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Dorrien.

Sie fluchte leise. Wenn sie die Halle durchquerte, würde er sie bemerken und mit ihr reden wollen. Sie war nicht in der Stimmung für eine solche Begegnung, die voller unausgesprochener Fragen, Schuldgefühle und Verlangen sein würde. Nicht jetzt, da das Grauen, das sich während der Anhörung ihrer bemächtigt hatte, sie schon den ganzen Tag nervös machte.

Also drehte sie sich um, ging durch den Flur wieder zurück und schlüpfte in ein leeres Klassenzimmer. Die Novizen waren längst fort. Die Reihen von Tischen und Stühlen brachten Erinnerungen zurück, angenehme wie unangenehme.

Oder wäre es treffender zu sagen, erträglicheund unangenehme? Obwohl ich es durchaus genossen habe, Magie zu erlernen, hatte ich davon abgesehen mit meinen Mitnovizen nicht viel Spaß, selbst wenn sie mir das Leben nicht schwer machten, mich geringschätzig behandelten oder, in Regins Fall, neue und zunehmend demütigende und schmerzhafte Methoden fanden, mich zu quälen.

Nachdem sie wieder in die Gilde aufgenommen worden war, war die Beendigung ihrer Ausbildung schwierig gewesen, da sie ihre Lektionen lernen musste, ohne dass irgendein Lehrer ihr die komplexeren Konzepte direkt in ihre Gedanken übermittelt hätte. Sie hatte es geschafft, trotz dieser Erschwernis. Und trotz der Trauer um Akkarins Tod. Und ihrer Schwangerschaft mit Lorkin.

Regin hat sich zu einem guten Mann entwickelt, ging es ihr unwillkürlich durch den Kopf. Dann lächelte sie schief. Ich hätte nie gedacht, dass ich das einmal denken würde. Oder dass ich ihn vermissen würde.

Was sie in gewisser Weise tat. Während der Suche nach dem wilden Magier war es besser gewesen, einen Gehilfen zu haben, der nicht in sie vernarrt war. Die Situation mit Dorrien war viel zu kompliziert geworden. Sie wünschte, sie könnten sich beeilen und Skellin und Lorandra finden. Oder dass Dorriens Tochter früher der Gilde beitrat, so dass er und Alina aufs Land zurückkehren konnten.

Ich schätze, das bedeutet, dass ich nicht in ihn verliebt bin, begriff sie. Vielleicht wäre ich es gewesen, wären da nicht so viele Umstände, die alles verdarben. Oder vielleicht … wenn es Liebe wäre, dann wären diese Dinge nicht in der Lage, es zu verderben. Anscheinend haben Leute ständig Affären. Die Vorstellung, einen Ehemann oder eine Ehefrau zu betrügen oder einen Skandal zu verursachen, genügt nicht, um sie abzuschrecken.

Sie seufzte und ging auf die Klassenzimmertür zu. Dorrien sollte die Halle inzwischen durchquert haben. Sie hielt inne, als sie Stimmen und Schritte näher kommen hörte; sie wollte nicht, dass jemand sah, dass sie sich in einem Klassenzimmer versteckte.

»… hat Euch das nicht davon überzeugt, dass Ihr aufhören müsst, Feuel zu nehmen?«, fragte eine Frau.

Die Stimme war vertraut. Noch während sie begriff, dass es Lady Vinara war, die sprach, hörte sie eine andere Stimme antworten und erschrak leicht, als sie auch diese erkannte.

»Ich bin überzeugt, aber dies ist vielleicht nicht der beste Zeitpunkt«, erwiderte Schwarzmagier Kallen, als sie an dem Klassenzimmer vorbeikamen. »Ich darf mich jetzt nicht ablenken lassen …«

»Es gibt niemals einen guten Zeitpunkt«, unterbrach ihn Vinara. »Denkt Ihr, ich höre das nicht jeden Tag von …«

Die Stimme der Heilerin verklang, während die beiden sich rasch entfernten. Sie waren sicher auf dem Weg zu Osens Büro, wo auch Sonea hinwollte.

Sie zählte bis fünfzig, dann trat sie aus dem Raum und setzte ihren Weg fort. Triumph und Sorge vermischten sich miteinander, während sie über das nachdachte, was sie eben gehört hatte. Triumph, dass sie recht gehabt hatte: Kallens Feuelgebrauch war ein Problem. Sorge, dass sie recht hatte: Kallens Benutzung war ein Problem. Was es, weil er ein Schwarzmagier war, auch zu ihrem Problem machte.

