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Er lächelte dünn. »Ich habe an Lorlen gedacht.«

Sie musterte ihn nachdenklich. Osen hatte den ehemaligen Administrator bewundert und jahrelang mit ihm zusammengearbeitet, und er betrauerte seinen Tod zutiefst. Es bestand keine Chance, dass sie diese Gedanken und die dazugehörigen Gefühle übersehen hätte – nicht ohne irgendeine Art von magischer Einmischung.

»Ich habe diese Zusammenhanglosigkeit nicht gespürt, als ich zum ersten Mal Nakis Gedanken gelesen habe«, bemerkte Kallen.

»Ich auch nicht«, erwiderte Sonea und drehte sich zu ihm um. »Vielleicht gibt es irgendeinen Trick oder eine besondere Fähigkeit für die Benutzung des Rings.«

»Nach dem, was ich erfahren habe, ist genau das der Fall«, erklärte Osen ihnen. Er lächelte, als sie ihn beide ansahen. »Botschafter Dannyl hat mir Bericht erstattet, als ich mich gerade für die Anhörung fertig machte. Er hatte von der Existenz von Steinen erfahren, die das Gedankenlesen blockieren. Da es so viele Ungereimtheiten zwischen dem gab, was Sonea und Kallen in Nakis und Lilias Gedanken gelesen haben, habe ich beschlossen, zu überprüfen, ob eins der Mädchen einen Edelstein trug, bevor wir weitermachten.«

»Was tun wir jetzt?«, fragte Kallen.

»Wir beginnen die Anhörung«, sagte Osen, den Blick auf Naki gerichtet. Sie funkelte ihn an. Er wandte sich an Sonea. »Ihr und Lilia kehrt als Erste zurück. Ich werde mit Kallen nachkommen.«

Sie nickte. Er ging zur Tür, und zu ihrer Überraschung folgte er ihr und Lilia hinaus und schloss die Tür hinter sich.

»Bevor Ihr geht«, sagte er mit leiser Stimme. Sein Blick wanderte von Sonea zu Lilia und zurück, um anzudeuten, dass er das Wort an sie beide richtete. »Erwähnt diesen Ring noch niemandem gegenüber.« Er schaute Sonea an. »Errichtet eine Barriere des Schweigens und sagt den Höheren Magiern, dass Kallen Nakis Gedanken gelesen habe, nachdem eine Blockade entfernt wurde, die eine Gedankenlesung verhinderte. Erklärt ihnen, dass man ihnen die Einzelheiten nach der Anhörung mitteilen werde.«

Sie nickte, und als er ihr bedeutete, dass sie gehen konnten, eilte sie mit Lilia an ihrer Seite davon.

»Also«, sagte Lilia, als sie die Große Halle betraten. »Wenn Naki des Mordes für schuldig befunden wird … des Mordes mithilfe von schwarzer Magie …«

Ein Schauer überlief Sonea. Die Strafe würde eine Hinrichtung sein. Sie sah Lilia an, und eine Woge des Mitgefühls schlug über ihr zusammen. Sie hat sich für ihre Vernarrtheit definitiv das falsche Mädchen ausgesucht. Lilia war nicht nur das Herz gebrochen worden, sie hatte auch herausfinden müssen, dass das Objekt ihres Verlangens andere ermordet, sie selbst in eine Falle gelockt und dann versucht hatte, sie zu töten. Jetzt ist es wahrscheinlich, dass ihre Freundin hingerichtet wird. Ich hoffe, sie wird damit zurechtkommen. Ich sollte ein Auge auf sie halten …

Das Mädchen wandte den Blick ab.

»Der König könnte ihr einen Straferlass gewähren«, sagte Sonea.

Lilia stieß ein kurzes, bitteres Lachen aus. »Das wird nicht geschehen.«

Sonea seufzte. »Nein, es ist nicht wahrscheinlich.«

Als sie die Tür zur Gildehalle erreichten, kam Sonea ein anderer Gedanke, der sie innehalten ließ. Plötzliches Grauen erfüllte ihr Herz.

Wer wird die Hinrichtung durchführen müssen?

27

Unvorhergesehener Beistand

Lorkin, der vor der Hütte des Jägers stand, schaute sich um und fragte sich, wie spät es sein mochte. Er wusste nur, dass die Sonne aufgegangen war, denn der Nebel um ihn herum war zu hell, als dass er von Mondlicht erleuchtet werden konnte.

Soll ich hierbleiben, bis der Nebel sich hebt?

Weil der Sturm Tyvara und ihn aufgehalten hatte, gingen seine Vorräte langsam zu Neige. Obwohl er bereit war, einen Tag lang zu hungern, wusste er, dass unten am Ende des Tals als Sklavinnen getarnte Verräterinnen auf ihn warteten. Je länger er brauchte, um dort anzukommen, umso größer war die Wahrscheinlichkeit, dass man sie auf dem Besitz, zu dem sie gehörten, vermissen würde.

