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Ich spürte, wie mir die Röte ins Gesicht schoß.

»Es hat einen Unfall gegeben«, sagte ich und blickte zur Seite. »Dabei ist uns ein Pferd verlorengegangen.«

»Was für ein Unfall?«

»Ein schlimmer Unfall – schlimm für das Pferd.«

»Benedict«, sagte Random und hob den Kopf. Erst jetzt bemerkte ich, daß er die ganze Zeit den durchstochenen Trumpf angeschaut hatte. »Was kannst du mir über meinen Sohn Martin sagen?«

Benedict musterte ihn einige Sekunden lang, ehe er reagierte. »Woher das plötzliche Interesse?« fragte er dann.

»Weil ich Grund zu der Vermutung habe, daß er tot ist«, erwiderte Random. »Wenn das stimmt, möchte ich ihn rächen. Wenn nicht- nun, der Gedanke, daß er tot sein könnte, hat mich ziemlich aufgewühlt. Lebt er aber noch, möchte ich ihn gern sehen und mit ihm sprechen.«

»Wie kommst du darauf, daß er vielleicht nicht mehr lebt?«

Random sah mich an. Ich nickte.

»Fang beim Frühstück an«, sagte ich.

»Während er erzählt, besorge ich uns etwas zu essen«, sagte Ganelon und wühlte in einem seiner Tragebeutel herum.

»Das Einhorn wies uns den Weg . . .«, begann Random.

3

Wir aßen schweigend. Random hatte zu sprechen aufgehört, und Benedict starrte über Garnath in den Himmel. Sein Gesicht war unbewegt. Ich hatte es vor langer Zeit gelernt, sein Schweigen zu respektieren.

Schließlich nickte er und wandte sich an Random.

»Seit langem habe ich etwas Ähnliches vermutet«, stellte er fest, »aus Bemerkungen, die Vater und Dworkin im Laufe der Jahre gemacht haben. Ich hatte den Eindruck, daß es ein Ur-Muster geben müsse, das sie entweder ausfindig gemacht oder selbst geschaffen hatten, wobei sie unser Amber nur einen Schatten entfernt davon ansiedelten, damit sie auf die Kräfte des Ur-Musters zurückgreifen konnten. Ich hatte allerdings keinen Hinweis darauf mitbekommen, wie man an diesen Ort gelangt.«

Sein Blick richtete sich auf Garnath, und er machte eine typische Bewegung mit dem Kinn. »Und das hier, so meint ihr, entspricht dem, was dort geschah?«

»Sieht so aus«, erwiderte Random.

». . . und wurde hervorgerufen durch Martins Blut?«

»Ich nehme es an.«

Benedict hob den Trumpf, den Random ihm während seines Berichts übergeben hatte. Zuerst hatte Benedict nichts dazu bemerkt.

»Ja«, sagte er jetzt. »Dies ist Martin. Er besuchte mich, als er Rebma verlassen hatte. Er blieb lange bei mir.«

»Warum ist er zu dir gekommen?« wollte Random wissen.

Benedict lächelte.

»Irgendwohin mußte er doch«, gab er zurück. »Er war seiner Stellung in Rebma überdrüssig, seine Haltung gegenüber Amber war unausgeprägt, er war jung und frei und hatte gerade erst die Kräfte entdeckt, die das Muster ihm verlieh. Er wollte fort, wollte neue Dinge sehen, wollte durch die Schatten reisen – wie wir alle. Als kleinen Jungen hatte ich ihn einmal nach Avalon mitgenommen, damit er im Sommer mal über das trockene Land wandern konnte, damit er reiten lernte und sah, wie Korn geerntet wurde. Als er dann plötzlich in der Lage war, sich im Nu überallhin zu versetzen, waren seine Möglichkeiten dennoch nur auf die wenigen Orte beschränkt, die er kannte. Gewiß, er hätte sich auf der Stelle etwas erträumen und dorthin ziehen können – sich also eine Welt schaffen. Aber er wußte auch, daß er noch viel zu lernen hatte, ehe er sich sicher in den Schatten bewegen konnte. Er beschloß, zu mir zu kommen und mich zu bitten, ihn zu unterrichten. Das habe ich getan. Er hat bei mir fast ein Jahr zugebracht. Ich lehrte ihn kämpfen, machte ihn mit den Trümpfen und den Schatten bekannt und unterrichtete ihn in jenen Dingen, die ein Amberianer wissen muß, wenn er am Leben bleiben will.«

»Warum hast du das alles getan?« wollte Random wissen.

»Irgend jemand mußte es tun. Er kam zu mir, also oblag diese Pflicht mir«, erwiderte Benedict. »Nicht, daß ich den Jungen nicht gern hatte«, fügte er hinzu.

Random nickte.