Die Tür zu Osens Büro war noch nicht wieder zugefallen, als Sonea sie erreichte, so dass sie sich gerade noch hindurchschieben konnte. Rothen war bereits anwesend. Sie lächelte ihm im Vorbeigehen zu. Die Oberhäupter der Disziplinen saßen auf ihren gewohnten drei Stühlen. Kallen stand an der Wand. Der Administrator saß. Er schaute ihr in die Augen, und sie tauschten ein Nicken, dann nahm sie ihren gewohnten Platz neben seinem Schreibtisch ein.

Die wenigen noch fehlenden Höheren Magier trafen kurz darauf ein, und Osen begann die Besprechung, indem er erklärte, was vor der Anhörung geschehen war: Dannyls Informationen, woraufhin er Kallen mit Naki und Sonea mit Lilia gerufen hatte, und was Kallen in Nakis Geist gesehen hatte, sobald ihr Ring entfernt worden war.

»Der König hat Naki keinen Gnadenerlass gewährt«, eröffnete Osen ihnen, nachdem er mit seinen Erklärungen zum Ende gekommen war.

Stille folgte dieser Ankündigung. Sonea betrachtete die Gesichter der Magier. Einige nickten und waren wenig überrascht. Andere wirkten schockiert. Rothen beobachtete sie mit mitfühlender, besorgter Miene. Ihr wurde flau im Magen, und ihr Mund wurde trocken.

Was werde ich tun, wenn sie mich bitten, die Hinrichtung vorzunehmen? Sie hatte bereits beschlossen, nicht dagegen zu protestieren, falls man es ihr befahl, aber wenn man ihr die Gelegenheit gab, es zu vermeiden, dann würde sie diese Gelegenheit nutzen. Es gibt keine richtige Entscheidung in diesem Fall. Entweder, ich tue es und bin für einen weiteren Tod verantwortlich, oder ich weigere mich und zwinge einen anderen, diese Bürde auf sich zu nehmen.

Der andere würde höchstwahrscheinlich Kallen sein. Er hatte noch nie zuvor jemanden getötet – gewiss nicht mit schwarzer Magie, und wenn Naki sterben sollte, ohne dass ihre Magie entfesselt wurde, dann musste man ihr vorher ihre Kräfte nehmen. Naki war kein feindlicher Eindringling, sie war eine junge Frau und Kyralierin. Obwohl Sonea den Mann nicht mochte, würde sie ihm die Bürde, jemanden töten zu müssen, nicht wünschen.

Wenn ich es tue, werden die Menschen mich anders sehen. Als gnadenlos und kalt. Wenn ich vor dieser Pflicht zurückschrecke, werden sie mich als illoyal und feige betrachten. Sie werden …

»Ich habe die Angelegenheit mit Schwarzmagier Kallen und dem Hohen Lord Balkan besprochen«, sagte Osen. »Kallen wird Nakis Macht nehmen, und Balkan wird die Strafe ausführen.«

Sonea blinzelte überrascht, noch während Erleichterung sie durchflutete. Sie war nicht die Einzige im Raum, deren Ausatmen eher wie ein Stöhnen klang.

»Der König hat zugestimmt, dass es keine öffentliche Hinrichtung sein sollte«, fuhr Osen fort. »Trotz der abschreckenden Wirkung, die eine solche Hinrichtung vielleicht haben würde.« Alle Magier im Raum nickten zustimmend. »Es wird noch heute Abend geschehen. Die Existenz dieser Edelsteine, die eine Gedankenlesung blockieren, muss ein Geheimnis bleiben«, sprach Osen energisch weiter. »Außer den hier Anwesenden darf niemand davon erfahren. Die Sachakaner wissen nichts von ihnen, und wenn sie von dieser Art von Magie erfahren, könnten die Konsequenzen katastrophal sein.«

Er nahm sich die Zeit, jedem Magier in die Augen zu sehen, bis er von allen ein Nicken oder ein verständnisvolles Murmeln erhalten hatte; dann entspannte er sich und forderte zu Fragen auf. Sonea hörte nicht, was gefragt wurde, so sehr war sie mit ihrer eigenen Erleichterung beschäftigt.

Verspätet begriff sie die Überlegungen hinter Osens Entscheidung: Balkan war als Hoher Lord der Anführer der Gilde und als Krieger ausgebildet, daher war es passend, dass er dem Gesetz Genüge tat. Sie und Kallen waren nur deshalb als Schwarzmagier akzeptiert worden, damit sie die Gilde gegen eine Invasion verteidigen konnten. Wenn Kallen Naki ihre Macht nahm, war das eine praktische Maßnahme und unterschied sich kaum von dem, was er und Sonea für sterbende Magier taten, um sicherzustellen, dass sie aus dem Leben schieden, ohne dass die in ihnen verbliebene Magie irgendwelche Zerstörungen anrichtete.