Solange ich immer hügelabwärts gehe, dürfte ich mich eigentlich nicht verirren. Tyvara sagte, ich würde nicht vom Weg abkommen, wenn ich bei Nacht marschiere, weil die Straße den Eingang des Tals kreuzt. Sie sagte, ich solle einfach weitergehen, bis ich auf die Straße stoße, und dann soll ich mich links halten und ihr folgen.

Er schaute zu der Hütte zurück, die größtenteils durch den Nebel verborgen war. Den Schlitten hatte er Tyvaras Rat folgend unter dem Schnee vergraben. Irgendjemand würde ihn schon bald ins Sanktuarium zurückbringen, vermutete er. Er hatte auch seinen Rucksack zurückgelassen und die Art Kleider angezogen, die Jäger normalerweise im Winter trugen – eine grob geschneiderte Hose und ein Gewand, über dem er einen Kapuzenumhang aus zusammengenähten Tierhäuten trug. Seine Stiefel waren aus Leder, mit dem Fell auf der Innenseite. Außerdem hatte er schlichte Handschuhe aus Tierhaut. Jäger waren eine weitere Gruppe von Sachakanern, die nicht recht in die simple Unterteilung in Sklaven und Ashaki hineinpassten. Sie waren freie Männer, aber sie waren keine Magier. Sie lebten auf Gütern, im Austausch gegen Felle, Fleisch und andere Produkte, die sie eintauschen konnten, aber sie wurden nicht als Sklaven betrachtet. Da sie einen großen Teil des Jahres an entlegenen Orten verbrachten, würde es für einen Herrn schwierig werden, sie unter Kontrolle zu halten. Außerdem hatten sie eine Art Übereinkunft mit den Verräterinnen, die sie in Ruhe ließen, solange sie sich von bestimmten Gebieten in den Bergen fernhielten. Einige unterstützten die Verräterinnen aktiv, indem sie ihnen erlaubten, ihre Hütten zu benutzen. Obwohl sie in diesem Punkt vielleicht keine große Wahl hatten: Wenn sie frei sein wollten, um in den Bergen zu jagen, mussten sie sich mit den Magiern, die dort lebten, gutstellen.

Die Aufmachung eines Jägers war die perfekte Tarnung für Lorkin. Falls irgendein Ashaki ihn sah, würde er ihn ignorieren, und es war nicht allzu seltsam, dass ein Jäger allein im Freien unterwegs war. Nicht dass jemand ihn heute sehen würde.

Er wandte den Bergen den Rücken zu und setzte sich in Bewegung. Der Nebel war so dicht, dass er auf dem Boden ständig Ausschau nach Hindernissen halten musste. Nachdem er in Senken gestolpert war und über den Rand des Flusses, der unter dem Schnee verborgen lag, brach er einen Ast von einem der dürren Bäume ab und benutzte ihn, um die Verwehungen vor ihm abzutasten. Das verlangsamte sein Vorankommen, daher rechnete er nicht damit, die Straße in nächster Zeit zu finden. Als leichtes Vorwärtskommen auf einem ebenen Teilstück ihn zu einer Stelle brachte, an der sein nächster Schritt ins Nichts geführt hätte, blieb er stehen und sah sich um. Als er sich nach links und rechts bewegte, stellte er fest, dass der flache Bereich sich beiderseits fortsetzte. Das musste die Straße sein.

Tyvara hat gesagt, ich soll mich links halten. Wenn ich mich irre und dies nicht die Straße ist, wird das flache Gelände bald enden, und ich werde auf den Seitenhang des Tals stoßen.

Also ging er über den flachen Streifen Land in die ihm gewiesene Richtung. Nach mehreren hundert Schritten entspannte er sich ein wenig. Die Oberfläche blieb gerade und, abgesehen von einer gelegentlichen Furche oder Pfütze, eben. Da er hier nicht mehr nach Hindernissen Ausschau halten musste, konnte er sich umsehen und in dem Nebel nach irgendwelchen Spuren von den Verräterinnen suchen, die auf ihn warteten.

Nach einer Weile begann er sich zu sorgen, dass er unbemerkt an ihnen vorbeiwandern würde. Obwohl der Nebel Geräusche erstickte, erschienen ihm seine Schritte, die durch den Schnee knirschten und gelegentlich auf eine Pfütze trafen, sehr laut, und er musste der Versuchung widerstehen, sich leiser zu bewegen.

Zumindest sollte ich eine Kutsche früh genug hören, um von der Straße verschwinden und mich verstecken zu können. Es wird auch keine Rolle spielen, dass es nichts gibt, wohinter ich mich verstecken könnte. Ich brauche lediglich in die Hocke zu gehen und reglos sitzen zu bleiben, und falls irgendjemand mich sieht, wird er mich wahrscheinlich für einen Steinbrocken halten.