»Du hast gesagt, er hätte fast ein Jahr bei dir gelebt. Was war hinterher?«

»Den Wandertrieb kennst du so gut wie ich. Kaum hatte er ein gewisses Vertrauen in seine eigenen Fähigkeiten gewonnen, da wollte er sie auch ausprobieren. Im Verlauf meines Unterrichts hatte ich ihn natürlich auf Reisen durch die Schatten mitgenommen, hatte ihn da und dort Bekannten vorgestellt. Dann aber kam die Zeit, da er seinen Weg allein gehen wollte. Eines Tages verabschiedete er sich und zog los.«

»Hast du ihn seither wiedergesehen?« fragte Random.

»Ja. Er ist immer mal wieder zurückgekehrt; er blieb eine Zeitlang und erzählte mir von seinen Abenteuern und seinen Entdeckungen. Dabei war stets von vornherein klar, daß er nur zu Besuch da war. Nach einer Weile wurde er unruhig und zog weiter.«

»Wann hast du ihn zum letztenmal gesehen?«

»Das ist nach Avalon-Zeit jetzt mehrere Jahre her und geschah unter den üblichen Umständen. Er tauchte eines Morgens auf, blieb etwa zwei Wochen lang, erzählte mir von den Dingen, die er gesehen und getan hatte, und von den vielen Dingen, die er noch tun wollte. Später reiste er ab.«

»Und seitdem hast du nicht wieder von ihm gehört?«

»Im Gegenteil. Wenn er gemeinsame Freunde besuchte, hinterließ er Nachrichten für mich. Von Zeit zu Zeit setzte er sich sogar durch meinen Trumpf mit mir in Verbindung . . .«

»Er hatte einen Satz Trümpfe?« fragte ich dazwischen.

»Ja, ich hatte ihm eines meiner Extraspiele zum Geschenk gemacht.«

»Hattest du einen Trumpf für ihn?«

Er schüttelte den Kopf.

»Bis zu diesem Augenblick hatte ich keine Ahnung, daß es einen solchen Trumpf überhaupt gibt.« Er hob die durchlöcherte Karte, blickte darauf und gab sie Random zurück. »Mir fehlt die Kunstfertigkeit, so etwas zu zeichnen. Random, hast du versucht, ihn durch diesen Trumpf zu erreichen?«

»Ja, sehr oft, seit die Karte in unserem Besitz ist. Zuletzt erst vor wenigen Minuten. Keine Reaktion.«

»Natürlich ist damit nichts bewiesen. Wenn die Ereignisse so abgelaufen sind, wie du vermutest, und er den Anschlag überlebt hat, ist er jetzt vielleicht entschlossen, alle künftigen Kontaktversuche abzublocken. Wie das geht, weiß er.«

»Sind denn die Ereignisse so gewesen, wie ich vermute? Weißt du mehr darüber?«

»Ich habe da so eine Ahnung«, sagte Benedict. »Weißt du, er ist vor einigen Jahren verwundet bei einem Freund in den Schatten aufgetaucht. Es handelte sich um eine Wunde, die auf einen Messerstich zurückzuführen war. Mir wurde berichtet, er sei in ziemlich schlechtem Zustand gewesen und habe nicht im einzelnen berichtet, woher er die Wunde hatte. Er blieb ein paar Tage lang, bis er wieder mobil war, und verschwand, bevor er sich richtig erholt hatte. Das war das letzte, was die Freunde von ihm gehört haben. Und ich auch.«

»Warst du denn nicht neugierig?« fragte Random. »Hast du nicht nach ihm gesucht?«

»Natürlich war ich neugierig. Das bin ich auch immer noch. Aber ein Mann hat das Recht, sein eigenes Leben zu leben, ohne daß sich Verwandte einmischen, so gut ihre Absichten auch sein mögen. Er hatte die Krise überwunden und machte nicht den Versuch, sich mit mir in Verbindung zu setzen. Anscheinend wußte er, was er wollte. Er ließ mir durch die Tecys ausrichten, ich solle mir keine Sorgen machen, wenn ich von dem Ereignis hörte, er wisse schon, was er tue.«

»Die Tecys?« fragte ich.

»Richtig. Das sind Freunde von mir in den Schatten.«

Ich verschluckte die Worte, die mir in den Sinn kamen. Ich hatte diese Familie für einen Teil von Daras Geschichte gehalten, in der sie die Wahrheit in anderer Hinsicht oft genug völlig verdreht hatte. Sie hatte zu mir von den Tecys gesprochen, als wären sie ihr bekannt, als hätte sie bei ihnen gewohnt – mit Benedicts Wissen. Es schien mir jedoch nicht der richtige Augenblick zu sein, ihm von meiner Vision tags zuvor in Tir-na Nog´th zu erzählen und von den Dingen, die dabei über seine Beziehung zu dem Mädchen angedeutet worden waren. Ich hatte noch nicht die Zeit gehabt, mich mit dieser Frage und den sich daraus ergebenden Folgerungen auseinanderzusetzen.