Hinter ihm wurde eine Stimme laut, und Lorkin erstarrte. Er konnte nicht ausmachen, was die Stimme sagte, aber es war definitiv eine Person gewesen, die nach einer anderen gerufen hatte.
Nach mir?
Er überdachte, was Tyvara über die Wahrscheinlichkeit gesagt hatte, Ashaki zu begegnen. »Du solltest auf keinen Ashaki treffen. Sie reisen zu dieser Zeit des Jahres gewöhnlich kaum.« Er bezweifelte, dass irgendjemand sich bei diesem Nebel freiwillig hinauswagen würde, und er hatte weder das Knarren und Rumpeln einer Kutsche noch Hufschläge gehört. Die einzigen Menschen, die bei diesem Wetter draußen sein würden, waren wahrscheinlich die Personen, die nach ihm suchten. Vielleicht hatten sie seine Spuren gesehen und begriffen, dass er an ihnen vorbeigegangen war.
Die Stimme erklang abermals, weiter entfernt diesmal. Lorkin ging voran. Binnen weniger Schritte sah er etwas, das sich bewegte. Er machte eine Gestalt aus, die auf ihn zukam. Ein zuversichtlich ausschreitender Mann. Bekleidet mit Hose und einer kurz geschnittenen Jacke.
Ashaki.
Er blieb stehen, aber es war zu spät. Der Mann hatte ihn gesehen. Lorkins Herz begann zu rasen. Sollte er sich zu Boden werfen und hoffen, dass der Mann ihn für einen Sklaven hielt? Aber ein Jäger würde das nicht tun.
»Ihr seid nicht Chatiko«, sagte der Mann und hielt inne. Dann kam er näher und beugte sich vor, während er Lorkin anstarrte. »Ich kenne Euch. Ich habe Euch schon einmal gesehen.« Seine Augen weiteten sich vor Überraschung. »Ihr seid dieser kyralische Magier! Der, der verschwunden ist!«
Es hatte keinen Sinn, es abzustreiten. Tyvaras Worte stiegen aus seiner Erinnerung empor.
»Solltest du doch einem Ashaki begegnen, sag ihm, wer du bist, und bitte darum, dass man dich zum Gildehaus zurückbringt. Sie werden aus politischen Gründen verpflichtet sein, dir zu helfen.«
»Ich bin Lord Lorkin von der Magiergilde Kyralias«, sagte er. »Ich ersuche Euch förmlich darum, mich zum Gildehaus in Arvice zurückzubringen.«
Der Mann lächelte und klopfte ihm auf die Schulter. »Nun, heute ist Euer Glückstag. Wir sind selbst in diese Richtung unterwegs. Wir wollten eigentlich abwarten, bis das Wetter sich bessert, aber Meister Vokiro hat darauf bestanden, dass wir beim ersten Tageslicht aufbrechen. Ich bin Meister Akami.«
Lorkin suchte nach irgendeiner Erwiderung. Zwei von ihnen sind Meister. Sie stehen im Rang nicht so hoch wie Ashaki. Das könnte für mich von Vorteil sein. Er brachte ein Lächeln zustande.
»Vielen Dank, Meister Akami.«
Der Sachakaner warf Lorkin angesichts seiner kyralischen Manieren einen vertraut erheiterten Blick zu, dann deutete er die Straße hinunter. »Die Kutsche steht dort drüben. Meister Chatiko hat angehalten, um sich zu erleichtern.« Lorkin schloss sich dem Mann an. »Er hat so lange gebraucht, dass ich mich auf die Suche nach ihm gemacht habe. Versteht Ihr jetzt, welches Glück Ihr hattet? Wir hätten vorbeifahren können, ohne Euch zu sehen. Ah! Da ist er ja wieder.«
Neben der Kutsche stand ein anderer Mann. Als er Lorkin sah, musterte er ihn von Kopf bis Fuß, und auf seinem Gesicht spiegelten sich Erstaunen und Abscheu wider.
»Sieh dir an, was ich gefunden habe«, erklärte Meister Akami. »Einen verschollenen kyralischen Magier! Und ich wette, er hat einige Geschichten zu erzählen. Er wird uns den ganzen Weg bis zurück in die Stadt unterhalten!«
Kaum waren die Reisetruhen auf das Deck der Inava geschleppt worden, hievten die Schiffssklaven auch schon den Anker hoch und setzten Segel.
Dannyl, Tayend und Achati wurde an Deck ein Platz zugewiesen, wo sie dem Kapitän und seiner Sklavenmannschaft nicht im Weg waren.
