten und sprang zu Boden.

Doch ich hatte das Tempo der Sturmhunde vergessen; sie hatten vor langer Zeit Random und mich, als wir in Floras Mercedes fuhren, mühelos überholt; und ich hatte vergessen, daß sie im Gegensatz zu normalen Hunden, die hinter Wagen herjagen, damit begonnen hatten, das Fahrzeug auseinanderzureißen.

Plötzlich war der Manticora von Hunden bedeckt; ein Dutzend oder mehr sprang an ihm empor, biß sich an ihm fest. Das Ungeheuer warf den Kopf zurück und stieß einen Schrei aus. Es peitschte mit dem gefährlichen Schwanz auf die Horde ein, wirbelte ein Tier durch die Luft, lähmte oder tötete zwei weitere. Dann erhob es sich auf die Hinterpfoten, machte kehrt und schlug mit den Vorderbeinen um sich.

Doch schon verbiß sich ein Hund in das rechte Vorderbein, zwei weitere machten sich an seinen Keulen zu schaffen, und einer hatte sich gar auf den Rücken vorgekämpft und schlug seine Zähne in Schultern und Hals. Die anderen umkreisten das gefährliche Wesen. Sobald es sich auf einen Angreifer stürzte, würden die anderen vorspringen und zubeißen.

Schließlich erwischte der Manticora den Hund auf seinem Rücken mit dem Skorpionstachel und schlitzte einen anderen auf, der sich an seinem Bein zu schaffen machte. Doch längst blutete der Manticora aus zwei Dutzend Wunden oder mehr, und es wurde deutlich, daß das Bein verletzt war – es konnte nicht mehr richtig ausschlagen und trug auch das Gewicht des Körpers nicht mehr. Schon hatte ein anderer Hund seinen Rücken erklommen und bohrte ihm die Zähne in den Hals. Diesen Angreifer schien der Manticora nicht mehr so leicht abschütteln zu können. Ein Hund sprang von rechts hoch und zerfetzte ihm das Ohr. Zwei weitere griffen von hinten an, und als er sich aufrichtete, stürmte einer vor und schnappte nach seinem Geschlecht. Das Bellen und Knurren schien den Manticora immer mehr zu verwirren; er begann blindlings nach den stets in Bewegung befindlichen grauen Gestalten zu schlagen.

Ich hatte Drums Zügel gepackt und versuchte ihn soweit zu beruhigen, daß ich wieder in den Sattel steigen und mich schleunigst absetzen konnte. Doch er wich immer wieder zurück und stieg auf die Hinterhand, und ich mußte mich anstrengen, ihn überhaupt festzuhalten.

Der Manticora stieß einen lauten Klageschrei aus. Er hatte nach dem Hund auf seinem Rücken geschlagen und sich dabei den Stachel in die eigene Schulter getrieben. Die Hunde nutzten die Ablenkung und griffen geifernd und zuschnappend an.

Ich bin sicher, daß die Hunde den Manticora erledigt hätten, doch in diesem Augenblick kamen die Reiter über den Hügel und galoppierten den Hang herab. Es waren fünf, angeführt von Julian. Er trug seine schuppige weiße Rüstung, und das Jagdhorn hing ihm um den Hals. Er ritt sein Riesenpferd Morgenstern, ein Ungeheuer, das mich seit jeher haßt. Er hob die lange Lanze, die er bei sich hatte, und grüßte damit in meine Richtung. Dann senkte er die Spitze und rief den Hunden einen Befehl zu. Widerstrebend ließen sie von ihrer Beute ab. Sogar der Hund auf dem Rücken des Manticoras ließ los und sprang zu Boden. Sie alle wichen zurück, als Julian Morgenstern die Sporen gab.

Das Ungeheuer wandte sich in seine Richtung, stieß einen letzten trotzigen Schrei aus und sprang mit hochgezogenen Lefzen los. Die beiden stießen zusammen, und einen Augenblick lang versperrte mir Morgensterns Schulter die Sicht. Doch schon ließ mich das Verhalten des Pferdes erkennen, daß der Stich gesessen hatte.

Eine Wende, und ich sah das Ungeheuer am Boden liegen; auf seiner Brust und am dunklen Stiel der Lanze war viel Blut zu sehen.