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Random stand auf, wanderte hin und her, blieb in der Nähe des Abgrunds stehen. Er hatte sich abgewandt, seine Hände waren auf dem Rücken krampfartig verschränkt. Nach kurzem Zögern drehte er sich um und kehrte zurück.

»Wie können wir uns mit den Tecys in Verbindung setzen?« fragte er Benedict.

»Überhaupt nicht«, erwiderte dieser. »Es sei denn, du besuchst sie.«

Random wandte sich an mich.

»Corwin, ich brauche ein Pferd. Du sagst, Star hätte schon einige Höllenritte hinter sich . . .«

»Er hat einen anstrengenden Vormittag gehabt . . .«

»Na, so anstrengend nun auch wieder nicht. Das meiste war doch Angst. Er scheint sich wieder beruhigt zu haben. Leihst du ihn mir?«

Ehe ich antworten konnte, drehte er sich zu Benedict um.

»Du führst mich doch hin, ja?«

Benedict zögerte. »Ich weiß nicht, was es da noch mehr zu erfahren gäbe . . .«, meinte er.

»Mir ist alles wichtig! Alles, woran sie sich erinnern – vielleicht an etwas, das sie damals nicht für wichtig hielten, das im Rahmen unseres heutigen Wissens aber sehr wichtig ist.«

Benedict sah mich an. Ich nickte.

»Er kann Star nehmen, wenn du bereit bist, ihn zu führen.«

»Na schön«, sagte Benedict und stand auf. »Ich hole mein Reittier.«

Er drehte sich um und näherte sich einem großen Schecken, der hinter uns angebunden war.

»Vielen Dank, Corwin«, sagte Random.

»Du kannst mir deinerseits einen Gefallen erweisen.«

»Welchen?«

»Leih mir Martins Trumpf.«

»Wozu denn?«

»Mir ist da eben ein Gedanke gekommen – zu kompliziert, um ihn jetzt zu erklären; du willst ja gleich aufbrechen. Schaden kann er jedenfalls nicht.« Er biß sich auf die Unterlippe.

»Na schön. Wenn du damit fertig bist, will ich ihn aber zurück.«

»Selbstverständlich.«

»Hilft uns das bei der Suche nach ihm?«

»Vielleicht.«

Er reichte mir die Karte.

»Kehrst du jetzt in den Palast zurück?« wollte er wissen.

»Ja.«

»Kannst du dann Vialle sagen, was geschehen ist und wohin ich geritten bin? Sie macht sich sonst Sorgen.«

»Klar.«

»Ich passe gut auf Star auf.«

»Das weiß ich. Viel Glück.«

»Danke.«

Ich ritt auf Feuerdrache. Ganelon ging neben mir zu Fuß; er hatte darauf bestanden. Wir folgten dem Weg, auf dem ich am Tage der Schlacht Dara in die Stadt verfolgt hatte. Abgesehen von den kürzlichen Entwicklungen war es vermutlich dieser Umstand, der mich erneut an sie denken ließ. Ich entstaubte meine Gefühle, betrachtete sie gründlich und erkannte, daß mich mehr als reine Neugier zu ihr hinzog – trotz der Spielchen, die sie mit mir getrieben hatte, trotz der Morde, an denen sie zweifellos beteiligt war, trotz ihrer klar ausgesprochenen Pläne mit unserer Welt. Im Grunde überraschten mich diese Empfindungen nicht. Als ich das letztemal in der Kaserne meiner Emotionen Überraschungsvisite hielt, hatten die Dinge schon ähnlich gestanden. Nun stellte ich mir die Frage, wie wahrheitsgemäß denn meine Vision der letzten Nacht gewesen sein mochte, in der ihre mögliche Abkunft von Benedict behauptet worden war. Es gab tatsächlich eine gewisse äußerliche Ähnlichkeit, und ich war mehr als halb überzeugt, daß da eine Verbindung bestand. In der Gespensterstadt hatte Benedict dem auch gewissermaßen zugestimmt, den seltsamen neuen Arm erhebend, um sie zu verteidigen . . .

»Was findest du denn so komisch?« fragte Ganelon links neben mir.

»Der Arm«, sagte ich, »der mir in Tir-na Nog´th zugeflogen ist – ich habe mir Gedanken gemacht über eine verborgene Bedeutung, eine ungeahnte Schicksalskraft dieses Gebildes, das immerhin aus einer Welt des Rätsels und der Träumerei zu uns gekommen ist. Dabei hat es nicht einmal diesen Tag überstanden. Als Iago vom Muster vernichtet wurde, blieb nichts zurück. Die Visionen des ganzen Abends sind im Nichts versunken.«

Ganelon räusperte sich.

»Nun, ganz so, wie du offenbar annimmst, war es doch nicht«, sagte er.