Achati sah Dannyl an. »Also, seid Ihr zufrieden mit dem, was Ihr hier erfahren habt, Botschafter?«
Dannyl nickte. »Ja, obwohl ich gern noch einmal herkommen und weitere dieser Duna-Legenden aufzeichnen würde. Ich habe darum gebeten, die Geschichten über Magie zu hören, aber es muss jede Menge weiterer Legenden geben, die nichts mit Magie zu tun haben. Ich schätze, das ist ein Buch, das ein anderer schreiben muss.«
Achati nickte. »Vielleicht könnte Eure Assistentin ein solches Buch schreiben. Sie scheint sich sehr für die Stämme zu interessieren.«
Dannyl verspürte leise Gewissensbisse, weil er Merria zurückgelassen hatte. Aber irgendjemand musste im Gildehaus bleiben. »Ja, das stimmt.«
»Und was ist mit Euch, Botschafter Tayend?«, fragte Achati den Elyner.
Tayend machte eine vage Handbewegung, die viele Dinge hätte bedeuten können. Er wirkte ein wenig bleich, wie Dannyl auffiel.
»Habt Ihr das Heilmittel gegen Seekrankheit genommen?«, erkundigte sich Achati.
»Noch nicht«, gestand Tayend. »Ich wollte den letzten Ausblick auf all das hier nicht versäumen …« Er schluckte und deutete auf das Tal. »Ich werde das Mittel nehmen, sobald wir die Bucht verlassen haben.«
Achati runzelte besorgt die Stirn. »Es wird eine gewisse Verzögerung geben, bevor das Mittel wirkt, und es wird überhaupt keine Chance haben, wenn Ihr es nicht unten behalten könnt.«
»Ashaki Achati«, rief der Kapitän.
Sie drehten sich um und sahen, dass der Mann zur Nordseite der Bucht zeigte. Seine Augen leuchteten, und sein Gesicht zeigte ein grimmiges Lächeln. Schwarze Wolken verdunkelten den Himmel, und der Horizont verschwamm hinter Strömen von Regen.
Achati lachte leise. »Da braut sich ein Sturm zusammen.« Er machte einen Schritt auf den Kapitän zu. »Ich werde Euch Beistand leisten.«
Der Mann musterte den Ashaki. »Ihr habt Erfahrung?«
Achati grinste. »Zur Genüge.«
Der Mann nickte, und sein Lächeln kehrte zurück. Als Achati sich abwandte, glänzten seine Augen vor Erregung. Dannyls Haut kribbelte.
»Wir kehren nicht um?«, fragte Tayend mit einem Anflug von Panik in der Stimme.
»Nein«, erwiderte Achati. »Ihr solltet dieses Heilmittel besser sofort einnehmen.«
»Ihr und der Kapitän freut Euch darüber, nicht wahr?«, fragte Dannyl, als der Elyner davoneilte.
Achati nickte. »Das stimmt. Stürme sind zu dieser Jahreszeit alltäglich. Wir nutzen sie seit Jahrhunderten. Jeder Ashaki, der mit einem Schiff reist – das heißt, jeder, dem sein Leben teuer ist –, lernt, diese Stürme zu reiten. Mit Magie, die das Schiff zusammenhält, und einem erfahrenen Kapitän, der das Schiff steuert, kann man binnen weniger Tage von Duna nach Arvice segeln.«
Wie um diesen Punkt zu betonen, drosch eine Sturmböe auf das Schiff ein, als es den Schutz der Bucht verließ. Dannyl und Achati hielten sich an der Reling fest.
»Kann ich irgendwie behilflich sein?«, fragte Dannyl. Er musste rufen, um sich im Sturm Gehör zu verschaffen.
In Achatis Lachen lag ein Anflug von Zuneigung wie von Geringschätzung. »Keine Sorge. Der König wird sicherstellen, dass das, was der Kapitän und ich an Magie benutzen, ersetzt werden wird.«
Mit anderen Worten, nur ein höherer Magier besitzt die Stärke für ein solches Tun.
Es war Dannyl noch nie so bewusst gewesen, dass er kein Schwarzmagier war. Seltsamerweise war das der Grund, warum es ihm widerstrebte, sich in den Schutz der Kajüte zu stehlen.
»Dann werde ich bleiben und zusehen«, sagte er.
»Später«, erwiderte Achati kopfschüttelnd. »Das Heilmittel gegen Seekrankheit kann kein Wunder vollbringen. Tayend wird Eure Hilfe brauchen.«
Dannyl sah dem Sachakaner in die Augen und las Sorge darin. Seufzend nickte er und folgte dem elynischen Botschafter in die Kajüte.
Als Sonea sich dem Ende des Flurs näherte, sah sie durch die Eingangshalle der Universität eine Kutsche vorfahren. Der Augenblick, in dem das Fenster des Wagens sichtbar war, reichte, um in der Kutsche ein vertrautes Gesicht auszumachen.