»Was soll das heißen?«

»Der Metallarm befand sich nicht in Iagos Satteltasche. Random hat ihn bei dir verstaut. Dort waren vorher die Rationen; nachdem wir gegessen hatten, tat er die Utensilien in seine eigene Tasche, nicht aber den Arm. Dazu reichte der Platz nicht.«

»Oh«, sagte ich. »Dann ist also . . .«

Ganelon nickte.

». . . Er hat das Ding jetzt bei sich«, schloß er.

»Den Arm und Benedict. Verdammt! Dem Ding kann ich wirklich keine Liebe entgegenbringen. Es wollte mich töten. Bis jetzt ist in Tir-na Nog´th noch niemand angegriffen worden.«

»Aber Benedict, Benedict ist doch in Ordnung. Er steht auf unserer Seite, auch wenn ihr im Augenblick leichte Differenzen habt, stimmt´s?«

Ich antwortete nicht.

Er hob die Hand, packte Feuerdrache am Zügel und ließ ihn anhalten. Dann starrte er zu mir empor.

»Corwin, was war da oben eigentlich los? Was hast du erfahren?«

Ich zögerte. Ja, was hatte ich in der Stadt am Himmel erfahren? Niemand wußte, was eigentlich hinter den Visionen von Tir-na Nog´th steckte. Durchaus möglich, daß dieser Ort, wie wir manchmal vermuteten, den Zweck hatte, den unausgesprochenen Wünschen und Ängsten des einzelnen Gestalt zu verleihen und sie vielleicht mit unterbewußten Mutmaßungen zu vermengen. Schlußfolgerungen und einigermaßen gründlich durchdachte Vermutungen zu äußern, das ging noch an. Verdachtsmomente aber, die aus dem Unbekannten erwuchsen, sollte man lieber für sich behalten. Allerdings war der Arm denkbar solide . . .

»Ich habe dir doch schon erzählt«, sagte ich, »daß ich den Arm einem Gespenst Benedicts abgenommen habe. Du kannst dir denken, daß wir miteinander gekämpft haben.«

»Siehst du das als Omen, daß du und Benedict irgendwann in Konflikt geratet?«

»Vielleicht.«

»Dir wurde doch ein Grund dafür gezeigt, oder?«

»Na schön«, sagte ich und seufzte, ohne daß ich es gewollt hätte. »Ja. Es kam der Hinweis, daß Dara tatsächlich mit Benedict verwandt ist – was ja durchaus stimmen kann. Und wenn es stimmt, wäre es auch denkbar, daß er es gar nicht weiß. Deshalb halten wir in dieser Sache den Mund, bis wir eine Bestätigung haben – so oder so. Verstanden?«

»Natürlich. Aber wie wäre so etwas möglich?«

»Na, wie sie gesagt hat.«

»Urenkelin?«

Ich nickte.

»Durch wen?«

»Das Höllenmädchen, das wir nur vom Hörensagen kennen – Lintra, die Dame, die ihn den Arm gekostet hat.«

»Aber der Kampf hat doch erst kürzlich stattgefunden!«

»In den verschiedenen Reichen der Schatten strömt die Zeit unterschiedlich schnell dahin, Ganelon. In den ferneren Zonen . . . Unmöglich wäre es nicht.«

Er schüttelte den Kopf und ließ die Zügel los.

»Corwin, ich bin der Meinung, Benedict sollte informiert werden«, fuhr er fort. »Wenn es stimmt, solltest du ihm eine Chance geben, sich darauf vorzubereiten, anstatt ihn die Wahrheit überraschend entdecken zu lassen. Eure Familie ist manchmal dermaßen unfruchtbar, daß Vaterschaft euch offenbar mehr zu schaffen macht als anderen. Sieh dir Random an. Jahrelang hat er sich nicht um seinen Sohn gekümmert, und jetzt . . . Ich habe so ein Gefühl, als würde er sein Leben für ihn riskieren.«

»Ich auch«, sagte ich. »Jetzt vergiß aber mal die erste Hälfte deines Satzes und denk dir die zweite noch einen Schritt weiter - bei Benedict.«

»Meinst du, er würde sich auf Daras Seite gegen Amber stellen?«

»Ich vermeide es lieber, ihn vor diese Alternative zu stellen, indem ich ihn gar nicht erst wissen lasse, daß es sie gibt – wenn es sie gibt.«

»Damit tust du ihm meiner Meinung nach keinen Gefallen. Er ist doch wohl kaum ein emotionaler Krüppel. Melde dich bei ihm durch den Trumpf und teile ihm deinen Verdacht mit. Auf diese Weise kann er wenigstens darüber nachdenken und wäre bei einer plötzlichen Konfrontation nicht unvorbereitet.«